Horst D. Deckert

Der Fall Sarah-Lee Heinrich: Alles halb so schlimm?

Sarah-Lee Heinrich (2.v.r.) inmitten „ekliger weißer“ Frauen (Foto:Imago)

Autsch – die eigene Medizin schmeckt bitter! Sarah-Lee Heinrich, bei den Grünen mit einem Amt als Sprecherin ausgestattet, hat im Netz gerade mächtig Ärger. Differenzierende Sprache ist nicht wirklich ihr Ding. Sie hat in den letzten Jahren Dinge getwittert, die sogar einem Rapper die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Und auch inhaltlich ähnelten ihre Beiträge denen der martialischen „Wortkünstler“: Von F-Bomben bis hin zur offenen Homophobie war alles dabei. Nicht fehlen auf ihrer Abschussliste durften natürlich auch „die Weißen“ im allgemeinen und „die alten weißen Männer“ im besonderen. Auch ihre Differenziertheit zum Spannungsfeld Israel und Antisemitismus war bestechend:

(Screenshot:Twitter)

Alles Schnee von gestern„, sagen ihre Verteidiger, „da war sie doch noch so jung!“ – aber immerhin schon teilweise in einem Alter, in dem Jugendliche nach dem Willen der Grünen schon wählen sollten. Wenn man nach Ausreden für jemanden sucht, sollte man gut darauf achten, was man im Programm stehen hat. Zudem ist es recht spannend zu sehen, welche Milde man bei der eigenen Blase walten lässt, das kennen wir schon vom Fall Nemi al-Hassan: Es wird jede halbherzige Entschuldigung akzeptiert, auch wenn das kritisierte Verhalten noch immer in Erscheinung tritt – vielleicht ein wenig dezenter. So wie Cem Özdemir:

(Screenshot:Twitter)

Schauen wir uns hingegen den Umgang mit dem politischen Gegner an, so wird bei diesem jedes vermeintliche oder echte Fehlverhalten noch jahrelang immer wieder recycelt, um ihn zum Abschuss freizugeben. Linke „Menschenjäger“ lassen es noch nicht einmal dabei bewenden: Gnade einem Gott, wenn der Großonkel die falschen Zeitschriften abonniert hatte, die auch auf das Objekt der Betrachtung eventuell einen schändlichen Einfluss ausübten. Bei mir klänge das dann so: „Auf der eiskalten Etagentoilette ihres Onkels lagen stapelweise Panzerjournale aus, weshalb nicht auszuschließen ist, dass sie schon früh eine militaristisch-nationalistische Prägung erhielt.“ Das klebt fest wie diese Etiketten, die man niemals richtig von seinem Salatseiher entfernt bekommt.

Merke: Der Gegner muss noch nicht einmal selbst etwas verbrochen haben, um sich schuldig gemacht zu haben. Es reicht aus, wenn er „fremdkontaminiert“ wurde. Spricht man jedoch das an, was Frauen wie Nemi al-Hassan oder Sarah-Lee Heinrich ganz aus eigener Kraft verbockt haben, gilt das im besten Falle als kleinlich. Weitaus wahrscheinlicher ist es jedoch, sich plötzlich in der Kategorie „Sexist“ oder „Rassist“ wiederzufinden. Darüber hinaus ist man zu blöd, um zu begreifen, dass diese „unbedeutenden Ausrutscher“ natürlich nur das Ergebnis jahrelanger Diskriminierung und Ausgrenzung waren. Mit dem selben Argument könnte man auch die jungen Leute verteidigen, welche an ihrer Schule Amok laufen.

Die immer wieder gleichen Muster der Verteidigung sind ermüdend, denn das alles hat rein gar nichts mehr damit zu tun, eine sinnvolle Verhaltensanalyse durchzuführen, um künftigen Fällen entgegenzuwirken. Ähnliches zeichnet sich ab, wenn es um das Thema „Rassismus gegen Weiße“ geht. Dass es diesen nicht gibt, wird als Dogma in die Welt gesetzt, bei jedem Gegenargument schlängeln sich die Freunde dieses Dogmas um wichtige Punkte herum. Notfalls werden weiße Opfer von Rassismus – so etwa auch Juden und Slawen – zu „Persons of Color“ ehrenhalber erklärt. Da hat wohl jemand nicht mitbekommen, dass es Juden in allen farblichen Varianten gibt.

Ermüdende Verteidigungsmuster

Eine Machtfrage sei es, warum es keinen Rassismus gegen Weiße geben könne. Ein netter Versuch, der vollkommen außer Acht lässt, dass dies auch eine Frage der Geographie ist. Es ist einmal wieder eine Binsenweisheit, aber wenn in einem Land der Anteil der schwarzen Bevölkerung höher ist, wird man auch mehr Schwarze in höheren gesellschaftlichen Positionen antreffen – ich werde in meinem Leben wohl nie so viel verdienen wie Oprah Winfrey oder so mächtig sein wie Barack Obama es war. Apropos Oprah Winfrey: Auch um sie wurde vor ein paar Jahren ein Rassismusskandal konstruiert, der sich letztlich als heiße Luft entpuppte: Die Talk-Masterin empfand es als diskriminierend, dass ihr eine Verkäuferin Taschen zeigen wollte, die nur 25.000 Euro kosten. Diese Form der Diskriminierung muss man sich erst einmal leisten können!

Die „es ist alles nur Sexismus„-Masche hingegen wandten die Grünen schon wenig glaubwürdig bei Annalena Baerbock an. Bei jedem verbalen Fauxpas und allen aufgedeckten Plagiaten. Nachweisbaren Fakten also – mit etwas Anstand hätte man besser geschwiegen. Baerbock, die von allen Seiten wohlwollend mit einer Fülle von Vorschusslorbeeren überschüttet worden war, erhielt schließlich die Quittung an der Wahlurne – worauf die Kritiker sich vorwerfen lassen mussten, die letzte Chance auf die Rettung unseres Planeten vertan zu haben.

Nemi al-Hassan, Sarah-Lee Heinrich oder auch Annalena Baerbock: Alle drei erhielten als Frauen einen Startbonus. Die ersten beiden Damen auch als Menschen mit Migrationshintergrund. Sie haben nichts daraus gemacht, es selbst vergeigt, weil sie sich in ihrer Rolle zu sicher fühlten, zu unangreifbar. Allerdings haben sie den Bogen dessen, was die Allgemeinheit außerhalb ihrer Blase zu ertragen bereit war, maßlos überspannt. Wer die Fahne der Moral allzu hoch hält und einer Gruppe angehört, die sich als „besser“ als der Rest ansieht, steht eben unter genauerer Beobachtung. Es ist unglaublich dreist, mit welcher Arroganz gerade die Grünen diese einfache Regel immer wieder ignorieren.

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