
Gestern Abend, nur Stunden nach Anne Spiegels Rückkehr, twitterte eine selbsterklärte „Feministin„, einstige Gründungsgeschäftsführerin von „GoFundMe“ im deutschsprachigen Raum, frühere Ex-Kommunikationschefin von „Change.org” sowie „ostdeutsche Speakerin“ namens Jeannette Gusko die folgenden sibyllinischen Zeilen: „Anne Spiegel wird auch als Abschreckung für junge Frauen im Gedächtnis bleiben, in die Politik zu gehen.” Es dauerte ein paar Momente, bis ich begriff, was uns diese – mir bisher unbekannte – Feministin mit ihrer Aussage sagen will. Zunächst glaubte ich, sie wolle junge Frauen davor warnen, einen politischen Posten und die damit verbundene Verantwortung auf die leichte Schulter zu nehmen. Denn egal ob Mann oder Frau: Mit dem Amt eines Ministers sind nun einmal Entscheidungen verbunden, welche für die davon betroffenen Bürger enorme Konsequenzen haben. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich in der Lage wäre, diese Verantwortung zu tragen. Wenn ich mir anschaue, wie gerade grüne und linke Frauen durch ihre Ämter tänzeln, vor Selbstvertrauen strotzen und sich gleichzeitig aufführen, als handele es sich beim politischen Geschehen um eine einzige große Spaßveranstaltung, wird mir ganz schwindelig.
Viele männliche Politiker glänzen ebenfalls nicht mit Kompetenz – man denke nur an Karl Lauterbach oder Helge Lindh -, aber der Gedanke, dass die Aufgabe eines Abgeordneten oder Ministers auch mit einem „Fun-Factor“ verbunden sein muss, scheint mir ein ziemlich weiblicher zu sein. Und es geht dabei nicht um Spaß als Motivationsfaktor und Triebfeder für Engagement, sondern um die Demonstration der angeblichen Natürlichkeit der Protagonistinnen. Guck mal, wie nett die ist, wie eine von uns! Die Politikerin als Freundin von nebenan – wenn man ihr nicht vertrauen kann, wem dann?
Ganz warm ums Herz
Aber darauf will Jeannette Gusko gar nicht hinaus; vielmehr möchte sie Anne Spiegel als Opfer einer frauenfeindlichen Kampagne sehen. Auch dieser Trick ist nicht neu, er kam schon bei Annalena Baerbock und Emilia Fester zum Einsatz. Die sind doch noch so jung und unerfahren! Und hat Anne Spiegel vorgestern Abend nicht eine wunderbare Rede gehalten? Da hat es so gemenschelt, es konnte einem ganz warm ums Herz werden! Fast wollte man schon einen Hut herumreichen, um Spenden für die nun bald arbeitslose Ministerin zu sammeln. Es hat zwar 134 Tote gegeben – doch deren Leid verblasst vor dem familiären Unglück der stressgeplagten Ministerin.
Die meisten von uns könnten keine Nacht mehr ruhig schlafen, wenn eine ihrer Entscheidungen oder Vorgänge in ihrem Verantwortungsbereich auch nur indirekt zum Tod von 134 Menschen beigetragen hätten. Natürlich hätte niemand die Flut an sich verhindern können; aber die Bürger hätten wenigstens die Chance gehabt, ihr Leben und ein paar Habseligkeiten zu retten. Es mag sein, dass Anne Spiegel die Situation falsch eingeschätzt hat. Davor ist niemand gefeit. Auch steht man in diesem Moment vor dem Problem, eventuell wegen nichts einen Fehlalarm und damit eine unbegründete Panik auszulösen. Doch das war bekanntlich gar nicht Spiegels Sorge gewesen; sie dachte nur an das korrekte Gendern ihrer Nachricht und ihr Image im drohenden „Blame Game“, dem durch passendes „Wording“ nachgeholfen werden müsse. Für jemanden, der nun im Nachhinein eine hochemotionale Rede abliefert, klang sie damals recht kaltschnäuzig. Man liegt also nicht falsch, wenn man ihr statt ehrlicher Reue eine gehörige Portion Selbstmitleid unterstellt.
Wer ein Gewissen hat, findet keine Ruhe
Wie mögen sich wohl damals ihre Mitarbeiter und die Angestellten des Wetterdienstes gefühlt haben, als Spiegel untätig blieb? Schließlich war da schon bekannt gewesen, dass die ersten Campingplätze unter Wasser standen. Jeder, der seine Arbeit mit etwas Engagement erledigt, muss sich doch die Haare gerauft haben, weil er mit seinen Warnungen nicht nach oben durchdrang! Wer ein Gewissen hat, findet in diesem Moment auch keine Beruhigung darin, dass die Vorgesetzten nun einmal gegen seinen Rat entschieden haben. Er wird sich immer fragen, ob er mehr hätte tun müssen, um diese umzustimmen. Wäre mir jemand in diesem Moment mit einer Formalie gekommen, hätte ich vor Wut in meinen Schreibtisch gebissen. Man wird, ohne letztlich eine Chance zu haben, in eine Entscheidung hineingezogen, die man selbst nicht so getroffen hätte. „Es ist halt von oben so entschieden worden“ – das entbindet einen zwar formal von der Haftung, ändert aber nichts an dem Gefühl, dass die eigene Fachkompetenz für die Katz ist, wenn sich jemand an Formalitäten klammert. Es sei denn, man ist ähnlich gepolt wie Anne Spiegel.
Jedes „Ich habe da verdammte Sch… gebaut“ oder „Ich war in der Situation vollkommen überfordert“ wäre ein menschlich verständlicheres Bekenntnis gewesen als das Selbstmitleid der Ministerin, die wohl gehofft hatte, auf diese Weise die Sache aussitzen zu können, indem sie sich als Opfer privater Umstände herausredet. Das ist vor ihr schließlich in den letzten Jahren schon einigen gelungen: Auch Angela Merkel hat während ihrer Amtszeit praktisch nichts anderes getan, als ihre eigenen Fehlentscheidungen großzügig zu ignorieren – mit Erfolg. Deshalb hat wohl auch Anne Spiegel gehofft, mit einem blauen Auge davonzukommen. Bloß hatte sie das „Pech“, dass die Katastrophe direkt mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wurde – während die Fehler der Kanzlerin sich immer erst mit Verspätung auf die Bürger auswirkten. Man konnte sie erst nach einigen Analysen an ihrer Person festmachen.
Fürs Berufsleben ungeeignet
Nicht weniger erschreckend ist es, wie Anne Spiegels Verteidiger in der Öffentlichkeit die Tragweite ihrer Fehlentscheidung einfach ausblenden. Aber auch das ist Teil einer Unkultur, die sich in den letzten Jahren breit gemacht hat. Das Mitgefühl bekommen nicht die Opfer, sondern die Verursacher, denn ihre Gefolgschaft ist ähnlich gestrickt wie sie selbst: Zum persönlichen Drama-Event ist man stets bereit, man verzeiht den Geschädigten einfach nicht, einem selbst so viel Ungemach bereitet zu haben. Ob Migrations-, Flut- oder Impfstoffopfer: Können diese Menschen sich nicht ein wenig zusammenreißen, wenn es um das große Ganze geht? In diesem Fall um die Reputation einer Frau als Ministerin? Der Umgang mit Anne Spiegel könnte junge Frauen also davon abschrecken, in die Politik zu gehen, meint unsere Feministin Gusko! Nach dieser Logik hätte man auch niemals Margot Honecker oder Kim Jong Uns knallharte Schwester kritisieren dürfen. Letztere ist eine stramme koreanische Stalinistin, die ihrem Bruder den kleinsten Hauch von Milde austreibt. Frauen mit Macht, aber ohne Pflicht zur Verantwortung – das hat etwas von Loriots Jodeldiplom: Eine Frau hat doch auch das Recht, sich zu verwirklichen! Man mag zu Alice Weidel stehen wie man will, aber sie hat in ihrem früheren Berufsleben in der freien Wirtschaft sicherlich nie einen „Frauenbonus“ bekommen, sondern musste ihr Können beweisen. Das passt grünen Berufspolitikern so gar nicht ins Weltbild.
Wenn also jungen Frauen die Botschaft vermittelt wird, dass auch weibliche Regierungsmitglieder für ihre Entscheidungen geradestehen müssen, kann das wohl kaum zum Schaden unseres Landes sein. Wer sich davon abschrecken lässt, sollte sich irgendwo ein stilles Plätzchen suchen, denn er ist fürs Berufsleben generell ungeeignet. Egal ob Busfahrerin, Ärztin, Lehrerin oder Ingenieurin: Sie alle stehen in dieser Verantwortung, ohne dass ihnen jemand einen Frauen-Freifahrtschein ausstellt.
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