Während es in der Rostocker Bürgerschaft keine Mehrheit dafür gibt, dem „umstrittenen“ Künstler Xavier Naidoo ein Auftrittsverbot zu erteilen, macht sich neben dem „Zentralrat der Juden in Deutschland“ auch die Berliner Museumsleiterin der Zitadelle Spandau, Urte Evert, für ein Auftrittsverbot stark.
„Seiner Menschenverachtung und seinem Hass sollte keine Bühne mehr geboten werden, zumal er durch seine Berühmtheit großen Einfluss hat“, so die Berliner Museumsleiterin der Zitadelle Spandau, Urte Evert am Mittwoch gegenüber dem Tagesspiegel zu ihrer Forderung, dem Künstler in der Zitadelle ein Auftrittsverbot zu erteilen. In ihrem Team würden Personen arbeiten, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens und ihrer Ansichten zum „direkten Angriffsziel Naidoos“ gehörten, so sie. Zusätzlich missfalle ihr der mögliche Auftritt, da dieser ihre „gesamte Arbeit, die Zitadelle als weltoffenen Ort zu etablieren, integrativ für alle, die Demokratie stärkend durch Bildung, überschatte“.
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, engagiert sich ebenfalls für ein Auftrittsverbot für Naidoo: „Berlin darf Judenfeinden keine Bühne bieten, erst recht nicht in städtischen Räumen. Das Konzert muss untersagt werden“, so das Statement auf Twitter.
Der Tagesspiegel hatte beim Geschäftsführer des Veranstalters Trinity Music, Thomas Spindler, bezüglich dem Konzert in der Berliner Zitadelle nachgefragt, ob ihm die Anschuldigungen gegen Naidoo bekannt seien. Spindler sei laut dem Blatt jedoch beleidigend geworden, habe dem verantwortlichen Journalisten eine „erbärmliche Recherche“ vorgeworfen. Vom Tagesspiegel wurde zudem kritisiert, dass der Veranstalter Naidoos Konzert mit positiven Worten auf der Firmenhomepage bewerbe. Am Mittwoch jedoch fruchtete die Kritik und der Tagesspiegel berichtete: „Wenige Stunden nach den beleidigenden Mails von Thomas Spindler und seiner Mitarbeiterin hat Trinity die Werbung für das Naidoo-Konzert kommentarlos von der eigenen Firmenseite entfernt. Mittwochabend folgte dann überraschend auch die öffentliche Kehrtwende: Auf Facebook veröffentlichte Trinity ein Statement, wonach sich Geschäftsführer Thomas Spindler und alle Mitarbeiter „ausdrücklich von den andauernden und erschreckenden Aussagen des Herrn Naidoo“ distanzierten. Man wolle „lieber heute als morgen von den Verträgen zurücktreten“ und werde „Xavier Naidoo keine Bühne geben“.“
Kein Auftrittsverbot in Rostock
In Rostock wurde im Mai ein Antrag von Linkspartei, Grünen und SPD in der Bürgerschaft eingereicht, um dort ebenfalls einen Auftritt des Künstlers zu verbieten. Der Antrag wurde damit begründet, Naidoo stehe den Reichsbürgern nahe und schüre rassistische Ressentiments. Zudem soll er Verschwörungsmythen fördern und umstrittene Corona-Äußerungen tätigen. Darüber hinaus wird ihm vorgeworfen, den Holocaust geleugnet zu haben. Am Mittwochabend fand der Antrag bei einer erneuten Abstimmung zum Auftrittsverbot Naidoos in Rostock indes keine Mehrheit. Der Sänger darf nun doch in der Rostocker Stadthalle auftreten. Wie der WDR berichtet, hatten die Grünen in der Rostocker Bürgerschaft ihre ursprüngliche Unterstützung für den Antrag zuvor zurückgezogen. Sie wollten sich stattdessen mit einer Erklärung, dass Äußerungen und Handlungen Xavier Naidoos mit den Werten der „weltoffenen und bunten Stadt Rostock“ unvereinbar seien, gegen Naidoo abgrenzen, aber auch dafür fand sich keine Mehrheit.
Der Rostocker CDU-Politiker Heinrich Prophet äußerte nach der Abstimmung im Mai sein Unverständnis. „Nur weil einem der politische Tenor einer Künstlerpersönlichkeit nicht gefällt, kann man ihr ja nicht das verfassungsmäßige Grundrecht auf Ausübung der Kunst nach Art. 5 Absatz 3 Grundgesetz absprechen.“ Und weiter: „In einer Zeit, in der so leicht mit Auftrittsverboten aufgewartet wird oder in den ironischen Äußerungen von renommierten Schauspielern zu offensichtlichen gesellschaftlichen Problemen verächtlich gemacht werden, stellt man sich zuweilen die Frage, wem als nächstes Verbote oder Ächtung drohen und welche Debattenkultur wir uns alle für die Zukunft vorstellen.“
Bedenken gegen ein Auftrittsverbot wurden auch in der Rostocker Stadtverwaltung laut. Bei der Vermietung der Einrichtungen darf die Stadt keinen Veranstalter oder Künstler ausschließen, weil die religiösen oder politischen Ansichten nicht geteilt werden. In Hof indes sprach die SPD-Oberbürgermeisterin Eva Döhla ein Auftrittsverbot für Naidoo im vergangenen Jahr aus.
Während in der DDR eine Spielerlaubnis für Künstler erteilt- oder eben nicht erteilt wurde – ist in Deutschland die Kunstfreiheit ein Grundrecht, das dem Schutz künstlerischer Ausdrucksformen dient. In Deutschland ist es in Art. 5 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) verankert. Dort zählt es zu den am stärksten geschützten Grundrechten des deutschen Grundrechte-Katalogs. Das Bundesverfassungsgericht zählt die Kunstfreiheit zu den Kommunikationsgrundrechten und erachtet es daher als wesentlich für die demokratische Grundordnung. (SB)