Die Europäische Union plant nicht nur eine neue Impfkampagne für Covid-19 im Herbst, sondern reserviert auch bereits „ewig warme“ Produktionskapazitäten für neuartige Impfstoffe für den nächsten Gesundheitsnotfall: Dies geschieht im Rahmen einer sogenannten EU-FAB-Initiative unter der Schirmherrschaft der kürzlich geschaffenen EU-Behörde für Notfallvorsorge und -bewältigung (HERA).
Die öffentliche Ausschreibung wurde von der Europäischen Kommission in denselben Dokumenten vom 27. April angekündigt, in denen sie ihre Absicht bekannt gab, im Herbst gezielt die noch Ungeimpften gegen Covid-19 impfen zu lassen.
In der Pressemitteilung der Kommission wird erklärt, dass der Zweck der Ausschreibung darin besteht:
..Kapazitäten für die Herstellung von mRNA-, Protein- und vektorbasierten Impfstoffen zu reservieren. Damit werden neu geschaffene Herstellungskapazitäten für den Einsatz in künftigen gesundheitlichen Notfällen reserviert. Die Ausschreibung richtet sich an Impfstoffhersteller mit Anlagen in der EU/im EWR, die bis zum 3. Juni 2022, 16.00 Uhr MESZ, ihren Teilnahmeantrag einreichen können.
Die Ausschreibung ist hier verfügbar, ein Merkblatt hier. Eine Vorabinformation über die „Einrichtung eines Netzes von Produktionskapazitäten für die Herstellung von Impfstoffen und Therapeutika (EU FAB)“ wurde bereits im vergangenen September veröffentlicht.
In der Ausschreibungsbekanntmachung und den zugehörigen Dokumenten werden drei verschiedene Arten neuartiger Impfstoffe erwähnt: mRNA-, Protein- und vektorbasierte Impfstoffe. Angesichts der Covid-19-Antwort der EU ist jedoch klar, dass der tatsächliche Schwerpunkt wahrscheinlich auf mRNA liegen wird.
Obwohl die viralen Vektorimpfstoffe von Astra-Zeneca und Johnson and Johnson Teil der ursprünglichen Covid-19-Impfstoffeinführung der EU im Winter 2020/2021 waren, wurde ihre Verwendung seit fast einem Jahr de facto eingestellt.
Im Gegensatz dazu ist die ursprüngliche Bestellung der Europäischen Kommission von 600 Millionen Dosen des BioNTech-Pfizer mRNA-Impfstoffs (wie hier dokumentiert) inzwischen auf insgesamt 2,4 Milliarden Dosen angewachsen (wie hier zu sehen). Auch der mRNA-Impfstoff von Moderna wird in der EU weiterhin verwendet, allerdings in weitaus geringerem Umfang als BioNTech-Pfizer.
Die nachstehende Grafik „Unsere Welt in Daten“ veranschaulicht die Vorherrschaft der mRNA-Impfstoffe, insbesondere des BioNTech-Pfizer-Impfstoffs, in der EU.
Im Dezember letzten Jahres genehmigte die Europäische Arzneimittelagentur auch die Verwendung des proteinbasierten Impfstoffs von Novavax. Doch wie die obige Grafik ebenfalls verdeutlicht, hat Novavax auf dem EU-Markt kaum eine Delle hinterlassen. (Viele der oben aufgeführten Impfstoffe sind nicht einmal von der EU, sondern nur in einzelnen Mitgliedstaaten zugelassen).
Dies ist kaum verwunderlich, da die EMA den Impfstoff nur für die Grundimmunisierung, nicht aber für die Auffrischungsimpfung zugelassen hat, und laut offiziellen Statistiken sind fast 85 % der Erwachsenen in der EU bereits geimpft.
Der Hinweis in der Ankündigung des EU FAB auf die Reservierung „neu geschaffener Produktionskapazitäten“ ist vielleicht eine Anspielung auf den Kauf der Behringwerke in Marburg durch BioNTech im Jahr 2020. Im Gegensatz zu seinem kommerziellen Partner Pfizer, der seinen Impfstoff im größten Teil der westlichen Welt vertreibt, verfügte BioNTech vor dem Erwerb der Behringwerke über keinerlei Produktionskapazitäten, da das Unternehmen vor der Zulassung seines Impfstoffs Covid-19 nie ein Produkt auf den Markt gebracht hatte.
Die EU-Ausschreibung von FAB folgt auf eine deutsche Ausschreibung genau derselben Art, die dazu führte, dass die deutsche Regierung im April mit fünf Anbietern „Pandemievorsorgeverträge“ abschloss, und orientiert sich eindeutig an diesen. Alle fünf sind Deutsche und alle fünf sind an der Entwicklung neuer Impfstoffe beteiligt.
Sie sind: BioNTech – hier ohne seinen amerikanischen Partner Pfizer -, Curevac in Partnerschaft mit GlaxoSmithKline, eine deutsch/deutsche Partnerschaft von Wacker und CordenPharma, Celonic und IDT Dessau. Curevac, ein weiterer potenzieller Hersteller eines mRNA-Impfstoffs, war ebenfalls an dem „Rennen“ um die Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs beteiligt. Aber abgesehen von BioNTech und Curevac werden die meisten Leser wahrscheinlich noch nie von den anderen gehört haben.
Auch die meisten deutschen Leser werden nichts von ihnen gehört haben. Wie die ÄrzteZeitung, eine deutsche Fachzeitschrift für Mediziner, feststellt: „Von den Anbietern hat nur BioNTech (Comirnaty®) … bisher ein Produkt auf dem Markt“. Und der Impfstoff von BioNTech ist übrigens in Europa nur mit einer „bedingten“, d.h. Notfallzulassung auf dem Markt.
Gemäß den Verträgen wird die deutsche Regierung die Lieferanten dafür bezahlen, dass sie Kapazitäten für die Produktion von bis zu (oder, im Falle von BioNTech, mindestens) 80 Millionen Dosen bisher nicht spezifizierter Impfstoffe pro Jahr reservieren. Ziel ist es laut einer Pressemitteilung des deutschen Gesundheitsministeriums vom März, den Zugang der deutschen Regierung zu ihren Kapazitäten „im Falle des Fortbestehens der Covid-19-Pandemie oder einer neuen Pandemie“ sicherzustellen.
Ferner heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums, dass die Verträge dazu beitragen werden, „die deutsche Versorgung mit Impfstoffen aus eigener Produktion sicherzustellen.“ Dies ist ein etwas merkwürdiges Ziel angesichts der Tatsache, dass die EU-Mitgliedsstaaten im Allgemeinen verpflichtet sind, ihre Versorgung mit Covid-19-Impfstoffen über Verträge zu erhalten, die zentral von der Europäischen Kommission ausgehandelt wurden, die, wie oben erwähnt, den Großteil der Impfstoffversorgung genau von der BioNTech-Pfizer-Partnerschaft bezogen hat.
Das Ziel der deutschen Impfstoffautarkie steht auch in einem merkwürdigen Widerspruch zu dem erklärten Ziel der EU, eine „Europäische Gesundheitsunion“ zu schaffen, deren „Hauptpfeiler“ die Behörde für die gesundheitliche Notfallvorsorge und -bewältigung sein soll. Das deutsche Ministerium beschreibt die deutschen Verträge als „international ausbaufähig“, was darauf hindeutet, dass einige dieser deutschen Unternehmen auch zu den Empfängern der Verträge auf EU-Ebene gehören werden.