Horst D. Deckert

Covid-19-Gesetz: Die Mobilisierung wirkte vor allem auf die Ja-Sager

Nach einer Abstimmungsniederlage tut es gut, sich erst einmal Mut zuzusprechen, vor allem wenn man sich derart intensiv engagiert hat.

Während die Ja-Kampagne praktisch unsichtbar blieb, war die Nein-Kampagne von einer Heftigkeit, wie man sie seit Menschengedenken nicht mehr erlebt hat.

Aber: Hat diese Kampagne die richtigen Menschen mobilisiert? Eine Annäherung an die Antwort findet man, wenn man sich einmal anschaut, aus welchem Lager die zusätzlichen Stimmen kamen.

Am 13. Juni stimmten 3’216’472 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zum Covid-19-Gesetz ab: 1’936’344 mit Ja und 1’280’128 mit Nein (offizielle Resultate).

Am 28. November gingen 3’544’057 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zur Urne, ein Plus von 327’585 (offizielle Resultate).

Von diesen zusätzlichen Stimmen gingen 224’736 an das Ja-Lager, ein Anteil von 68,6 Prozent. 102’845 stimmten Nein, ein Anteil von 31,4 Prozent.

Das Ja-Lager konnte also mehr als zwei Drittel der zusätzlichen Stimmen verbuchen. Worauf ist dieser erstaunliche Zuwachs zurückzuführen? Schwierige Frage, mit einigen Hypothesen:

  1. Mehr Menschen hatten mehr Angst vor der Pandemie als im Frühling und gingen deswegen vermehrt an die Urne. Das ist unwahrscheinlich, da der Bundesrat betont zurückhaltend war. Zudem brauchen sich Geimpfte offiziell nicht vor Covid-19 zu fürchten.
  2. Stimmzettel und Abstimmungsbüchlein waren irreführend und verleiteten die Stimmbürger zu einem Ja. Die Unterlagen waren irreführend, aber sie wirken nur auf Menschen, die ohnehin abstimmen. Sie wirken nicht auf Stimmabstinenzler.
  3. Der Vandalismus und die behördlichen Behinderungen der Nein-Kampagne bewog die Ja-Sager zum Urnengang. Das ist unwahrscheinlich, da die zerstörten Nein-Plakate nicht durch Ja-Plakate ersetzt wurden.
  4. Die Verunglimpfung der Nein-Kampagne durch die Massenmedien trieb viele potenzielle Ja-Sager und Unterstützer des Bundesrates an die Urne in der Haltung «Denen zeigen wir es!». Vermutlich zutreffend.
  5. Die Nein-Kampagne erschreckte viele Bürger und trieb mehr zusätzliche Ja-Sager als Nein-Sager an die Urne. Wahrscheinlich.

Eine einigermassen zuverlässige Antwort auf das Rätsel der wachsenden Ja-Stimmen wird wohl erst eine detaillierte Analyse der Abstimmungsergebnisse liefern – wenn denn richtig gefragt wird. Ein selbstkritischer Blick auf die eigenen Kampagnen scheint aber durchaus angebracht.

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Wie interpretieren Organisationen der Bürgerrechtsbewegung den Stimmenzuwachs des Ja-Lagers? «Monatelange intensive Propaganda von Seiten der Medien, Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Bundesrat. Werbekampagnen mit vielen hunderten Millionen», nennt Siegfried Hettegger vom Aktionsbündnis Urkantone mögliche Gründe gegenüber Corona-Transition mit Verweis auf den Newsletter des Bündnisses. Eine wichtige Rolle hätte aber auch die Einführung der Zertifikatspflicht gespielt. «Bei einem kleineren Teil der Bevölkerung hat dies den Widerstand verstärkt, der grössere Teil hat sich aber angepasst und die Ideologie geschluckt», so Hettegger weiter.

Dies zeige sich auch angesichts der «fast perfekten Korrelation von Impfquote und Ja-Stimmenanteil». Viele Bürger seien damit dem Glauben verfallen, dass sie mit dem Zertifikat wieder «Freiheit» erlangen würden. «Zuckerbrot und Peitsche tun immer noch zuverlässig ihre Wirkung!» Zur Kenntnis nehmen müsse die Bürgerrechtsbewegung aber auch, dass «Angstpropaganda und Gewalt durch Zwangsmassnahmen die Bedingungen für den Widerstand objektiv verschlechtert haben».

Ähnlich sehen dies auch die «Freunde der Verfassung». Der Verein macht darauf aufmerksam, dass er es verpasst habe, die älteren Bevölkerungsgruppen abzuholen. «Insbesondere den älteren Wählerinnen und Wählern sitzt die Angst vor Corona in den Knochen und die zahlreichen Fehlinformationen des Bundesrats wurden in Summe nicht durchschaut», schreibt der Vorstand des Vereins in seinem Newsletter vom Dienstag.

Die Verfassungsfreunde machen darin ebenfalls auf den starken Zusammenhang zwischen dem Stimmverhalten und der Impfquote aufmerksam. «Wer sich hat impfen lassen, hatte möglicherweise Mühe, gegen den Bundesrat ein ‹Nein› in die Urne zu legen.» Schliesslich habe man sich ja den Empfehlungen dieses Bundesrates angeschlossen. Dies sei vermutlich auch die Erklärung dafür, weshalb das Nein-Lager in den konservativen Kantonen im Vergleich zur Abstimmung vom 13. Juni Stimmen verloren habe.

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