Horst D. Deckert

«Aus dem zersplitterten Widerstand gegen einen diffusen Feind muss ein Aufbau werden»

Im kleinen, feinen Rahmen fand die Vernissage zum Buch «Unser Jahr unter Corona» statt. 32 Protagonisten erzählen auf 105 Seiten in komprimierten Kurzaufsätzen von ihren Erfahrungen und ihrem Weg in der Corona-Krise. Was die Autoren miteinander verbindet, ist die Erkenntnis, dass die Krise «nicht nur eine Sache von ‹Experten› ist, sondern ein Weckruf zur individuellen Verantwortung». Ganz nach Arthur Schopenhauer, der schon zu seiner Zeit die Worte prägte: «Gesunder Menschenverstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber kein Grad von Bildung den gesunden Menschenverstand.»

Auf der hinteren Umschlagseite des im Verlag Zeitpunkt erschienenen Softcover steht: «Auf Angst reagiert der Mensch mit Kampf, Flucht oder Erstarrung. Reife Persönlichkeiten allerdings lassen sich gar nicht erst Angst einjagen von Politik und Massenmedien. Für sie war die Corona-Krise ein Moment der Klarheit, der grösseren Achtsamkeit, der Entscheidung zum Engagement.»

Corona-Massnahmen – der unsichtbare, spaltende Keil

Ihre Abweichung von der «politisch korrekten» oder verordneten Einheitsmeinung hat auch alle Autoren und Autorinnen etwas gekostet. Zum Beispiel Anstellung oder Einkommen, Freundschaften oder gesellschaftliche Zugehörigkeit. Aber zugleich haben sie alle auch sehr viel gewonnen: Selbstsicherheit, neue Freunde, Mut und Authentizität – Übereinstimmung mit sich selber.

Die Idee für das Buch stammt von Prisca Würgler. Sie selbst ist Verfasserin des letzten Beitrags. Sie sieht das Buch als «Zeitzeugnis», damit unserer Jüngsten und den nachfolgenden Generationen aufgezeigt werden kann, wie das Zeitgeschehen medial und politisch beeinflusst und gesteuert wird und wie wichtig in einer direkt-demokratischen Gesellschaft die geistige Mündigkeit der Bevölkerung ist. Mit ihrer Weigerung, eine Maske zu tragen, handelte sich die Primarlehrerin den Vorwurf ein, «nicht im Interesse der Schule zu handeln». Ihr Engagement und ihre freie Meinungsäusserung an einer öffentlichen Kundgebung in Altdorf hatte für die zweifache Mutter Konsequenzen: die Kündigung ihrer Anstellung.

Mit den Corona-Massnahmen wurde von einem Tag auf den anderen nicht nur ein unsichtbarer Keil zwischen die Menschen, sondern und auch zwischen Prisca und ihre Lehrerkollegen getrieben: «Ich war verunsichert, und mir war nicht klar, ob meine Anwesenheit ohne Maske als gesundheitliche Bedrohung wahrgenommen wurde, oder ob man es einfach nur als störend empfand, dass ich mich nicht dem Kollektiv unterordnete.» Ihre Positionierung hat Prisca Würgler zwar den «Job» gekostet. Gleichzeitig ist ihr mit ihrer konsequenten eigenen Haltung auch die ethische Zerreissprobe erspart geblieben, vor die Wahl gestellt zu sein, weitere medial geforderte und durch politische und schulbehördliche Instanzen getroffene Entscheidungen in der Schule umsetzen zu «müssen». Denn: Wie weit ist es mit der «Freiwilligkeit» her, wenn Eltern verängstigt und zu Entscheidungen gedrängt werden? Welches Kind hat nicht eine diffuse Angst vor medizinischen Untersuchungen oder gar Impfungen?

«Great Reset» versus «Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit»

In der Liste der Autoren finden sich bekannte und weniger bekannte Namen, die hier nach dem Zufallsprinzip erwähnt und zitiert werden. Das Empfindungs- und Erfahrungsspektrum, das im Buch «Unser Jahr unter Corona» zum Ausdruck kommt, kann mit den nachfolgenden Beispielen nur angedeutet werden.

Da ist zum Beispiel der Entwicklungsdialoger Alec Gagneux: «Die Bundesverfassung wird von den Politdarstellern seit Jahren mit Füssen getreten.» Gagneux ermahnt seit Jahren als Rufer in der Wüste, ohne von der Öffentlichkeit ernsthaft gehört worden zu sein. Aber steter Tropfen höhlt den Stein: Als Aktivist ist Gagneux immer wieder unterwegs – am 25. April 2020 auch auf dem Bundesplatz in Bern an einer ersten Mahnwache, um auf die Problematik der Corona-Massnahmen hinzuweisen: «Wir waren rund 100 Teilnehmer und hielten die Abstände gehorsam ein. Trotzdem wurden wir von der Polizei bedroht – obwohl sie es war, die uns zusammendrängt hatte.» 2020 war der gesamte Bundesrat beim World Economic Forum (WEF). Gagneux stellt die Gretchen-Frage: «Was hatten unsere Volksvertreter bloss mit den Reichsten der Reichen zu verhandeln?»

Verleger Christoph Pfluger sagt in Anspielung auf ein Werbevideo des WEF: «Die anderen haben mit dem ‹Great Reset› einen klaren Plan der Umverteilung, der uns verspricht, nichts zu besitzen und happy zu sein.» Diesen Aussichten stellt Pfluger, selber zehnfacher Grossvater, «drei alte Ideale» gegenüber, «die immer noch verwirklicht werden wollen: die Freiheit, der Mensch zu sein, wie Gott uns gedacht hat; die Gleichheit vor dem Recht, ob reich, arm, weiss oder schwarz, und die Brüderlichkeit im Austausch: Wenn es mir gut geht, geht es dir besser». Aus dem «zersplitterten Widerstand gegen einen diffusen Feind» müsse deshalb ein Aufbau werden.

Angst – ein machtvoller, irrationaler Urinstinkt verunmöglicht vielen den Blick hinter die Kulissen

Der Arzt Marco Caimi berichtet, dass er im Zuge der «evidenzlosen, unreflektierten und teilweise primitiven und menschenverachtenden Massnahmen» in seiner Praxis mit «viel Leid, mit Ängsten, Schlaf- und Perspektivlosigkeit bis hin zu Suizidalität» konfrontiert werde. Er mahnt: «Ohne freie und unabhängige Medien ist jede Demokratie nackt und unbewaffnet.» Als negativste Erfahrung beschreibt er «das Verhalten vieler in Panik erstarrter Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich als unfähig erwiesen, hinter die Kulissen dieses hervorragend orchestrierten Pandemieplans zu blicken».

Christof Ruckli schreibt in seinem Kapitel «Maskenball und Demaskierung»: «Im vergangenen Jahr habe ich die Schweiz kennengelernt, wie sie wirklich ist. Keine angenehme Erfahrung, aber eine wichtige.» Seine Erkenntnis daraus: «Das ist nicht die Schweiz, die ich meinen Nachkommen hinterlassen will.» Umgekehrt habe die «Corona-Medaille» auch eine andere Seite: «Noch nie habe ich in so kurzer Zeit derart viele grossartige Menschen kennengelernt – und noch nie bin ich so oft umarmt worden. Hier wächst etwas heran.»

Realsatiriker erklärt Realzynismus

Von «Gesslers Hut» berichtet Heidi Joos: Kuschen vor Willkür bezeichnet sie als No-Go. Ihr Bericht ist unter anderem einer einschlägigen Erfahrung mit der Luzerner Polizei gewidmet. Satiriker Andreas Thiel informiert in seinem Beitrag darüber, dass seine «im Sterben liegende Mutter aufgrund ihrer Hustenanfälle laut Krankenkassenabrechnungen sechs Mal auf Corona getestet» wurde. Thiels Vater durfte seine demente Frau, der ein würdiger Abschied aus dem Leben zu gönnen wäre, nur in Schutzanzug, Haube, Gesichtsmaske und Gummihandschuhe gekleidet besuchen und sich dem Bett seiner Frau nicht weniger als zwei Meter nähern. «Realsatire wäre lustig», sagt Thiel. Was seinen Eltern jedoch passierte, sei «Realzynismus».

Der Anwalt Philipp Kruse stellt eine fundamentale Frage: «Hunderttausende haben sich bereits symptomlos in Quarantäne einsperren lassen. Ganze Branchen sind über Monate stillgelegt. Warum akzeptieren wir das alles?» Er lernt: «Die Angst, ein machtvoller, irrationaler Urinstinkt steuert die Geschicke unseres Landes.» Man müsse Informationen aus erster Hand suchen, möglichst nahe an die Quelle herangehen.

Alex Baur, Redakteur und Reporter, tat im Corona-Jahr 2020 das, was er immer getan hat, nur viel intensiver. Er unterhielt sich stundenlang mit Hausärzten, Krankenschwestern, Pflegern und Lehrkräften, die ihm von ihren persönlichen Erfahrungen erzählten.

Einer dieser Ärzte ist Dr. med. Andreas Heisler. Seit April 2020 befindet er sich in der Corona-Opposition und hat das Ärztenetzwerk «Aletheia» ins Leben gerufen, um allen Regierungsräten und nationalen Parlamentariern inklusive Bundesrat per Einschreibepost wissenschaftliche Fakten zu fundamentalen fachlichen Fragen rund um die «Covid-19 Pandemie» zugänglich zu machen. Heisler: «Ich hatte früh gemerkt, dass es dem politischen Grossunternehmen nicht um einen Virus oder um unsere Gesundheit ging, sondern um nichts weniger als um einen Angriff auf die Freiheit.»

Hinter den Horizont zu blicken versucht auch Michael Bubendorf, Unternehmer in der Hochsee-Schifffahrt und Gründungsmitglied von «Freunde der Verfassung»: Er malt sich vor seinem inneren Auge aus, «wie sich die Polizisten den Protestierenden anschliessen, weil sie ihrem Schwur auf die Verfassung treu bleiben – Widerstand macht Mut».

Tamara Fretz ist gelernte Laborantin und weiss, weshalb sie die PCR-Tests als Diagnoseverfahren für Covid-19 anzweifelt: «Unter dieser ‹Plandemie› ist sämtliche Logik eingestürzt. Die Gehirne sind sauber gewaschen, die Vernunft wurde dabei allerdings ebenfalls herausgespült.» Hanspeter Baud, Liedermacher und Komponist des Liedes «ds Virüssli», beschreibt den «Verrat an der Wahrheitsfindung» als «eines meiner schmerzlichsten Erlebnisse».

Albert Knobel ist einer, der aus ureigener Motivation gegen die Maskenpflicht für Lehrkräfte und Schüler protestierte. Als er vor einer Schule gedruckte Exemplare der Bundesverfassung verteilte, wurde er nach kurzer Zeit von der Polizei kontrolliert und erhielt einen Platzverweis. Diesen akzeptierte er aber nicht: «Wir haben ein Willkürverbot, und mit meiner Aktion wies ich auf eine Gefährdung des Kindeswohls hin.» Er schildert, wie er in der Folge von der Polizei in Handschellen gelegt und abtransportiert wurde. Er habe sich wie ein Schwerverbrecher in einer Zelle ohne Pritsche, mit offenem WC, Lavabo und Mini-Tisch wiedergefunden. «Der Gestank war fürchterlich. Ich wurde völlig entwürdigend gezwungen, mich vollständig auszuziehen.» In Anspielung auf das Fehlen eines Verfassungsgerichts in der Schweiz wählte Knobel den Titel seines Beitrags: Verfassungsschutz ist Bürgerpflicht! Knobel ist ein lautstarker und unerschrockener Warner vor einer inneren Staatszersetzung und eines der bekanntesten Gesichter der Widerstands-Bewegung gegen die Corona-Massnahmen. An öffentlichen Kundgebungen fehlt Knobels Gesicht selten. Sein Ziel ist es, dass die Einhaltung der Verfassungsgrundsätze mit einer friedlichen Opposition gefordert und durchgesetzt wird.

In seinem Nachwort schreibt Verleger Christoph Pfluger: «Die Krise entfaltet sich weiter in einer Kaskade. Der Impf-Hoffnung wird die Enttäuschung folgen. Es hat reichlich Sand im sozialen Getriebe.» Wirtschaftlich werde man sich auf heftige Überraschungen einstellen müssen.

Der Ruf «zurück zur Freiheit» greift für Verleger Christoph Pfluger zu kurz: «Frei waren wir auch vor Corona nicht.» Der Journalist und Buchautor («Das nächste Geld», «Die Strategie der friedlichen Umwälzung»): «Die Gesetze des Geldes hatten uns fest im Griff. Die Freiheit des monetären Hamsterrades, versüsst durch billigen Konsum, kann nicht die Sehnsucht sein, die uns treibt. Was wir in Wirklichkeit wollen, hat es noch gar nicht gegeben.»

Prisca Würgler (Hrsg.)

Unser Jahr unter Corona

Ein Blick in 32 Tagebücher

Edition Zeitpunkt 2021, 104 Seiten

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ISBN: 978-3-907263-05-1

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