Um 327,5 Millionen Euro kaufte die Ärztekammer im November den 1874 erbauten Grabenhof von der Österreichischen Beamtenversicherung (ÖBV) – ein Quadratmeterpreis von rund 30.000 Euro. Im Aufsichtsrat der ÖBV sitzen viele hochrangige Gewerkschafter von SPÖ und ÖVP. Wofür investiert die Wiener Ärztekammer diese Mega-Summe in den Kauf der geschichtsträchtigen Otto-Wagner-Immobilie im Herz der Wiener Innenstadt, die auf 10.000 Quadratmetern Büros, Geschäfte und Wohnungen beherbergt?
In bester Lage gönnt sich die Ärztekammer eine Luxus-Immobilie, wo Reich und Schön shoppen:
Ärztekammer besitzt nun 13 Immobilien in Wiener Top-Lagen
Für die Finanzierung der Ärzte-Pensionen hat die Ärztekammer einen Wohlfahrtsfonds eingerichtet. Der frisch erworbene Grabenhof am Graben 14-15 ist dafür als Anlageobjekt gedacht, berichtet eine Tageszeitung. Den Ertrag des Grabenhofs wolle die Ärztekammer mittel- und langfristig steigern. Inklusive Grabenhof kann die Ärztekammer nun insgesamt 13 Immobilien in den besten Wiener Lagen ihr Eigen nennen.
Finanzmarktaufsicht hat ein Auge auf die ÖBV
Der ÖBV-Chef Josef Trawöger beteuert zwar, die ÖBV habe das Geschäft nur aufgrund des enormen Angebotes durchgezogen, doch dürfte das nicht die ganze Wahrheit sein. Denn in der Versicherungsbranche sei es „ein offenes Geheimnis, dass die ÖBV nicht so toll performt“, steht im Bericht. Die ÖBV ist seit einigen Jahren ein Problemkind für die Finanzmarktaufsicht (FMA). Man beobachte die Entwicklung kritisch, heißt es aus der FMA. Man befürchte zwar nicht, dass die Versicherung mit rund 600 Mitarbeitern demnächst pleitegehen werde, sehe allerdings einen Handlungsbedarf seitens des Managements.
Die ÖBV hat keinen starken Konzern im Rücken und ist im Grunde ein reiner Lebensversicherer. Sie ist ein altmodischer Versicherungsverein, der auf Gegenseitigkeit basiert: die Kunden sind auch die Miteigentümer. 86 Prozent der Prämien kommen aus diesem Bereich. Aufgrund der langen Niedrigzinsphase sind die Veranlagungsrenditen allerdings im Keller. Alte Lebensversicherungsverträge mit hohen Garantiezinsen müssen aber dennoch bedient werden. Anders als andere Versicherer kann die ÖBV nicht durch Einnahmen aus Sachversicherungen ausgleichen. Für 2020 ergab sich daher erstmals ein Minus von 8 Millionen Euro, bei einem Prämienvolumen von gesamt 173 Millionen.
FMA besorgt wegen Eigenmittel-Quote der ÖBV
Was der FMA Sorgen bereitet, ist die sogenannte Solvency-II-Quote. Seit 2016 gelten neue Vorschriften zur Eigenmittelausstattung für Versicherungen – ähnlich wie Basel III bei den Banken. Diese Quote sinkt bei der ÖBV stetig. Zwar lag sie 2020 bei 183,8 Prozent, die Tendenz zeigt allerdings nach unten. Ohne Berücksichtigung der Übergangsvorschriften, die auch fast alle anderen Branchenvertreter anwenden, wäre die ÖBV 2020 nur noch bei 106 Prozent. Und das, obwohl der Grabenhof diese Quote 2020 sogar in die Höhe trieb, da die Nobel-Immobilie neu und deutlich höher bewertet wurde. Auf gut 100 Millionen Euro sollen sich die stillen Reserven belaufen, die durch den Verkauf realisiert wurden, wird in der Branche geschätzt. Mit 25 Prozent hat die ÖBV aber eine der höchsten Kostenquoten in der Branche.
Gewerkschafter von ÖVP und SPÖ im Aufsichtsrat
Im Aufsichtsrat der ÖBV sitzen viele hochrangige Gewerkschafter von SPÖ und ÖVP. Vorsitzender ist Günter Blumthaler von der Eisenbahn-Gewerkschaft. Vize-Aufsichtsratsvorsitzende sind Norbert Schnedl, der Chef der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), sowie Franz Binderlehner von der Gewerkschaft Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft (vida). Binderlehner sitzt mit Trawöger auch im Aufsichtsrat der Eisenbahner-Wohnbaugesellschaft BWS. Ebenfalls im Aufsichtsrat sind die Betriebsratschefs der Post, Helmut Köstinger, und der A1 Telekom, Werner Luksch, sowie der Pensionistenchef und die Frauenvorsitzende der vida. Österreichs Gewerkschafter und Betriebsräte scheinen also enormes Wissen im Bereich der Versicherungswirtschaft vorweisen zu können.