Erst Klopapier, dann Nudeln, dann FFP-Masken – und jetzt Jodtabletten: Wann immer Hysterie sich mit hektischem Aktionismus verpaart, drehen Deutsche ab und fangen an zu hamstern. Dort, wo dies (wie sich jetzt zeigt) tatsächlich Sinn gemacht hätte, bei Heizöl und Sprit, wurde dies versäumt – so wie viele Haushalte nach wie vor keine Vorkehrungen für Stromausfälle getroffen haben nur die wenigsten über Notstromaggregate oder Generatoren für den näherrückenden Blackout-„Fall der Fälle“ verfügen. Dafür will man sich – um spätestens seit Corona grotesk verschobenen Risikomaßstäben Rechnung zu tragen und diffusen Ängsten zu begegnen – gegen die Eventualitäten eines Atomkriegs rüsten.
In dem Land, das sich aus völlig irrationalen und anachronistischen Sicherheitsbedenken von sauberen Kernkraftwerken mit den jahrzehntelang modernsten und sichersten Standards losgesagt hat, um seine energiepolitische Abhängigkeit vom Ausland immer weiter zu erhöhen, kaufen die Bürger daher seit knapp zwei Wochen die Apotheken leer und horten Jod-Tabletten. Es ist eine Art Übersprunghandlung – denn der Ukraine-Krieg löst bei vielen Deutschen eine derartige Angst vor einem Atomkrieg oder einer Reaktorkatastrophe in der Ukraine aus, dass sie glauben, sich zumindest vor Falloutfolgen und Strahlenkrankheit im Fall der Fälle schützen zu müssen. Als würde es dann darauf noch ankommen: Die größte Gnade in diesem Szenario wäre das sofortige Verglühen.
Laut Google hat sich nicht nur das Interesse an dem Thema seit Monatsbeginn verhundertfacht. Die Nachfrage schilddürsenwirksamen Jodprodukten hat sich ebenfalls vervielfacht. Dies ist umso bizarrer, als die die in Apotheken erhältlichen Jodtabletten bei einem nuklearen Unfall oder Erstschlag medizinisch völlig nutzlos wären. Wenn nötig, würde die entsprechende Versorgung durch die Katastrophenschutzbehörden erfolgen, die dafür rund 200 Millionen Einheiten vorhalten.
Verhängnisvolle Panikreaktion
Ihre Verteilung und Einnahme müssten dann innerhalb weniger Stunden und in hohen Dosen entsprechend des von den Behörden berechneten Eintreffens einer radioaktiven Welle erfolgen, um zu verhindern, dass sich radioaktives Jod in der Schilddrüse festsetzt, deren Zellen zerstört und so Krebs auslöst. Im Gegensatz zu den in Apotheken erhältlichen Tabletten sind diese Spezialtabletten jedoch mit 65 Milligramm Jod hochkonzentriert, während die handelsüblichen Mittel lediglich 100 bis maximal 200 Mikrogramm – ein Bruchteil dieser Dosis – enthalten.
Verhängnisvoll an dieser Panikreaktion der Verbraucher ist, dass als Folge der Nachfrage Patienten mit einer Schilddrüsenerkrankung aktuell nicht mehr mit den eigentlich für sie gedachten und lebensnotwendigen Präparaten versorgt werden können, wie Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, ausführt. In NRW hat die Strahlen-Hysterie bereits dazu geführt, dass in den Apotheken des Landes nicht nur die Tabletten selbst, sondern sogar die Rohstoffsubstanz Kaliumjodid, mit der Jodlösungen zur Desinfektion oder hochdosierte Jodidlösungen hergestellt werden, nicht mehr erhältlich sind. Die Apotheken appellieren daher, nur noch dann Jodidtabletten zu kaufen, wenn sie medizinisch notwendig sind. Ein Apotheker erklärte dazu: „Ich verstehe ja, dass die Menschen jetzt Angst haben, aber diese niedrigen Dosierungen, 100 Mikrogramm Kaliumiodid, die sie bei mir gekauft haben, würden im Ernstfall keinen Schutz bieten, es sei denn, sie würden 1.000 Stück davon schlucken.”
Indirekt trägt auch an dieser Überreaktion durch unbesonnenes Verhalten der Bevölkerung die Corona-Politik der letzten zwei Jahre eine Hauptschuld, die durch fortgesetzte Panikkonditionierung und allmähliche Verstetigung eines stressbringenden Dauer-Alarmismus eine kollektive Angststörung verursacht hat, die zu unüberlegtem und letztlich sogar schädlichen Präventions- und Vermeidungsverhalten führt.
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