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Fritz Vahrenholt *
Die dramatischen Anstiege bei den Energiekosten ärgern Verbraucher und Industrie gleichermaßen.
Doch sie sind nicht die einzige Folge einer fahrlässigen Energiepolitik.
Vor allem die Versorgungssicherheit rückt nun in den Fokus.
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Der Krieg in der Ukraine hat uns allen vor Augen geführt, wie fahrlässig die deutsche Energiepolitik in den letzten zwölf Jahren betrieben wurde. Doch schon vor dem Krieg manifestierten sich die Fehler in steigenden Preisen und in Defiziten in der Versorgungssicherheit. Allein seit Mitte des Jahres 2021 stiegen die Preise für Erdgas massiv an, bis Dezember 2021 vervierfachten sie sich. In der Folge hat sich auch der Strompreis vervielfältigt, denn immer mehr Gaskraftwerke mussten für die stillgelegten 20.000 Megawatt-Kohlekraftwerke in Europa und 20.000 Megawatt-Kernkraftwerke in Deutschland einspringen.
Schon bei der Durchführung des Doppelausstiegs aus Kohle und Kernenergie in der Ära Merkel war klar, dass der Ersatz der gesicherten Leistung der konventionellen Kraftwerke nur durch einen erheblichen Import von Erdgas gewährleistet werden könnte. Die neue Ampelkoalition verstärkte diese Erdgasabhängigkeit sogar noch, indem sie in ihrem Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 einen forcierten Ausbau von Wind- und Solarenergie ankündigte. Denn auch dieser löst das Problem der Volatilität der Erneuerbaren Energieerzeugung nicht: Wind steht eben nur mit 25 Prozent der Vollaststundenzahl des Jahres zur Verfügung, Sonne nur zu etwa zehn Prozent des Jahres. Daher hatte der Koalitionsvertrag folgerichtig einen massiven Ausbau von bis zu fünfzig neuen Gaskraftwerken vorgesehen, die über die Nord-Stream-2-Pipeline gespeist werden sollten. Der durch Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beginn des Ukrainekriegs verhängte Stopp von Nord Stream 2 hat somit eine tragende Säule der deutschen Energiewende eingerissen.
Preistreiber „Greenflation“
Inzwischen wird immer offensichtlicher, wie dramatisch die Verteuerung von Energie die privaten Haushalte und vor allem die mittelständische Industrie belastet. Doch bei den Ursachen kommt man meistens nicht auf des Pudels Kern. Der bedeutendste Preistreiber sind die europäischen Emissionszertifikate, die sich auf über 90 Euro je Tonne CO2 katapultierten. Allein durch die politisch gewollte Verknappung und Verteuerung der CO2-Zertifkate haben sich die Strompreise verdoppelt bis verdreifacht. Der Ukrainekrieg hat die Situation also nur noch weiter verschärft.
Die Bundesregierung ist nun auf dem Boden der Realität angekommen. Zwar gibt es immer noch genug Märchenerzähler wie den Bundesverband WindEnergie, der Windkraft als Lösung zur Unabhängigkeit von Russland anpreist, oder die Deutsche Umwelthilfe, die gerade gegen den Braunkohletagebau Jänschwalde klagt. Doch ist die Lage genau andersherum:
Jeder weitere Ausbau mit schwankenden Windkraftanlagen erhöht die Notwendigkeit von Backup-Kraftwerken, solange Speicher nicht zur Verfügung stehen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck scheinen diese Zusammenhänge mittlerweile klar geworden zu sein, immerhin schließt er nicht mehr aus, dass Kohlekraftwerke in Deutschland länger laufen könnten. Einer Laufzeitverlängerung der noch verbliebenen Kernkraftwerke erteilte er allerdings eine Absage. Das wäre nicht verantwortbar, assistierte die grüne Umweltministerin Steffi Lemke.
Fest steht, dass die Stilllegung der letzten Kernkraftwerke und weiterer Kohlekraftwerke die Sicherheit der Stromversorgung weiter belasten wird. Schon heute wird regelmäßig bei schwacher Wind- oder Solarstromversorgung Betrieben der Stahlindustrie und der Metallindustrie zeitweilig der Strom abgeschaltet. Immer häufiger muss die Bundesnetzagentur in die Stromversorgung eingreifen, um das Stromnetz nicht zusammenbrechen zu lassen.
Wie groß die Herausforderung ist, zeigt ein Blick auf die Quellen der deutschen Energieversorgung. Danach leisteten im Jahr 2021 Wind und Sonnenenergie gerade einmal 5,1 Prozent der gesamten deutschen Energieversorgung (Strom, Wärme, Mobilität). Dass nun Wind- und Solarenergie ohne Rücksicht auf die Natur massiv ausgebaut werden sollen, hilft da wenig. Selbst eine Vervierfachung der Wind- und Sonnenenergieanlagen wird allenfalls ein Viertel der Energieversorgung abdecken.
Was fehlt ist das Eingeständnis, dass die Energiewende undurchführbar geworden ist.
Schon vor dem Ukrainekrieg hatte Deutschland die höchsten Strompreise der Welt. Zwar gelingt es mittlerweile, Strom aus Windenergieanlagen und Solaranlagen immer günstiger zu erzeugen. Solarstrom kann hierzulande bereits zu sechs Cent je Kilowattstunde erzeugt werden, Windstrom ebenso. Doch versucht man, den Strom durch Batterie- oder Wasserstoffspeicher der Nachfrage entsprechend zu liefern, verdrei- bis vervierfacht sich der Preis. Denn auf dem Wege von grünem Strom über die Elektrolyse, Zwischenspeicherung und Wiederverstromung in einem Kraftwerk gehen drei Viertel der eingesetzten Energie verloren. Zu diesen Konditionen ist keine industrielle Produktion wettbewerbsfähig.
Kehrtwende von einem Irrweg
Es ist also höchste Zeit, sich neben der ökologischen Frage auch den zwei anderen Säulen einer nachhaltigen Energieversorgung zu widmen: der Wirtschaftlichkeit und der Versorgungssicherheit. Der Ausstieg aus der heimischen Braunkohle – „idealerweise 2030“(Koalitionsvertrag) – wird sich ohne russisches Erdgas nicht realisieren lassen. Wer sich von der russischen Abhängigkeit lösen möchte, kommt an drei Alternativen nicht vorbei:
• die Fortführung und Erweiterung der Nutzung der heimischen Braunkohle, idealerweise mit der in Deutschland entwickelten CO2-Abscheidung,
• die Nutzung der bis zu 2300 Milliarden Kubikmeter Schiefergas in Norddeutschland und unter der Nordsee,
• die Fortsetzung der Nutzung der Kernenergie und die Reaktivierung der Ende des vergangenen Jahres stillgelegten Kernkraftwerke.
Nach dem Reaktorunfall in Fukushima 2011 in Japan gab es ein einziges Land auf der Welt, das daraufhin einen Ausstieg aus der Kernenergie beschloss: Deutschland. Es war Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in einer Kurzschlussreaktion vier Tage nach dem Störfall erklärte, dass die ältesten acht Kernkraftwerke abgestellt werden sollten.
Trotz des Unfalls von Fukushima, der in Deutschland laut Reaktorsicherheitskommission niemals hätte passieren können, kamen alle anderen Kernenergieländer der Welt zu anderen Schlussfolgerungen. Spanien, Belgien, Schweiz, USA und Schweden verlängerten die Laufzeit ihrer Kernkraftwerke. Holland und Polen planen den Einstieg in die Kerntechnik. Auch Schweden, das in den 1980er Jahren beschlossen hatte, bis 2000 alle Kernkraftwerke zu schließen, hat mittlerweile den Betrieb einzelner Kraftwerke bis 2040 erlaubt. Sogar der Ersatz bestehender Kernkraftwerke ist dort nunmehr möglich.
In Deutschland war die Laufzeitverlängerung ein halbes Jahr vor dem Ausstiegsbeschluss ebenfalls erfolgt: Im Herbst 2010 beschloss der Deutsche Bundestag eine Verlängerung der Laufzeiten um acht Betriebsjahre für ältere Kraftwerke und um 14 Jahre für jüngere Kraftwerke. Danach wäre Brokdorf im Jahre 2036 vom Netz gegangen. Noch 2008 sagte Bundeskanzlerin Merkel :
„Ich halte es nicht für sinnvoll, dass ausgerechnet das Land mit den sichersten Atomkraftwerken die friedliche Nutzung der Kernenergie einstellt.“
Die Folgeschäden der Fehlentscheidung der Kanzlerin und des Deutschen Bundestages von 2011 für den Wohlstand Deutschlands sind immens. Denn in der Regierungserklärung von 2009 hatte die CDU-FDP-Koalition das Ziel der Vorgängerregierung einer 40-prozentigen CO2-Minderung bis 2020 übernommen. Ein Großteil der durch den Ausstieg wegfallenden CO2-freien Stromproduktion musste nun durch Kohle- und Braunkohlekraftwerke ersetzt werden.
Um die CO2-Ziele trotz Kernenergieausstiegs dennoch einzuhalten, mussten andere Bereiche herangezogen werden wie der Verkehr, die Wärmeversorgung und die Landwirtschaft, die mit weiteren CO2-Einsparvorgaben belastet wurden. Am Ende wurde sogar der Verbrennungsmotor geopfert, eine Schlüsseltechnologie Deutschlands.
Eine neue Kerntechnikgeneration
Mit der Stilllegung der Kernkraftwerke rückt auch das Problem der radioaktiven Rückstände in den abgebrannten Brennelementen, die in zwölf Zwischenlagern neben den Kernkraftwerken aufbewahrt werden, wieder in den Fokus. Eine neue Generation von Kerntechnologien, die inhärent sicher sind und das Endlagerproblem auflösen, wird weltweit entwickelt – nur nicht in Deutschland. Denn die bis 2011 gültige Zweckbestimmung des Atomgesetzes, die Erforschung der Nutzung der Kernenergie zu fördern, wurde ersatzlos gestrichen.
Die Kerntechnik der IV. Generation, an der weltweit geforscht wird, arbeitet überwiegend mit schnellen Neutronen. Sie sind in der Lage, auch nicht spaltbare Atomkerne durch Neutroneneinfang zu spaltbaren zu machen. Damit wäre das Problem der Reichweite gelöst, denn herkömmliche Reaktoren nutzen lediglich fünf Prozent des Urans durch Kernspaltung.
Zugleich wird aber auch das Problem des Atomabfalls gelöst, denn dieser kann als Ausgangsstoff eingesetzt werden. Selbst wenn es nicht um die kostengünstige CO2-freie Stromerzeugung durch Kernenergie ginge, müsste sich Deutschland mit dieser Technologie befassen, denn sie sichert die Umwandlung der über Zehntausende von Jahren langlebigen Rückstände in Stoffe, die bereits nach einigen hundert Jahren als abgeklungen gelten.
Ein neues Konzept der IV. Generation ist auch der Dual-Fluid-Reaktor (DFR). Er wurde als privates Projekt von Kernphysikern aus Deutschland ohne staatliche Zuschüsse entwickelt und hat mittlerweile weltweit Patente. Die Beschreibung des Reaktors durch die Erfinder liest sich wie die Beschreibung des Steins der Weisen:
• Der DFR erzeugt wie die meisten Konzepte der IV. Generation keinen langlebigen Atommüll. Im Gegenteil, er baut bestehenden Atommüll ab.
• Die Energieeffizienz ist etwa 1000 Mal so groß wie bei Stromerzeugungen auf Basis Erneuerbarer Energien.
• Das Kraftwerk ist inhärent sicher.
• Die Erzeugungskosten für Strom sollen für ein Großkraftwerk von 1500 Megawatt elektrischer Leistung bei einem Cent pro Kilowattstunde liegen.
Die Patentinhaber, die sich im privaten Institut für Festkörper-Kernphysik in Berlin organisiert haben, haben ihre Zelte mittlerweile in Vancouver in Kanada aufgeschlagen.
Nun ist die Politik gefragt
Je mehr die desaströsen Unzulänglichkeiten der Energiewende auf Wind- und Solarbasis in den nächsten Jahren zutage treten werden, umso mehr sollte in Deutschland die Offenheit kluger politischer Köpfe wachsen, sich mit einem neuen, sicheren Kapitel der Kernenergie zu beschäftigen.
Ganz dringlich ist aber die Entscheidung, die noch drei bestehenden und die drei gerade geschlossenen Kernkraftwerke fortzuführen. Zusammen würde dadurch so viel Strom produziert wie alle Solaranlagen in Deutschland – und das bedarfsgerecht sowie zu einem Bruchteil der Kosten.
Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die Grünen – die in der Bundesregierung wichtige Schlüsselpositionen innehaben – einen solchen Schritt gehen werden. Damit übernehmen sie aber auch die politische Verantwortung für den Zusammenbruch der Stromversorgung in den nächsten Jahren.
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Prof. Dr. Fritz Vahrenholt war von 1991 bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg und anschließend Mitglied im Vorstand der Deutschen Shell sowie Vorstandsvorsitzender der REpower Systems und der RWE Innogy. Seit 1998 ist er Honorarprofessor an der Universität Hamburg. Zu seinen Schriften gehört „Unerwünschte Wahrheiten. Was Sie über den Klimawandel wissen sollten“ (mit Sebastian Lüning, Langen Müller 2020). vahrenholt.net
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)* Anmerkung der EIKE-Redaktion :
Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung; 17. Juni 2022, S.3; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie dem Autor Fritz Vahrenholt für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln : https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.
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