Manche Dinge sind einfach zu nett, um wahr zu sein. Zum Beispiel, wenn Ostern, das Fest der Auferstehung von Jesus, auf das schöne Bild vom immer wiederkehrenden Leben geschrumpft wird. Dass es nach dem Winter wieder durchbricht, das sei doch ein Ausdruck des ewigen Prinzips Hoffnung.
Überhaupt habe die gute alte Astarte nicht nur ihren Namen zu diesem Anlass beigetragen, sondern gleich noch Hase und Eier mitgeliefert. Wenn soviel mythische Wohligkeit kein Grund zum Feiern ist!
Was haben diese lieblichen Metaphern gemeinsam? Hinter ihnen stehen unsere ganz normalen Erfahrungen und Bedürfnisse, die bildhaft eingekleidet werden sie in eine halbreligiöse Sprache, die sich der Auferstehung bemächtigt und sie in ein weltliches Prinzip verwandelt. Menschlich-Kreatürliches erhält den Nimbus einer Weihe, die man einander im saisonalen Wechsel zugesteht und gefallen lässt. «Same procedure as last year.»
Ein Blick aufs Original kann da nicht schaden. Der Widerhall, den jenes Ereignis in der ersten Generation erfahren hat, spricht eine nämlich andere Sprache. Vom Triumph durch das Kreuz Christi ist da die Rede und von der «Kraft seiner Auferstehung», einer real erfahrbaren (Philipper 3,10). – Antikes Geschwurbel? Dann hätte sich das zumindest sehr gut erhalten, samt seiner Bestätigung durch die Jahrhunderte.
Der Graben zu unserer Frühjahrsromantik wird noch tiefer. Paulus beschreibt an anderer Stelle das ganze Elend seiner Existenz; wie er in ständiger «Angst, Verfolgung, Blösse, Hunger und Gefahr» lebt – um dann im nächsten Satz österlich zu bezeugen: «Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.» (Römer 8,37) Wir «hypersiegen», heisst es sogar wörtlich.
Hab ich jetzt die Hälfte meiner Leser verloren, weil ich mich in religiösen Phantasien verliere? «Die Dinge wollen verstanden sein. Es gibt da nichts zu messen, Beweise sind nicht möglich.» (Alfred Döblin) Aber Erfahrungen, die einen bisherigen Horizont übergrenzen.
Das ist keine «Mystik» einer Flucht ins Irgendwo, sondern der Boden, auf dem neue Erfahrungen möglich sind, eben kraft jener Auferstehung. Was kann uns in diesen Tagen und Wochen wohler tun als einzustimmen in einen «Hypersieg» über all das, was auf uns einstürmt?
Einen Sieg aus dem Wissen, dass der Schöpfer der Welt einen immanenten Neuanfang gemacht hat, dass er den auch mir selber gewährt und mir persönlich zur Seite stehen will, mitten im Schlamassel und weit darüber hinaus? Ein dauerhafter Frühling der eigenen Existenz also?
«Und das soll ich glauben?» Niemand verlangt blinde Folgsamkeit. Aber wir sollten hinhören auf authentische Stimmen. Was dann wie weiterklingt im eigenen Herzen, das wird und möge sich weisen.
«Ich hatte immer gehofft, ein Christ zu sein. Aber vor dreissig Jahren spürte ich, wie ich eine richtige Kreuzigung erlitt. Ich war aller meiner Kräfte beraubt, im Innersten gelähmt und kam doch wieder zum Leben als ein veränderter Mensch.
Was mich rettete, war, dass ich auf das grösste Ereignis im Leben Jesu zurückblicken und meine kleine Verfinsterung in seinem grossen Leiden erkennen konnte. Das machte mich fähig, in vollem Glauben auf die Auferstehung zu warten, der Kreuzigung in meinem eigenen Erleben zu folgen.
Seitdem schien es mir immer töricht, an der historischen Wirklichkeit der ursprünglichen Kreuzigung und Auferstehung zu zweifeln.»
Eugen Rosenstock-Huessy, «Des Christen Zukunft oder Wir überholen die Moderne», S. 127
Und von daher nun: Frohe Ostern und fröhliche Auferstehung!
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Karfreitag 2022: Es ist gerade der Karfreitag, der für das Neue Raum schafft!
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft auch an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
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