Hallo Frank Überall,
werte DJV-Kollegen und sonstige Medienschaffende,
bedauernswerte Endabnehmer,
pünktlich zur Jahreswende habe ich meinen Presseausweis mit der Nr. 3-1-102153 an eine 25 Schuss-Salutbatterie-Rakete des Typs Stalin-(ersatzweise Putin-)Orgel geklebt und Richtung Mond geschossen. Kurz zuvor trat ich nach gut 40 Jahren Mitgliedschaft aus dem DJV aus. Die nun frei werdenden Jahresbeiträge überweise ich auf das Konto der Anwälte von Julian Assange – bis zum bitteren Ende, whatever it takes.
Mit der Begründung dieses längst überfälligen Schritts verbinde ich durchaus den Wunsch, dass der eine oder andere Verbandsgenosse einen ähnlichen Entschluss zum Tragen bringt.
Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, hat man Sie, Frank Überall, im Spätherbst 2015 in Fulda mit 130:118 Stimmen zum Vorstand von damals knapp 35 000 Journalisten gewählt. Im zweijährigen Abstand wurde Ihnen dieses Ehrenamt bestätigt und im November 21 erzielten sie mit 85 Prozent ein Traumergebnis, begünstigt aber auch durch das Fehlen eines Gegenkandidaten.
Alleine schon diese Tatsache ermöglicht mir eine mühelose Überleitung zu Ihrer Parteigenossin Angela Merkel und deren Herkunftsmilieu, in dem alternativlose Findungsprozesse den bukolischen Arbeiter- und Bauernalltag bestimmten.
Das Abdanken der gekühlten Physikerin und Ihr zeitgleicher Bühnenbestieg erscheinen – vom Ende der Versuchs-anordnung her betrachtet – wie eine ironische Fügung im bravorös geschmierten Getriebe aus politischem Machtwillen und medialer Unterwerfung. In „Changing of the guards” singt Bob Dylan: ”Sixteen Years, sixteen banners united over the field, where the good shepherd grieves. Desperate men, desperate women divided, spreading their wings beneath falling leaves.” Oder fallender Masken.
Mit eiserner Hand und mädchenhaftem Glucksen
Sechzehn Jahre lang bestellte ein kinder- und wurzelloser Geist hinter der potemkinschen Hauptstadtfassade weitgehend geräuschlos den Acker und streute mit eiserner Hand und mädchenhaftem Glucksen die Samen der Zersetzung aus. Flaniert man in diesem Januar durch die teilimmunisierte Hinterlassenschaft, wähnt man sich in einer vergifteten Zwischenkriegswelt, stößt auf gesichtslose Passanten, stimmlose Jahrmarktsschreier, monologisierende Greise und sonstige Versteinerungen, die an Kafka- oder Gogolstücke erinnern, an Hölderlins Winterreise oder Robert Wilsons ”Death, Destruction and Detroit”.
Hätten Sie, Frank Überall, zu einer anderen Zeit das Votum erhalten, für einen ziemlich großen Teil der Medientätigen zu sprechen? Nein! Für die sich schrittweise an die Machtfront vorgemogelte schwarzgrünrotrosalackierte Querfront boten Sie sich als die journalistische Idealbesetzung dar – im Sinne eines pandemischen Requiems.
Was wissen wir über Sie? Wo kommen Sie her? Was treibt Sie an? Wenn meine Quellen stimmen, lehrt der heutige 50-jährige Mann das Fach der Politikwissenschaft wie auch Journalismus und Soziologie an einer Kölner Hochschule. Seine vorigen Wirkungsstätten waren der einst spannende WDR-Hörfunk, das einst seriöse TV-Magazin „Monitor“, die einst rebellische „taz“ und die dpa, eine Nachrichtenagentur mit reicher Erfahrung im Zubereiten amerikanisch-britischer Geheimdiensthappen.
Griff Professor und PEN-Member Überall eigenhändig zum Stift, beispielsweise beim einst sturmreifschießenden „Spiegel“, wurde der Leser an die Tücken früherer Besinnungsaufsätze erinnert. Beim Ausmalen des Profils eines vorzeigbaren Bundespräsidenten erfreuten wir uns am vertrauten deutschen Oberlehrerpathos: „Natürlich darf ein Politiker Freunde haben, auch als Staatsoberhaupt. Aber er muss immer klare Grenzen gezogen haben und ziehen: Selbst der Anschein einer Vermengung privater und dienstlicher Interessen hindert am Einzug ins Schloss Bellevue.” Diese gestrenge Benotung begab sich offenbar zu einer Zeit, in der die beliebteste Kanzlerin aller Zeiten beim Entsorgen des Spesenritters Wulff mediale Empörungsassistenz benötigte.
Mediale Empörungsassistenz
Ende 2015 fanden Sie mit dem DJV eine Organisation vor, die lange schon zur schlüsselfertigen Manövriermasse des Kanzleramts degeneriert war. Nachdem staatlicher Agitprop zur Medienraison geworden war, konnten Sie es sich so ungefragt wie gefahrlos leisten, Ihre persönlichen Neigungen und Ansichten als Position des DJV auszugeben. In nahezu allen Belangen der aufkommenden Wokeness entsprach Ihr Standpunkt den vorgestanzten „Haltungen” des werte-westlich-transatlantischen Oktopus aus CNN, NYT, WP, dem Clinton-Obama-Lager und den übergeordneten philanthropischen Stiftungsoligarchen. Ich sehe an dieser Stelle von einer Zitatenlitanei ab und belasse es bei einer Bemerkung Ihrerseits gegenüber dem Medien-Magazin „Zapp“ aus dem Jahre 2019: „Das, was in der PR gemacht wird, also in der effektiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, ist eine Spielart des Journalismus.” Das kann man so sehen, obwohl es ja noch ein paar Autoren, Reporter oder Dokufilmer in Ihrem Privatclub gibt, die sich an die Entspannungspolitik der einst mutigen SPD erinnern und mit Saufkumpanen wie Scholl-Latour, Augstein, Nannen, Riehl-Heyse, Konzelmann, Lindlau, Schirrmacher oder H.M. Entsetzensberger ein paar Bloody Marys über die rote Linie hinaus kippten.
Deswegen frage ich Sie, mich und vor allem die verbliebenen berufsethisch intakten Kollegen, wie und wieso Ihr Umwertungsprogramm ohne interne Debatte und Rücktrittsforderung einfach so vonstatten gehen konnte. Das betrifft auch Ihre penetranten NATO-servilen Regungen, dank derer Sie die Auslandsmedien „RT Deutsch” und „Sputnik” als „Propagandainstrumente des Kremls” abtun und im Namen aller DJV-Beitragszahler einfordern, diesen Feindsendern unter allen Umständen keine Rundfunklizenz zu erteilen. Wissen Sie noch, wie die ARD-Kriegsberichter ihrem sedierten Publikum während der vom Mainstream umjubelten Maidan-Monate regelmäßig sowjetische Panzer aus dem Afghanistankrieg präsentierten?
In Ihrer sechsjährigen Schaffensphase haben Sie im Namen des DJV nur wenige Gelegenheiten versäumt, sich Regierung, Wirtschaft und Technokratie anzudienen, den Pluralismus abzuschaffen, primitive Feindbilder zu bestärken und mit zelotischer Gehässigkeit viele Millionen Bürger, die z. B. dem UN-Migrationsprojekt oder Faucis chinesischen Fledermäusen nicht über den Weg trauen, zu einer kackbraunen Masse fackeltragender Nazis zu erklären.
Volkserhebendes Fanal der Humanität und Freiheit
Entlang der Massendemonstrationen, auf denen diese verirrten Alt- und Neu-Nazis unsere stets um Solidarität und Volksgesundheit besorgte Elite an das Vermächtnis unseres Grundgesetzes erinnerten, bekamen manche der rasenden Reporter des Hayali-Zuschnitts ihr Fett ab. In der Regel genügt bei diesen hochsensiblen Agenten der Wahrheit die bloße Verweigerung eines Kurzinterviews, um ein Wehklagen über „Anfeindungen, Drohungen, Beleidigungen und Angriffe” auszulösen, wie ich es einem DJV-Blog aus dem Dezember ’21 entnehme. Was von Ihrem Mini-Think-Tank in Minsk, Caracas, Moskau, Istanbul oder Damaskus als volkserhebendes Fanal der Humanität und Freiheit hochgejazzt wird, gilt den flaumbärtigen Berichterstattern im eigenen Land als bösartiger Naziaufmarsch und blutige Hass- und Hetzjagd.
In dieser Spirale eingequert legt Überalls Hausexperte für Neuere Geschichte die Lunte ins bombensichere Hitlerfass: „Dass aus solchen Worten Taten werden, mussten wir – WIR- auch in Deutschland schon in furchtbarer Weise erleben, durch Angriffe und Morde von durchgedrehten Maskenverweigerern, Impfgegnern und anderen Verwirrten – befeuert durch Desinformation und Hetze.” Die genaue Rolle durchgedrehter Maskenverweigerer beim Nürnberger Reichsparteitag wird uns – UNS – sicher bald ein engagierter „Correctiv“-Faktenchecker erläutern.
Bei all dem wiedergekäuten Nazi-Gestammel empfiehlt sich Sebastian Haffners Sicht auf Goebbels: „Dieser versuchte nämlich nicht, das gesamte deutsche Volk zu nationalsozialistischen Ideen zu bekehren, sondern er verlegte seine Anstrengungen darauf, den Bürgern durch die Medien eine heile Welt vorzuspiegeln. Er verbot die bürgerlichen Zeitungen nicht und man kann nicht einmal sagen, dass er sie nazifizierte. Die meisten alten Redaktionen der großen bürgerlichen Zeitungen schrieben, wie sie immer geschrieben hatten und genau so sollten sie auch schreiben. Es gab im Dritten Reich durchaus eine Art Pressevielfalt. Der Zeitungsleser hatte die Wahl, die Dinge so dargestellt zu sehen, wie er es sich wünschte und gemäß seiner Stimmungslage weiter bedient zu werden.” Sollte er damit Recht haben, befände sich der heutige Medienbetrieb im Zustand einer dramatischen Verrottung.
Systemimmanente Zivilcourage
Natürlich twittert Frank Überall auch ganz viel. Hier ein Beispiel aus dem Herbst 2021: „Hallo. Ich bin Frank Überall, Journalist, Wissenschaftler und engagiert als Vorsitzender des @DJVde. Ich bin vollständig geimpft. Wissenschaft und Solidarität sind der Weg aus der Pandemie. Deshalb: Lasst Euch impfen!”. Das kleinste Übel bei diesem Schreibtischamok ist noch das „Hallo. Ich bin…”. Das riecht so ein wenig nach Flohmarkt, Saunaclub oder einem dörflichen Selbsthilfe-Stuhlkreis für Pfizer-Geschädigte.
Am 1. Mai 2021 befand sich in Weimar ein mutmaßlich ungeimpfter Demonstrant auf der Flucht vor der Polizei. Dann stellte ihm jemand ein Bein, worauf der Fliehende von den Beamten dingfest gemacht werden konnte. Beim zivilen Freund und Helfer handelte es sich um Sebastian Scholz, einem Funktionär des DJV Thüringen. Der Fallensteller und seine Vereinsoberen tauchten zehn Tage ab, bis man dann u.a. in einer Stellungnahme las: „Unser Geschäftsführer stellte sich dieser Person zivilcouragiert in den Weg.” Auch das kann man so sehen, vor allem weil man diesen Einzelfall als systemimmanent betrachten darf. Im heimischen Archiv war 2019 zu lesen: „So soll der DJV Thüringen in geeigneter Weise in die Polizistenausbildung einbezogen werden. Der DJV will der Polizei in Journalistenworkshops die Möglichkeit geben, über ihre Arbeit zu informieren.” Am Ende des Regenbogens stößt man nicht selten auf eine rotgrüne Swastika.
Es ist und wäre nun zu viel der Ehre, Überall & Friends in zu große Verantwortung zu nehmen. Die Tragikomödie der journalistischen Selbstauslöschung begann mit Scharpings Hufeisenlüge 1999 und dem dröhnenden Schweigen rund um das 9/11-Turmtriell, und setzte sich fort bei all den Giftgaslügen zwischen Bagdad und Aleppo, dem NATO-Fake zwischen Kiew und Krim, dem Soros-Woodstock aus Frühlings- und Farbrevolutionen und mündete in der Bombardierung Libyens als vorläufigem Höhepunkt im Dienst der plangetreuen Völkerwanderung.
Nachbeben der informellen Premium-Workshops
Gerhard Schröders Nein 2003 zum Irakkrieg leitete über den Umweg eines Misstrauensvotums sein persönliches Scheitern und jenes von Rotgrün ein und bot hohen Mächten die günstige Gelegenheit, ihn zwei Jahre später durch eine graue Maus aus der Ostzone zu ersetzen. Keine Nadel schlug damals aus auf der nach oben offenen Richterskala. Im selben Jahr absolvierte Mathias Döpfner in Rottach-Egern sein Bilderberg-Debut. Wenn ich mich nicht verzähle, wurde er mittlerweile neun Mal von Henry Kissinger zu Tisch gebeten. Im Nachbeben der informellen Premium-Workshops kehrte der stilbewusste „Wicked Messenger” mit mosaischen Visionen und einem knapp gefassten Kassiber im Manufactumkoffer zurück an die Spree und verkündete all den Verlegern, Chefredakteuren, Abteilungsleitern, Funk- und Fernsehräten, Anchor-Talkern, Multiplikationsfaktoren und sonstigen Wiedertäufern die knochenfrohe Botschaft, bestehend aus Befehlen, Ultimaten und Strafkatalogen. Warum fällt mir wieder Dylan ein? „…when questioned who had sent for him, he answered with his thumb, for his tongue it could not speak, but only flatter.“ Wunderlicherweise ruht eine wohlwollende Hand über seiner „Welt”, die es als einzige der klassischen Zeitungen schafft, verschiedenen Ansichten Platz zu lassen – auch Alternativen zu einem Journalismus der verbrannten Erde.
Wären unsere staatsdienenden Film- und Funkanstalten freie Marktanbieter und würden sich die Printruinen an einem zahlenden Publikum messen, wäre der Spuk längst beendet und das Leben böte seinen Ausübenden wieder Raum für Bach, Goethe und die Wiedereroberung der Götterfunken. Mittels GEZ-Milliarden, uferlosen High-Tech- & Pharma-Zuwendungen und plump kaschierten Haushaltsabgaben hält sich die Trommel der Hirnwaschmaschine gerade noch so am Daherleiern. Doch Bauknecht und Big Ben nahe des BBC wissen, was und wem die Stunde schlägt.
Sixteen years. Ewige Osterruhe. Der Tragödie vorletzter Teil. Als größter Skandal der Merkelära bleibt mir die 0:2-Niederlage gegen Italien als Störung der Sommermärchenstunde in Erinnerung. Jenseits des sportberichtlichen Enthüllungshandwerks bis hin zur öffentlichen Hinrichtung des Staatsverbrechers Joshua K. gab es trotz einer permanenten Notlage kein deutsches Watergate, keine einzige Aufdeckung von Bedeutung, und bei den paar Entlassungen (siehe Wulff, Jung, Guttenberg oder Schawan) boten sich unsere hauptstädtischen Edeltrolle als nützliche Idioten an. Als der dienstnahe Transatlantiker Georg Mascolo 2014 dann auch noch die letzten verstreuten Investigationstalente unter seinen Fittichen monopolisierte, versackten diese gezielt in externen Sümpfen; etwa dem Dealen mit einem ibiza-österreichischen Schmuddel-Video oder der in Bedeutungslosigkeit versandenden Panama-Papers-Lachnummer, die auf altbekannte Übelkrähen wie Putin, Assad oder Gaddafi hinwies sowie auf die unversteuerten Einnahmen aus den Rechten am eigenen Bild von C17, der sich derzeit in Manchester mit einem anderen deutschen Oberlehrer balgt.
Journalismus der verbrannten Erde
Im Inneren von The La-La-Länd trieb die DJV-Brigade ihren subventionierten Dschihad gegen eine täglich anschwellende Armee überlebender und wiedergeborener Nazis voran und rotierte im Masturbatorium aus Solidarität, Menschenrechten, Freiheit, Gleichheit, Humanität. Real bedrohte Kollegen wie Snowden oder Assange stellen für die Moral-Tscheka nur noch Klötze am Bein dar und stören den Ablasshandel mit dem eigenen Versagen.
Haben Sie im letzten Jahrzehnt irgendetwas Substantielles aus dem Umfeld des DJV vernommen? Etwa zum Thema prekäre Arbeit und faktische Massenverarmung? Implosion von Schul- und Gesundheitswesen? Amazon? Google? Apple und grassierende Spionage? WEF und der Transhumanismus? Green-Deal-Hedgefonds? Geo-Engineering? Warburg-Cum-Ex-Komplex? Migrantengewalt? UN-Agenda 2030? Depopulationsprojekte? Energie-Blackout? Blackrock? Vierte Industrielle Revolution? Weltumspannende Pharmakriminalität? Unterweltumspannende Pädokriminalität? Soros- und Gates-Stiftungen? Bekam nicht unser lustiger TV-Doktor von Hirschhausen gerade eben von dort aus 1,4 Millionen Euro überwiesen?
Sicher haben wir irgendwie, irgendwo und irgendwas gelesen oder gehört. Aber ich rede nicht von pflichtseligen Eintagsfliegen und Alibiübungen, sondern von beharrlichem aufrichtigem Recherchieren, Wühlarbeit, Brennpunkten, Presseclub-oder Frühschoppensendungen, vollgepackten 90-Minuten-Specials, mehrwöchigen Printserien – mit Reisespesen, Überlandfahrten und garstigen Nachfragen – wie damals Redford und Hofmann in der Lieblingsromanze aller Regimechange-Lehrlinge („Die Unbestechlichen”). Männer wie Bernstein und Woodward wären nebenbei im Deutschland 2022 die vollen Nazis mit gelöschten Youtube-Kanälen und haufenweise Netzwerkdurchsuchungsklagen.
Gefälligkeitsartikel am Fließband
Stattdessen betten sich arrivierte „Bertelsmänner*innen” wie Hayali, Will, De Lorenzo, Joffe, Illner, Slomka, Hassel, Miosga, Maischberger, Relotius, Plasberg und in den Warteschleifen Tausende sneakertragende Haltungsbewahrer in das krakenhafte Machtgeflecht zwischen Davos, Brüssel, London, Washington, Valley und Wallstreet ein und haben die Rolle der vierten Gewalt mit jener der fünften Kolonne getauscht. Ganz im Sinne der Überall’schen Transformation des Journalismus in keimfreien PR-Service werden jenseits der alternativen Szene am Fließband Gefälligkeitsartikel, Junkscripte, Gesinnungskitsch, NGO-Content und „Wir schaffen das“-Lobbypopulismus zur neuen Normalität umdekoriert. Wie meinte unlängst der Ringier-Chef Marc Walder: „Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.”
Wie eingangs erwähnt, lade ich mit diesem Brief vornehmlich die Kollegen des Verbands dazu ein, über unsere Organisation nachzudenken und zu prüfen, was wir dort zu suchen und zu finden glauben. Gut, der DJV hilft uns bei rechtlichen Konflikten, vermittelt Förderkurse, hat diese und jene Karrieretipps parat für das digitale Empörkommen, und vor allem der seriös erscheinende Presseausweis macht das Arbeiten manchmal leichter und verschafft eine tröstliche Legitimation. Leider hat er durch das multiple Organversagen die einstige Magie eingebüßt und entspricht heute kaum noch dem Wert einer Pizzaliefer-Goldcard.
Um die Ernsthaftigkeit meines Appells zu illustrieren, möchte ich mich mit einem abschließenden Beispiel verabschieden: In der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 21 löschte Youtube den gesamten Kanal von Hendrik Broders „Achse des Guten”. Ob man widerspenstige Kollegen wie u.v.a. Bröckers, Reitschuster, Schreyer, Tichy, Peymani, Klonovsky, Hahne, Herres oder eben Broder und seine Mischpoke schätzt oder nicht, tut überhaupt nichts zur Sache. Bei einem derart massiven Eingriff in die Pressefreiheit hätte sich der einstige DJV bedingungslos für sein Mitglied verwendet, dessen Gefährdung mit allen Klauen verteidigt und sämtlich verfügbare juristische Geschütze aufgefahren. An Tagen wie diesen meldet sich Mika Beuster zu Wort, der zum einen als Reporterchef des „Usinger Anzeigers” bekannt ist und darüber hinaus dem Bundesvorstand des DJV angehört. Gegenüber dem MDR bezog er – natürlich erneut in meinem und Eurem Namen – Stellung: „Wir – WIR – stehen für kritischen Journalismus und wir – WIR – sind das Bollwerk gegen Angriffe auf den kritischen Journalismus. Aber es ist wirklich fraglich, ob es sich hier um kritischen Journalismus handelt. Die Pressefreiheit ist hier nicht in Gefahr.”
Dieser Offene Brief erschien zuerst bei Rubikon.