Horst D. Deckert

Amtsgericht Weimar kippt Corona-Massnahmen an Schulen – doch die Regierung setzt sich über den Richterspruch hinweg

Ein Familienrichter des Amtsgerichtes Weimar hat am 8. April 2021 ein 177 Seiten starkes Urteil an zwei Schulen im deutschen Freistaat Weimar gesprochen. Hintergrund des Verfahrens ist der Antrag einer Mutter von zwei Schulkindern gewesen. Sie vertrat die Ansicht, dass durch die Zwangsmassnahmen ihre zwei Söhne im Alter von 14 beziehungsweise 8 Jahren physisch, psychisch und pädagogisch geschädigt würden.

Das Gericht gab der Mutter nun recht. Im Urteilsspruch auf Seite eins heisst es:

  • Den Leitungen und Lehrern der Staatlichen Regelschule X, Weimar und der Staatlichen Grundschule Y, Weimar […] sowie den Vorgesetzten der Schulleitungen wird untersagt, für diese und alle weiteren an diesen Schulen unterrichteten Kinder und Schüler folgendes anzuordnen oder vorzuschreiben:
  • im Unterricht und auf dem Schulgelände Gesichtsmasken aller Art, insbesondere Mund-Nasen-Bedeckungen, sog. qualifizierte Masken (OP- Maske oder FFP2-Maske) oder andere, zu tragen,
  • Mindestabstände untereinander oder zu anderen Personen einzuhalten, die über das vor dem Jahr 2020 Gekannte hinausgehen,
  • an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 teilzunehmen.

Der Richter stützte sich in seinem Urteil auf mehrere Gutachterinnen und Gutachter ab. Darunter auf:

• Prof. Dr. med. Ines Kappstein (ab Seite 20ff.);

• Prof. Dr. Christof Kuhbandner (ab Seite 108ff.);

• Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer (ab Seite 144ff.).

Nach Berücksichtigung der Gutachten schreibt der Einzelrichter ab Seite 176:

«Der den Schulkindern auferlegte Zwang, Masken zu tragen und Abstände untereinander und zu dritten Personen zu halten, schädigt die Kinder physisch, psychisch, pädagogisch und in ihrer psychosozialen Entwicklung, ohne dass dem mehr als ein allenfalls marginaler Nutzen für die Kinder selbst oder Dritte gegenübersteht. Schulen spielen keine wesentliche Rolle im Pandemie-Geschehen. Die verwendeten PCR-Tests und Schnelltests sind für sich allein prinzipiell und schon im Ansatz nicht geeignet, eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 festzustellen. Das ergibt sich nach den Darlegungen in den Gutachten bereist aus den eigenen Berechnungen des Robert-Koch-Instituts. Laut RKI-Berechnungen, wie Gutachter Prof. Dr. Kuhbandner ausführt, beträgt bei Massentestungen mit Schnelltests unabhängig von Symptomen die Wahrscheinlichkeit, beim Erhalt eines positiven Ergebnisses tatsächlich infiziert zu sein, bei einer Inzidenz von 50 (Testspezifität 80%, Testsensitivität 98%) nur zwei Prozent. Das würde heissen: Auf zwei echt-positive Schnelltest-Ergebnisse kämen 98 falsch- positive Schnelltest-Ergebnisse, welche man dann alle mit einem PCR-Test nachtesten müsste (…) Mit der Anordnung solcher Maßnahmen wird das Wohl der Kinder, wie dargestellt, gefährdet, § 1666 BGB. Die Lehrkräfte dürfen sie deshalb nicht anordnen. Auf die entsprechenden landesrechtlichen Verordnungen und die angeführte Allgemeinverfügung können sie sich dabei nicht berufen, da diese schon wegen ihrer Ungeeignetheit, die angestrebten Ziele zu erreichen, in jedem Fall aber wegen ihrer Unverhältnismässigkeit gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstossen und damit verfassungswidrig und nichtig sind.»

Das Bildungsministerium von Thüringen setzte sich allerdings über diesen Richterspruch hinweg, wie die Onlineausgabe des mitteldeutschen Rundfunks mdr.de berichtet. Das Urteil habe keine Auswirkungen für Thüringen. Das Ministerium begründe dies unter anderem damit, dass der Beschluss vom 8. April nicht ordnungsgemäss bekanntgegeben worden sei.

Allerdings findet sich die Pressemitteilung des Urteils am 12. April auf der Webseite des Amtsgerichtes Weimar. Weiter argumentiert die Bildungsdirektion, dass der Beschluss gravierende verfahrensrechtliche Zweifel aufwerfe. Diese sollten von einem oberen Gericht so schnell wie möglich überprüft werden.

Entgegen des Einzelrichters, der die Zwangsmassnahmen unmissverständlich für alle an diesen Schulen unterrichteten Kinder aufgehoben hat, gelte der Beschluss laut Bildungsdirektion nur für die zwei am Verfahren beteiligten Schüler.

Gemäss Pressemitteilung des Amtsgerichtes ist der Richter davon ausgegangen, dass die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen zur Zuständigkeit der Familiengerichte gehöre. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges habe er verneint. Die Bildungsdirektion ist hingegen anderer Meinung. Die Überprüfung von Massnahmen oder Rechtsverordnungen der Landesregierung sei Sache der Verwaltungsgerichte.

«Was ich seit zwölf Monaten sage: verfassungswidrig und nichtig!», sagt Dr. iur. Heinz Raschein gegenüber der Radaktion von Corona-Transition. Da das Urteil auf nicht anfechtbaren Gutachten beruhe und eine Revision ausgeschlossen sei, könne man sich auch in der Schweiz auf diesen Entscheid berufen.

In Thüringen allerdings ignoriert die Regierung ein richterliches Urteil mit nicht anfechtbaren wissenschaftlichen Gutachten – eigenmächtig und willkürlich.

Ganzes Urteil als PDF zum Download

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