Horst D. Deckert

Der Berliner Tagesspiegel ist auf den Hund gekommen

Am 16. November überraschte der Tagespiegel seine Leser mit einem skurrilen Artikel über die NachDenkSeiten. Autor ist der ehemalige Redakteur Matthias Meisner, der nach seinem Ausscheiden vom Tagesspiegel als freier Autor für einschlägige Einrichtungen wie das Zentrum Liberale Moderne arbeitet und dabei eine schräge Obsession für uns entwickelt hat. Für sein jüngstes Elaborat nutzt oder besser missbraucht er den ehemaligen freien NachDenkSeiten-Mitarbeiter Frederico Füllgraf für seinen Privatkrieg – Manipulation und Lügen inklusive. Wir möchten Ihnen, liebe Leserinnen und Leser einige Informationen zu diesem Vorgang geben einschließlich der Bewertung dieses Vorgangs. Von Jens Berger.

Es hat schon etwas Tragisches. Da haben wir einen 61jährigen Journalisten, der immerhin über 20 Jahre lang beim eigentlich angesehen Berliner Tagesspiegel als Redakteur tätig war. Mit dieser Vita steuert man in der Branche entweder auf den Karrierehöhepunkt samt Führungsaufgaben zu oder schiebt halt eine ruhige Kugel und freut sich auf die baldige Rente. Nicht so Matthias Meisner. Er verließ (ob freiwillig oder unfreiwillig ist uns nicht bekannt) im letzten Jahr das feste Arbeitsverhältnis mit dem Tagesspiegel und schlägt sich seitdem als Gelegenheitsschreiber – was oft beschönigend „freier Journalist“ genannt wird – durchs Leben. Doch was soll man schreiben, wenn man sich auf die Themen „soziale Medien“ und „neue Rechte“ spezialisiert hat? Zwei Themen, die nicht gerade dafür prädestiniert sind, um mehrere Artikel pro Woche verkaufen zu können; das ist jedoch nötig, um als „freier Journalist“ seinen Lebensunterhalt zu sichern. So entwickelte Meisner ein mehr als fragwürdiges Geschäftsmodel. Er suchte sich ein populäres linkes Alternativmedium aus, das zahlreichen zahlungswilligen Auftraggebern politisch ein Dorn im Auge ist, und versucht seitdem, dieses Medium mit Verdrehungen und aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate in eine „neurechte“ Ecke zu drängen. Dieses Medium sind – Sie ahnen es – die NachDenkSeiten. So wurde Matthias Meisner zum ersten „Berufs-Gegner“ der NachDenkSeiten.

Warum ausgerechnet die NachDenkSeiten?

Die NachDenkSeiten sind zahlreichen politischen Strömungen ein Dorn im Auge. Neoliberale und Rechte mögen sie nicht, weil sie kompromisslos für klassische sozialdemokratische und linke Vorstellungen eintreten. Das ist verständlich. Weniger verständlich ist, dass in den letzten Jahren immer mehr selbsternannte Linke sich ebenfalls zu ausgemachten Gegnern der NachDenkSeiten entwickelt haben. Das liegt nicht nur an den Grabenkämpfen innerhalb des politischen linken Lagers, sondern ist auch inhaltlich begründet. So treten die NachDenkSeiten kompromisslos für Frieden und Völkerverständigung ein und kritisieren die westliche Politik und insbesondere die USA scharf. Zahlreiche Akteure des sogenannten linken politischen Lagers, wie die Grünen samt ihrer Vorfeldorganisationen und Thinktanks sowie Teile der SPD und der Linkspartei vertreten gerade in diesem Punkt entgegengesetzte Positionen. Die NachDenkSeiten sind also im übertragenen Sinn der „Feind im eigenen Lager“ und was die Sache noch schlimmer machet: Wir werden wahrgenommen.

Die NachDenkSeiten haben in den letzten Jahren systematisch Leserinnen und Leser hinzugewonnen. Zuletzt in Spitzenzeiten 500.000 pro Tag. Über unsere Arbeit wird gesprochen, Menschen tauschen Artikel aus und machen sich gegenseitig darauf aufmerksam. Und es gibt immer mehr Menschen, die einzelne Artikel oder den Hinweis auf die NachDenkSeiten an ihre Freunde und Familien weitergeben. Man ist also sicher kein „Verschwörungsideologe“, wenn man feststellt, dass die NachDenkSeiten vor allem von den außen- und sicherheitspolitischen Kreisen, die beispielsweise das Zentrum Liberale Moderne dominieren und in Zeitungen wie der taz oder dem Tagesspiegel ihre Positionen verbreiten, als Ziel gelten.

Früher besser heute rechts?

Die Vorwürfe sind dabei stets die gleichen und sie sind stets falsch. Einer dieser Vorwürfe ist, wir seien „ja früher besser gewesen“ und hätten uns in den letzten Jahren in die falsche Richtung entwickelt. Anhand konkreter Beispiele konnte dies jedoch noch keiner dieser Kritiker belegen. Wie auch? Es ist vielmehr so, dass die NachDenkSeiten seit ihrer Gründung ihren Kurs stringent beibehalten haben, während auf der anderen Seite die Kritiker, die dieses Argument vorbringen, ihren Kurs in bestimmten Themenfeldern um 180 Grad geändert haben. Sie waren früher auch für Frieden, heute sind sie für Krieg – zumindest dann, wenn es der „richtige Krieg“ ist. Sie waren früher für Meinungsfreiheit, heute sind sie für Zensur und Cancel Culture – zumindest dann, wenn ihre „richtigen“ Meinungen nicht davon betroffen sind und sie frei reden dürfen. Früher waren sie für soziale Gerechtigkeit – das behaupten sie auch heute noch, haben aber damit vor allem ihre eigene, meist urban-akademische Blase im Sinn und haben ältere Menschen, Menschen ohne Hochschulabschluss und Menschen auf dem Lande längst aus den Augen verloren. Die NachDenkSeiten haben diese (Fehl)entwicklung nicht mitgemacht. Vielleicht werden wir deshalb als „schlechter“ wahrgenommen, aber das ist natürlich Unsinn.

Der Vorwurf, die NachDenkSeiten seien früher besser, ist vielmehr eine Manipulationsmethode nach dem Schema „B sagen, A meinen“. Wenn man sagt, die NachDenkSeiten seien schlechter geworden, transportiert man damit, die NachDenkSeiten seien schlecht – näher begründen muss man dies dann nicht mehr.

Ein weiterer stets wiederkehrender Vorwurf ist, wir hätten uns „nach rechts“ bewegt. Zu dieser Begrifflichkeit haben sich Albrecht Müller (z.B. hier und hier ) und Jens Berger bereits geäußert. Was soll an den Positionen der NachDenkSeiten „rechts“ sein? Sind wir fremdenfeindlich? Sind wir für das Recht des Stärkeren? Sind wir für Privatisierungen oder gegen Gleichberechtigung? Sind wir für aktive Militärpolitik und gegen die Völkerverständigung? Sicher nicht. Doch heute reicht es offenbar schon, eine Rede von Alexander Gauland aufgrund ihres Inhaltes zu loben, auch wenn sie vom „Falschen“ gehalten wurde. Da kann man dann auch gleichzeitig die übrigen politischen Positionen der AfD scharf kritisieren – es hilft nichts, der absurde Vorwurf, man sei „AfD-nah“ braucht offenbar keine Begründung.

Meisner und sein „Whistleblower“ Füllgraf

Genau diese manipulativen Mittel nutzt Matthias Meisner in seinem jüngsten Traktat gegen die NachDenkSeiten. Seine Vorgehensweise ist dabei unredlich und schäbig. Um die NachDenkSeiten in die „rechte Ecke“ zu schieben, schreckt er nicht einmal davor zurück, einen ehemaligen Mitarbeiter dazu zu drängen, ihm interne Mails zur Verfügung zu stellen. Die daraus konstruierten Vorwürfe sind an Absurdität kaum zu überbieten. So macht Meisner die Verschiebung nach rechts an der Berichterstattung über den ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro fest. Auf den NachDenkSeiten sind Unmengen an Artikeln über Bolsonaro erschienen, in denen ausnahmslos scharfe bis sehr scharfe Kritik an ihm geäußert wird. Das weiß auch Meisner. Daher nennt er auch kein einziges konkretes Beispiel, um seinen Vorwurf zu untermauern, sondern verdreht die Korrespondenz zwischen dem NachDenkSeiten-Chefredakteur Jens Berger und dem NachDenkSeiten-Redakteur Florian Warweg mit dem ehemaligen Südamerika-Korrespondenten Frederico Füllgraf auf groteske Art und Weise, um seine These zu untermauern.

Das geht dann so: Weil die Redaktion eine Passage in einem Füllgraf-Text, in dem Personen der deutschen Querdenker-Bewegung ohne Beleg als „Rechtsradikale“ bezeichnet werden, kritisiert und ihm anbietet, er solle diese Passage überarbeiten oder streichen, habe sie, laut Meisner, „versucht […] den noch amtierenden rechtspopulistischen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, besser darzustellen“. Im zweiten Fall wurde Frederico Füllgraf gebeten, die von ihm gewählte Formulierung, Bolosonaros Amtsführung sei die „Inszenierung“ eines „militärischen Marionetten-Regimes“ doch bitte etwas weniger „verschwörungstheoretisch“ zu formulieren. Was dagegen einzuwenden ist, schreibt Meisner nicht.

Was Meisner mit diesen beiden Beispielspielen überhaupt aussagen will, bleibt nebulös. Dass Redaktionen ihnen angebotene Artikel prüfen und nicht belegbare Behauptungen oder tendenziöse Formulierungen kritisieren, gehört zu ihrem Job – und das natürlich auch, wenn die Behauptungen oder Formulierungen dazu geeignet sind, den „richtigen“ Politiker oder Staatsmann zu kritisieren. Alles andere ist Meinungsmache; ist es das, was Meisner unter Journalismus versteht? Wenn ja, braucht man sich wohl nicht zu wundern, dass er im hohen Alter seinen Redakteursposten verlor.

Letztlich sind diese beiden ungeeigneten Beispiele aber nur „Füllstoff“, um Meisners zentrale These zu „belegen“. Und die lautet, der ehemalige NachDenkSeiten-Mitarbeiter Frederico Füllgraf hätte seine Mitarbeit wegen „Zensur-Eingriffen gekündigt“. Diese Aussage ist jedoch von vorne bis hinten erlogen. Richtig ist vielmehr, dass Füllgraf die Zusammenarbeit von sich aus im November 2021 für das kommende Jahr aufkündigte, da er – so seine Aussage – „wegen dringender Buchprojekte […] den NachDenkSeiten nicht mehr zur Verfügung kann“. Dies koppelte er mit der Forderung nach einer „Abfindung“, die wir ablehnten. Unsere Versuche, ihn zu überreden, doch noch weiter für uns zu schreiben, scheiterten. Er bot uns jedoch von sich aus auch im Jahr 2022 sporadisch Artikel an. Im Juli dieses Jahres meldete er sich dann mit der unverschämten Forderung, ihm doch ein „Weihnachtsgeld“ zu zahlen. Auch dies lehnten wir natürlich ab. Von inhaltlichen Differenzen oder gar „Zensur“ war dabei nie die Rede. Es ging stets ums Geld. Und hierzu muss man wissen, dass die NachDenkSeiten Frederico Füllgraf stets äußerst großzügig behandelt haben. Zeitweise hat er unserer Buchhaltung mit ewig neuen Finanzdienstleistern und Zahlungsmethoden mehr Arbeit gemacht, als alle anderen für die NachDenkSeiten schreibenden Autoren zusammen. Und auch ansonsten gestaltete sich die Zusammenarbeit kompliziert und zeichnete sich durch einen extrem hohen Korrekturbedarf und ein „divenhaftes“ Verhalten seinerseits aus. Selbstverständlich könnten wir das – anders als der Tagesspiegel bei seinen Vorwürfen – auch alles durch unsere Schriftwechsel belegen; aber auf dieses Niveau wollen wir uns dann doch nicht begeben. Das überlassen wir den Meisners.

Eine Schmutzkampagne

Wir schildern diese Vorgänge, obwohl sie eigentlich nicht in die Öffentlichkeit gehören, weil der Tagesspiegel diese Vorgänge in die Öffentlichkeit gebracht hat. Und wir denken nicht daran, uns in dieser ohnehin schwierigen politischen und geistig demoralisierten Zeit auf diese unseriöse Weise fertigmachen zu lassen.

Die Behauptungen des Tagesspiegels ist schlicht erfunden. Es ist die Geschichte, neudeutsch, es ist das narrativ, das sich die Gegner der NachDenkSeiten ausgedacht haben. Auch die Behauptungen, die NachDenkSeiten seien „nach rechts“ und „verschwörungsideologisch“ unterwegs, sind schlicht erfunden und werden vom Tagesspiegel nicht einmal im Ansatz belegt. Das ist unseriös und grotesk. Der Berliner Tagesspiegel bringt sich um seinen Ruf.

Titelbild: Screencap Phoenix

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