Horst D. Deckert

Aus den Augen, aus dem Sinn: Polit-Interesse an deutschen Flutopfern ebbt ab

Afghanistan, Afghanistan und nochmals Afghanistan: Wer aktuelle Mainstreammedien konsumiert, wird mit zahlreichen Nachrichten über und aus Afghanistan konfrontiert. Dass es Mitte Juli eines der schlimmsten je registrierten Hochwasserkatastrophen in Deutschland gegeben hat, findet sich vor allem noch in den Lokalausgaben der großen Zeitungen und Sender. Dabei gibt es tagein, tagaus immer neue Hiobsbotschaften für Betroffene. Zum Beispiel wird im Winter bei zig Tausenden die Heizung kalt bleiben.

• Tausende Betroffene werden an der Ahr im Winter nicht heizen können

• Wegen zerstörten Leitungen im Ahr-Gasnetz: keine Versorgung möglich

• Zahlreiche Flutopfer: Alleine im Ahrtal mussten 133 Menschen ihr Leben lassen

• Fraktionsübergreifend gefordert: Landrat Jürgen Pföhler (CDU) soll zurücktreten

• Wahlkampf-Aktionismus? NRW-Innenminister Reul kündigt Katastrophenschutztag an

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Von Achim Baumann

Es ist gerade einmal sechs Wochen her, aber die Mainstreammedien haben sich bereits anderen Sachverhalten gewidmet. Und auch die große Politik ist eher mit der Bundestagswahl Ende September beschäftigt. Kein Wunder, konnten weder Scholz, Baerbock noch Laschet bei Besuchen vor Ort wirklich punkten. Letzterem kostete ein Lacher vor Kameras sogar Zustimmung. Also überlässt man das lieber der Landes- und Kommunalpolitik. Aber wie ist der Sachstand mittlerweile bei den Betroffenen?

Bauernopfer? Landrat soll zurücktreten

Während Tausende noch mit ihren Schäden zu kämpfen haben, geht die Suche nach den Schuldigen weiter. So beispielsweise im von der Flutkatastrophe schwer getroffenen Kreis Ahrweiler. Dort hat man fraktionsübergreifend einen personellen Neustart im Amt des Landrates gefordert – und damit einen Rücktritt von Jürgen Pföhler (CDU). So ist dieser zwar noch nicht zurückgetreten, aber er übt das Amt aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht aus. Seine eigene Partei teilte indes mit, dass er wohl nicht mehr in das Amt zurückkehrt. Damit hat man bereits einen Schuldigen ausgemacht – obwohl das Versagen systemisch begründet sein dürfte.

Notunterkünfte werden vorbereitet

Derweil bereitet man sich auf den Aufbau von beheizbaren Notunterkünften vor, denn einige Betroffene werden den Winter in ebensolchen verbringen müssen. Nachdem zwar etliche Behelfsbrücken über die Ahr gelegt worden sind, wird es bei der Reparatur des Gasnetzes noch einige Zeit dauern, bis dieses wieder ordnungsgemäß funktioniert. Allein 133 Kilometer Erdgasleitungen und 8.500 Gaszähler sind zerstört worden und müssen zum Teil völlig neu gelegt und aufgestellt werden. Kein Wunder also, dass Lokalpolitiker fordern, die Flutopfer auch beim Thema Heizen finanziell zu unterstützen. Aber bislang blieb der Appell ungehört – dagegen gab es postwendend eine Zusage von 100 Millionen Soforthilfe für Afghanistan, als dies gefordert wurde. Was Flutopfer wohl davon halten?

Bundestagswahl im Bus?

Wie wird die Bundestagswahl in den betroffenen Gebieten ablaufen? Zelte, Container oder Busse werden als Wahlraum genutzt werden können, kündigten Behörden inzwischen an. Allein das dürfte allerdings ein Kraftakt werden. Und wie die Zustellung von Wahlunterlagen sichergestellt werden kann, dürfte die Behörden ebenfalls vor erhebliche Probleme stellen. Immerhin sind an der Ahr etwa 8.000 Haushalte einfach nicht mehr existent, Häuser und Wohnungen unbewohnbar, weggeschwemmt oder eingestürzt.

Ablenkung: Katastrophenschutztag angekündigt

Es ist in der Tat Wahlkampfzeit und da sonnt man sich gerne im Aktionismus. So ist es nicht verwunderlich, dass NRW-Innenminister Herbert Reul aktuell einen Katastrophenschutztag für diesen Oktober ankündigte. Dieser soll in der Bundesstadt Bonn stattfinden, im Jahr 2022 sollen zwei weitere folgen. „Ich glaube, dass in der gesamten Bevölkerung einfach kein Bewusstsein mehr dafür da ist, was im Katastrophenfall zu tun ist. Eine Warnung muss wieder als das wahrgenommen werden, was sie ist: ein Hinweis auf eine echte Gefahr“, sagte er überschwänglich, vergaß aber offensichtlich, dass nicht die Bevölkerung, sondern die Politik und Behörden kläglich dabei scheiterten, rechtzeitig vor der Flutkatastrophe zu warnen.

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