Zwei Jahre Corona haben eine groteske Aufblähung des deutschen „Wortschatzes“ bewirkt. Schleichend wurden euphemistische Begriffe eingeführt, die ganz offenkundig erfunden wurden, um demokratische Freiheitsrechte schleichend einer politischen Willkürherrschaft unterordnen zu können. Der Buchautor Helmut Matt aus meinem Heimatort Herbolzheim im Breisgau hat sich sich die anerkennenswerte Mühe gemacht, diese Terminologie einmal alphabetisch aufzulisten und deren Bedeutung und Tendenz in einem Buch zusammenzutragen. Am Ende wurden es über 200 Seiten. Bei der Lektüre kam mir wieder ein im Jahr 1979 erstmals erschienenes Buch in den Sinn: „Wörter als Waffen – Sprache als Mittel der Politik.“
Nun liegt Helmut Matts Buch vor; es heißt „Die Sprache des Vierten Reiches“, ist erschienen im Verlag BoD (ISBN 9783755737643) und kostet 9,99 Euro. Der Untertitel lautet: „Wie Menschen die Sprache und Sprache die Menschen verändert”. Titel und Untertitel klingen wie eine Provokation – und das sollen sie auch sein, wie Matts einleitende Worte erklären. Inspiriert wurde der Autor von der berühmten Abhandlung Viktor Klempners, „LTI – Lingua Tertii Imperii“ („Die Sprache des Dritten Reiches”), das der jüdische Romanist nach dem Ende der NS-Zeit veröffentlichte. Die Erläuterung der Begriffe in Matts Buch beginnt mit „2G+” ff., geht weiter mit über „abgesondert“ und endet auf der Seite 220 mit „Zweitimpfung“ (die uns ursprünglich als „Vollschutz” verkauft wurde). Pro Seite werden etwa vier Wortschöpfungen beschrieben; es sind am Ende also rund 800 Schlagworte, die Matt beschreibt. Wobei der (sehr) kritische Leser bemerkt, dass diese Aufzählung natürlich so wenig vollständig ist wie der Impfschutz selbst. Einige Unworte der Corona-Ära seien daher an dieser Stelle von mir ergänzt.
Einige sinnvolle Ergänzungen
„Bringdienste” sind beispielsweise nicht aufgeführt. Sie gehörten zu den Profiteuren der Corona-Quarantäne und Lockdowns – da sich Menschen nicht mehr aus dem Haus trauten, weil ihnen täglich der Schreck vor Ansteckung immer und überall vermittelt wurde. Die „Drittimpfung” fehlt auch – vielleicht deshalb, weil man dann auch die weiteren Impfungen aufführen müsste (für rechnerisch acht Impfungen pro Nase hat Krankheitsminister Karl Lauterbach ja bekanntlich schon Stoff geordert – ganz so, als ob man es mit Rauschgiftsüchtigen zu habe). Das Wort „Ermächtigungsgesetz” fehlt meines Erachtens ebenfalls – denn dieser Begriff etablierte sich rasch für die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes; in dessen Novelle vom November 2020, durch die die Länder entmachtet und die Bundesregierung zur zentralen Corona-Maßnahmeninstanz gemacht wurde, findet sich an nicht weniger als 28 Stellen der Begriff „ermächtigt“. Wegen dieser Begriffsverwendung wurden dennoch teils empfindliche Geldstrafen gegen Bürger verhängt – weil manche Staatsanwälte und Richter darin eine verbale Anleihe am Dritten Reich erkannten. Dabei hieß das Gesetz vom 24. März 1933 bekanntlich gar nicht „Ermächtigungsgesetz”, sondern „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich” (ebenfalls eine euphemistische Umschreibung zur Rechtsaushebelung, ganz im heutigen Sinne). Aber so genau nehmen es heutige Juristen nicht, wenn missliebige Bürger abzuurteilen sind.
Außerdem vermisse ich die „Goldgrube” in dem Glossar: In der gleichnamigen Straße residiert in Mainz das Pharmaunternehmen BionTech, das sich eine goldene Nase verdient und Milliardengewinne einstreicht. Die Gewinne machen rund die Hälfte des Umsatzes aus, die Kapitalrendite ist fast astronomisch. Die Aktionäre werden mindestens genauso gesund, wie es den „Gespritzten“ zumindest versprochen wird – wenn nicht noch viel gesünder. Das „Impf-Abo” war zur Zeit der Zusammenstellung der Liste noch nicht geläufig, weil man noch an den völligen Schutz der Drittimpfung nach dem Vollschutz der Zweitimpfung glaubte, insofern ist dieses Versäumnis entschuldbar. Und die „Isolation” ist unter dem Begriff Quarantäne mit erläutert. „Isolation” stammt von „Insel”; auch Deutschland hat Inseln – aber soweit wollte man es bei der Isolation von Corona-Positiven dann doch nicht treiben.
Corona hat die Sprache verändert
„Kirchen-Corona” wurde wohl nicht aufgenommen, weil kaum noch jemand in Gottesdienste ging. Den Gläubigen wurden diese jedoch in den letzten zwei Jahren zum Hindernislauf gemacht. Obwohl Kirchenräume gegenüber anderen Veranstaltungsräumen riesig sind und somit nie eine reale Ansteckungsgefahr bestand, waren die Kirchenoberen strenger als die Staatsmacht – und schrieben sogar noch größere Abstände plus FFP2-Masken vor. Wo blieb da das Gottvertrauen? Auch das Weihwasser wurde entfernt – obwohl keine Gefahr einer Kontaktinfektion bestand. Das „Max-Planck-Institut” spielt in Matts Wörterbuch ebenfalls keine Rolle – obwohl es DIE Instanz der Aerosolforschung schlechthin ist und sogar einen virtuellen Rechner ins Internet stellte, mit dem man das Risiko von Kontakten in verschiedenen Alltagsituationen berechnen kann. Meist kommt dort zwar heraus, dass kaum eine Infektionsgefahr besteht – weshalb der Rechner von den Gesundheitsministern in Bund und Ländern wohl auch nicht beworben wird.
Die „Niederschwelligen Basismaßnahmen” jedoch – auch so eine Neuerfindung leider erst nach Redaktionsschluss des Buches – haben geradezu das Zeug zum Unwort des Jahres. Was kann man von einer niederschwelligen Politik auch anderes erwarten. Auch die „Reiseverbote” fehlen; dafür wird das Stichwort „Reisewarnung” ausführlich beschrieben. Und das „Zutrittsverbot”, das in vielen Gaststätten und Geschäften für „Impfverweigerer“ galt, fehlt zu guter Letzt auch. Dabei mussten Ungeimpfte oftmals wie Hunde draußen bleiben.
Man wird sehen, welche Schikanen und Wortschöpfungen aus den letzten zwei surrealen Jahre noch alles Eingang in unseren Sprachgebrauch finden werden. Was aber kein Grund ist, auf die nächste Auflage des Nachschlagewerks zu warten. Dieses ist auch in seiner Erstausgabe äußerst kurzweilig und sehr lesenswert. Übrigens verschickt der Autor unter kontakt@helmutmatt.de auf Wunsch signierte Exemplare!
Dieser Artikel erscheint auch auf der Webseite des Autors.
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