Horst D. Deckert

Anti-Rassismus-Seminare: Ich glaube, ich sehe schwarz!

Professionelles Herumopfern: „Afrodeutsche“ Tupoka Ogette (Foto:ScreenshotYoutube)

Hoch im Kurs – und sogar von öffentlich-rechtlichen Sendern redaktionell angepriesen – stehen derzeit „Anti-Rassismus“-Trainingseinheiten und entsprechende Strategien, die unter anderem in speziellen Workshops und Seminaren angeboten werden. Vor allem die Bestselle-Autorin Tupoka Ogette (Credo: „Wir sind alle rassistisch sozialisiert”) tut sich mit solchen Aktionen derzeit hervor. Wie so ein „Anti-Rassismus-Seminar” wohl abläuft? Sitzen da alle im Kreis und meditieren ihre Vorurteile weg, mit Kerzen und Räucherstäbchen? Man könnte es mit progressiver Muskelentspannung nach Jacobson verbinden. Dabei stellt man sich dann etwa Idi Amin oder Bokassa vor, zählt mit vor Wut angespannten Fäusten von hundert rückwärts und lässt dann los – und schon hat man ein ganz lockeres Verhältnis zu Afrika. Idi Amin und Bokassa sind natürlich keine Vorzeige-Persönlichkeiten, wenn man die moralische Unterlegenheit der weißen Rasse demonstrieren will, aber mit Barack Obama funktioniert die Übung nicht so gut. Der wirkte immer so sympathisch. Obwohl das eventuell auch schon wieder ein rassistisches Klischee ist – der lustige Schwarze.

(Screenshot:Twitter)

Vielleicht wird man während eines solchen Seminars auch einfach nur beschimpft, weil es eigentlich den Seminarleitern dazu dient, ihren angestauten Frust abzulassen. Immerhin gibt es – etwa in den USA – eine sehr erfolgreiche schwarze Mittelschicht, Anwälte, Ingenieure, Ärzte und Astrophysiker. Auch in die High Society haben es viele Schwarze geschafft, als Schauspieler oder erfolgreiche Talkshow-Gastgeber wie Oprah Winfrey. Muss es da nicht frustrierend sein, es nicht so weit gebracht zu haben? Die Gründe dafür sind wahrscheinlich die gleichen wie bei Weißen auch: Verpasste Chancen, mangelndes Talent oder einfach das Pech, im falschen Umfeld aufgewachsen zu sein. Man kann sich natürlich auch selbst ausbremsen, indem man sich ständig vorsagt „weil ich dick/schwarz/blond bin, gibt mir ohnehin keiner eine Chance – alles Idioten!”. Ich habe selbst jahrzehntelang so gedacht – und denke manchmal immer noch so.

Man kann daraus natürlich auch eine Lebensphilosophie machen – oder, noch besser in „woken“ Kreisen, eine Systemtheorie aufstellen, die alle außer einem selbst zum Feind erklärt. Und selbst wenn man es geschafft hat, nagt es immer noch an einem: Als eine Verkäuferin in der Schweiz Oprah Winfrey eine Alternative zur 40.000 Euro-Tasche für „nur“ 18.000 Euro anbot, war das natürlich auch rassistisch. Weil sie schwarz sei, hätte die Verkäuferin sie für arm gehalten, glaubte Winfrey. Arme Menschen jeglicher Hautfarbe kaufen sicherlich ständig Taschen für mehrere tausend Euro – und die passenden Schuhe von Armani dazu.

Große Marktlücke

Deshalb sind solche Seminare eine großartige Marktlücke. Denn irgendwie muss ja jeder seine Miete bezahlen. Anscheinend finden sie auch regen Zulauf von all jenen, welche meinen, die Europäer trügen die schwere Schuld der gesamten Menschheitsgeschichte auf ihren Schultern. Dann gibt man eben einmal ein paar Euro für einen Abendkurs mit einer Antirassismus-Trainerin aus. Noch wahrscheinlicher ist allerdings, dass die weißen Besucher sich selbst für bereits fortgeschrittene Antirassisten halten und eine Bestätigung für ihren Aufstieg auf der Leiter der Gerechtigkeit suchen. Denn wie bei jedem Betätigungsfeld, das angeblich oder tatsächlich der Verbesserung unseres Planeten dient, tummeln sich unter den weißen Antirassisten auch ein paar verbissene Fanatiker. Ob Tierschutz oder Antifaschismus: Nur man selbst hat begriffen, wie gemein der Mensch als solcher ist, alle anderen sind wahlweise bösartig, dumm oder borniert. Nur eine Handvoll Gleichgesinnter schafft es annähernd, nicht gleich der Verdammnis anheimzufallen – auch wenn man beständig in Lauerstellung bleibt. Der Platz an der Spitze der Gerechtigkeitsliga ist hart umkämpft.

Dabei kommt sowohl der Antirassismus-Trainerin als auch ihrer Gefolgschaft ein fieser Kommunikationstrick zugute, der unfairen Menschen schon immer geholfen hat, ihre Opfer in die Enge zu treiben: Man sagt ihm einfach eine Eigenschaft auf den Kopf zu und beobachtet dann genüsslich, wie der Kontrahent sich bei der Selbstverteidigung abstrampelt. Es verhält sich wie bei der berühmten Miranda-Formel amerikanischer Krimis: „Alles was Sie ab jetzt sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden!” Je garstiger der Vorwurf, desto besser. Nur Menschen mit sehr stabilem Selbstbewusstsein werden dieser Masche einen Riegel vorschieben, indem sie dem Ankläger klipp und klar entgegnen, wie sehr ihnen die Zuschreibung am Tuches vorbeigeht. Es fällt uns nun einmal schwer, das Image eines Eisklotzes zu pflegen, an dessen Herzlosigkeit alles abprallt. Zumal der andere doch seinen Triumph auskosten kann – er hat’s schließlich gleich gewusst! Die Falle schnappt immer zu – und wer dann keine mächtigen Leumundszeugen hat, kann einpacken.

Ausartung in Gaslighting

Alle Weißen sind Rassisten!”, „Politiker X hat den Nationalsozialismus relativiert“ oder „du bist für diese Aufgabe nicht intelligent genug“ mögen sich vom inhaltlichen Gewicht her unterscheiden, kleben aber am Adressaten wie ranziges Motoröl. Und eine leise, zweifelnde Stimme im Kopf wird von nun an ihr zermürbendes Werk verrichten. Denn es wird doch wohl niemand so garstig sein, einem grundlos einen solchen Vorwurf zu machen? Im schlimmsten Fall artet das in sogenanntes Gaslighting aus, bei dem jede Gegenrede als Einbildung abgetan wird, so lange, bis man der eigenen Wahrnehmung nicht mehr traut. Das funktioniert nicht nur unter Partnern und Kollegen, sondern eben auch beim Thema Rassismus. Denn im Alltag begegnen uns eben – vor allem in Deutschland – nicht Will Smith, Morgan Freeman oder der charmante Barack Obama, sondern eher Bootsmigranten aus dem Süden, deren Verhalten nicht immer so charmant und salonfähig ist. Es sei denn, man hat in den Neunzigern in Dinslaken gewohnt und wäre Patient bei „Doc Holiday“ John O. gewesen – der konnte auch einiges an Charme aufweisen.

Auch das in der Werbung präsentierte Bild trifft die Realität nicht, denn es lässt uns glauben, etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung sei schwarz und verhalte sich zudem außerordentlich klischeehaft: Stets lustig, vergnügt und darüber hinaus ein zärtlicher Liebhaber. Frauen sieht man eigentlich nur als Model – meist auch noch abweisend auf die Welt schauend. Irgendwie mag man daraufhin die Opferrolle nicht mehr so recht glauben.

Es ist kein Wunder, dass auch vielen Migranten diese „Veropferung“ inzwischen furchtbar auf die Nerven geht. Und dann müssen sie schnell erfahren, dass sie zwischen allen Stühlen landen: Weiße hassen sie, weil sie sich an ihnen nicht abarbeiten können. Und die Antirassismus-Trainer aus dem eigenen Lager sehen sich in ihrer Existenz bedroht, weil es „People of Color“ gibt, die im bösen Deutschland offenbar ganz gut zurande kommen. Ein guter Geschäftsmann würde nun alles daransetzen, die Kundschaft durch Werbung und Freundlichkeit zurückzugewinnen; aber unsere Aktivisten sind so in Fahrt, dass es ihnen gar nicht mehr gelingt, sich diesbezüglich zusammenzureißen. Da wird mit der Keule draufgehauen. Bei „woken“ Weißen funktioniert diese Methode schließlich wunderbar: „Bitte bestrafe mich!“.

Juden können ein Lied davon singen

Wie auf diese Weise jemals wieder ein entspanntes Verhältnis zwischen den Menschen entstehen soll, ist mir ein Rätsel. Kritik, die immer nur in eine Richtung abgefeuert wird, muss irgendwann zu Enttäuschungen führen, wenn die Realität einen ehrlichen Austausch nötig macht. Juden haben schon oft die Erfahrung gemacht, dass nichtjüdische Deutsche sich ein romantisiertes Bild von ihnen zusammengebastelt haben (wir sind alle hochintelligent, gebildet, weise und gütig) – das vollkommen kollabiert, sobald sie das bunte, lebendige Judentum kennenlernen. Und dann verwandeln sich diese Leute oft in knallharte Antisemiten. Nun geht es hierbei oft nur um „kleine Schocks“ wie einen schlechtgelaunten jüdischen Zeitgenossen. Im Zuge der Migration haben wir aber weitaus dickere Brocken zu wälzen. So etwa eine überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsrate unter bestimmten Migrantengruppen, die sich kaum wegdiskutieren lässt. Man kann auf solchen Fakten nicht jahrelang den Deckel halten, ohne dass in der Bevölkerung Ärger hochkocht. Schlechte Erfahrungen prägen. Das hat rein gar nichts mit Rassismus zu tun, sondern mit dem Wunsch, sich zu schützen.

Eine jüdische „Bild”-Journalistin wurde jüngst als „Rassistin” beschimpft, weil sie es gewagt hatte zuzugeben, dass sie sich unsicher fühlt, wenn sich in ihrer Nähe einer Arabisch sprechenden Gruppe aufhält. Vielleicht haben unsere Antirassismus-Experten ja ein paar Tipps für sie, wie sie solche Situationen meistern kann, ohne sich wie ein „Nazi“ zu verhalten. Vielleicht hilft es, nur noch mit Ohropax durch Neukölln zu laufen – oder man meidet den Stadtteil lieber gleich ganz, um bloß nicht zu provozieren. Ob Israel, „Black Lives Matter” oder Kolonialgeschichte: Da muss man als Angehöriger der vermeintlichen Gegenseite schon mal den Prellbock spielen, wenn es nach unseren Trainern geht. Meine Geduld ist allerdings in den letzten Jahren auf ein Minimum zusammengeschrumpft – denn kein Antirassismus-Trainer sollte so viel Macht bekommen, dass er Menschen zur Selbstaufgabe zwingen kann. Kann man sich nicht einfach auf das „Aschenputtel-Prinzip“ einigen: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen? Dann bekommen wir auch unsere Individualität zurück. Egal, ob wir schwarz, weiß oder grün-gestreift sind.

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