Ein Embargo für Erdgas aus Russland ist sinnlos, weil wir verpflichtet sind, das vertraglich vereinbarte Erdgas abzunehmen. Falls dies nicht geschieht, muss dennoch gezahlt werden.
von Prof. Dr. Hans-Günter Appel (NAEB)
Henrik Paulitz von der Akademie-Bergstraße stellt fest, aufgrund der bestehenden Gas-Lieferverträge müsse Deutschland vermutlich auch dann Gazprom weiterhin bezahlen, wenn auf den Bezug russischen Erdgases verzichtet würde. Das liegt an den „Take-or-Pay“-Klauseln in den Lieferverträgen. Es könnte die kuriose Situation entstehen, dass Deutschland weit überteuertes LNG-Gas beispielsweise aus den USA bezieht und zugleich an Russland Überweisungen „für heiße Luft“ vornehmen müsste.
„Take-or-Pay“-Verträge
Es geht überwiegend um langfristige Verträge mit Laufzeiten von 10 bis 25 Jahren mit festgelegten Mengen und Preisen. Mehr noch: Es handelt sich um so genannte „Take-or-Pay“-Verträge, bei denen die deutschen Importeure eine unbedingte Verpflichtung zur Zahlung übernommen haben, unabhängig davon, ob man das Erdgas tatsächlich importiert oder nicht. Man muss also die für Jahre vorbestellte Abnahmemenge bezahlen, ob das Gas am Ende abgenommen wird oder nicht.
Um der wechselnden Nachfrage gerecht zu werden durch Schwankungen der Konjunktur oder der Temperatur, werden die Abnahmen flexibel gestaltet. Oft ist es ein Korridor von 80 bis 110 Prozent der vereinbarten Jahresmenge, so ein mit den Modalitäten vertrautes Beratungsunternehmen. Daneben werden auch monatliche Flexibilitäten vereinbart. Wer diese Mengen unterschreitet, bezahlt die nicht abgenommenen Mengen trotzdem. Er kann sie aber teilweise zu einem späteren Zeitpunkt noch abnehmen.
Solche Verträge sind für beide Seiten sinnvoll. Der Aufschluss neuer Gasfelder und der Bau von Leitungen sind sehr teuer. Die langfristigen Lieferverträge mit der „Take-or-Pay“ Klausel geben Sicherheit für Investitionen und auch für die Gaskunden, die mit Gaslieferungen zu garantierten Preisen über viele Jahre kalkulieren können.
Nach der Darstellung von Henrik Paulitz ist es kaum möglich, die Verträge zu brechen und das angebotene Gas nicht zu bezahlen. Aus dem gleichen Grund kann Putin auch nicht auf der Bezahlung in Rubel bestehen, denn die Verträge wurden in Euro und Dollar abgeschlossen. Ein Erdgasembargo würde unsere Volkswirtschaft massiv belasten, ohne die russischen Erdgaseinnahmen zu schmälern. Das ist erst mit dem Auslaufen der bestehenden Verträge, also in einigen Jahren möglich.
Solar- und Windanlagen brauchen fossile Brennstoffe
Es ist ein Gebot der Stunde, keine Primärenergie zu vernichten. Das geschieht aber mit dem geplanten Ausbau der Wind- und Solarenergie. Habecks 600 Seiten starkes Osterpaket zur Energiewende fordert den Zubau von je 10.000 Megawatt installierte Wind- und Solarleistung jährlich. Für den Bau der Anlagen müssen Jahr für Jahr etwa 20 Milliarden Euro investiert werden. Der Primärenergieaufwand liegt bei 40 Milliarden Kilowattstunden (Für einen Euro Wertschöpfung werden zwei kWh benötigt), vorwiegend als Kohle für die Stahlherstellung, als Erdgas für die Zementproduktion und als Erdöl für die Kunststoffflügel.
Erst Ende des zweiten Betriebsjahres hat eine Windstromanlage mehr Energie erzeugt als für den Bau aufgewendet wurde. Doch dieser Windstrom ist zweitklassig. Seine Leistung schwankt mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit. Er kann kein stabiles Stromnetz aufbauen. Dazu sind regelbare Kraftwerke erforderlich, die mit ihren großen synchronisierten Generatoren die Netzfrequenz vorgeben und halten. In ein solches Netz kann dann maximal 55 Prozent schwankender Wind- und Solarstrom eingespeist werden. Die schwankenden Wind- und Solarstromleistungen erfordern größere Regelleistungen. Mehr Kraftwerke müssen in Teillast mit geringerer Effizienz betrieben werden. Das heißt, für die Kilowattstunde Regelstrom wird mehr Brennstoff verbraucht als im effizienten Normalbetrieb. Kraftwerke in Bereitschaft brauchen 10 Prozent des Brennstoffbedarfs bei Volllast, ohne Strom zu erzeugen.
Die verfügbare Kraftwerksleistung muss den gesamten Bedarf abdecken. Kraftwerke müssen zu die Stromversorgung voll übernehmen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. (Wasserkraft und Biomasse können nur wenige Prozent des Bedarfs liefern). Das heißt, wir können alle Solar- und Windstromanlagen ohne Probleme abschalten. Sinkt dagegen die Kraftwerksleistung unter den Bedarf, kommt es zu Stromausfällen bis hin zum Blackout. Das Osterpaket zur Energiewende ist überflüssig und vernichtet Energie, statt den Energienotstand zu beheben. .
Medien berichten einseitig
Es ist unverständlich, dass sich Wirtschaftsminister Habeck nicht auf die Gaslieferverträge aus Russland mit den Zahlungsverpflichtungen der Importeure beruft. Er könnte so die teure und fossile Energien verbrauchende Energiewende stoppen, ohne das Gesicht als Grüner zu verlieren. Auch die Medien haben nach meinen Kenntnissen bisher nicht über die langjährigen Lieferverträge für Erdgas aus Russland aufgeklärt. Dagegen wird der weitere Ausbau der Wind- und Solarstromanlagen immer wieder als Zukunftsmodell ohne Alternative gelobt, statt die Pläne der Regierung kritisch zu analysieren. Das gilt auch für ein Energieembargo aus Russland. Viele Befürworter kommen in den Nachrichten und Talkshows zu Wort. Sachliche Gegenargumente sucht man vergebens.
Was ist zu tun?
Deutschland sollte alle möglichen Energieimporte auch aus Russland nutzen und gleichzeitig die heimische Braunkohleförderung erweitern, statt sie stillzulegen. Die Energie muss optimal genutzt werden. Es muss Schluss gemacht werden mit der Energie verzehrenden Wende. Denn sowohl der Bau weiterer Wind- und Solaranlagen schluckt, wie beschrieben, viel Energie wie auch deren Betrieb, weil die stark schwankenden Leistungen immer mehr Regelstrom erfordern. Die derzeitige politische Lage zwingt uns, die Abwehrfähigkeit Deutschlands zu erhöhen. Auch dazu brauchen wir mehr Energie zur Produktion von Kriegsgerät und Munition und zum Betreiben der Geräte. Ohne Treibstoff sind Flugzeuge und Panzer ohne Wert.
Wir sind gut beraten, auf Energieeinfuhren aus allen Ländern zu setzen, auch aus Russland. Russland hat reichlich Kohle, Öl und Erdgas mit günstigen Transportwegen zu uns. Sofern es nach dem Krieg in der Ukraine wieder möglich ist, mit Russland zu verhandeln und Verträge abzuschließen, sollten wir das nutzen.