Horst D. Deckert

Ukraine-Krieg: Glaubt Putin nicht mehr an eine diplomatische Lösung?

Einem Bericht zufolge glaubt Russlands Präsident Wladimir Putin nicht mehr an eine diplomatische Lösung in der Ukraine. Dies könnte dazu führen, dass eine Teilung des Landes angestrebt wird.

Wie geht es in der Ukraine weiter? Momentan konzentrieren sich die russischen Truppen vor allem auf den Osten und Süden des Landes – Gebiete, die vor allem von russischsprachigen Ukrainern bewohnt werden und auch in der Vergangenheit mehrheitlich für pro-russische Parteien und Präsidenten stimmten. Mit ein Grund dafür ist laut eines Berichts der „Financial Times“ der Umstand, dass Russlands Präsident, Wladimir Putin, offenbar nicht mehr an eine diplomatische Lösung des Konflikts glaubt. Also müssen neue politische Realitäten geschaffen werden.

Der russische Präsident soll nach mehreren Rückschlägen auf dem Schlachtfeld im vergangenen Monat angeblich ernsthaft ein Friedensabkommen in Betracht gezogen haben. Die ersten Friedensgespräche waren allerdings nach einem Treffen in Istanbul Ende März ins Stocken geraten, nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Kreml beschuldigt hatte, Kriegsverbrechen gegen Zivilisten in Mariupol und Bucha begangen zu haben. Wobei nach wie vor sehr unklar ist, wie viele der Anschuldigungen gegen die russischen Truppen ukrainische Kriegspropaganda sind – wohl wissend, dass man im Westen solche Vorwürfe unreflektiert und ungeprüft übernimmt.

Laut Putin befanden sich die Friedensbemühungen in einer „Sackgasse“, und er war besonders verärgert über die Versenkung des russischen Schwarzmeerflaggschiffs „Moskwa“, wie zwei Quellen der FT berichten. „Es gab Hoffnung auf eine Einigung. Putin hat sich hin und her bewegt. Er muss einen Weg finden, um aus dieser Sache als Gewinner hervorzugehen“, sagte eine Quelle, die hinzufügte, dass Putin, als die Moskwa sank, „dagegen war, irgendetwas zu unterzeichnen. […] Nach dem Untergang der Moskwa sieht er nicht wie ein Gewinner aus, denn es war eine Demütigung“.

Einem relativ neuen Narrativ zufolge soll Putin eine „verzerrte“ Sicht des Krieges haben, weil seine eigenen Generäle und das russische Fernsehen ein siegreiches Bild zeichnen – was den russischen Präsidenten dazu veranlasst haben soll, darauf zu bestehen, dass bei den Angriffen keine Zivilisten getroffen wurden. „Putin glaubt aufrichtig an den Unsinn, den er im [russischen] Fernsehen hört, und er will groß gewinnen“, so eine Quelle. Und so berichtet die „Financial Times“ weiter:

Vermittler wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, und der Milliardär und Besitzer des FC Chelsea, Roman Abramowitsch, haben versucht, Putin zu einem Treffen mit Selenskyj zu bewegen, in der Hoffnung, dass sie die festgefahrene Situation überwinden können. Die russischen und ukrainischen Unterhändler haben die meisten anderen Themen auf Eis gelegt, während sie versuchen, eine Vereinbarung über Garantien für die Sicherheit Kiews auszuhandeln, falls das Land seine Neutralität erklärt und seine Bemühungen um einen Nato-Beitritt aufgibt. Putin erklärte Michel am Freitag in einem Telefonat, dass die Gespräche ins Stocken geraten seien, weil die Ukraine „eine Mauer errichtet“ habe, und sagte, es sei „nicht der richtige Zeitpunkt“ für ein Treffen mit Selenskyj, so eine mit dem Gespräch vertraute Person.

Financial Times

Nach Ansicht von Unterhändlern würde Putins neue Haltung zur Diplomatie bedeuten, dass Russland glaubt, mehr ukrainisches Gebiet erobern zu können. Das würde heißen, das Land quasi in eine pro-westliche West-Ukraine und eine pro-russische Ost-Ukraine aufzuteilen. Wobei der pro-russische Teil quasi von Moldawien entlang der Schwarzmeerküste bis in den Donbass reichen könnte. Die West-Ukraine hätte dann den zentralen Teil um Kiew, sowie den westlichen Teil um Lemberg unter ihrer Kontrolle. Ein Szenario, welches durchaus im Bereich des Möglichen liegt, sollte Kiew nicht zu Zugeständnissen bereit sein.

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