„Hallo Leitstelle, wir haben einen verdächtigen Anhänger gesichtet. Auf der Plane steht ‚Wir schimpfen gegen das Impfen‘ und man sieht einen verdächtigen zylindrischen Behälter. Zudem ist der Kollege überzeugt, dass der Anhänger ihn angeknurrt hat!” – „Halten Sie auf jeden Fall den nötigen Sicherheitsabstand ein! Ein Hazmat-Team und die GSG9 sind per Helikopter unterwegs, in dem Behälter könnten sich aufbereitete Omikron-Kappa-Mu-Viren befinden!” – „Sollen wir das Gebiet weiträumig absperren lassen, Leitstelle?” – „Ja, und verpflichten Sie die Anwohner zum Schweigen – notfalls drohen Sie mit der Schließung aller Impfstellen!” – „Frag‘ ihn nach dem Knurren, Dennis! Das Ding hat mich eindeutig angeknurrt!”
Natürlich weiß ich nicht, ob es tatsächlich so abgelaufen ist und dies der wörtliche Dialog des Polizeifunks war – doch die reichlich skurrile Pressemitteilung der Polizei Sachsens, die die Behörde auch über Twitter verbreitete, lässt dies nicht abwegig erscheinen:
(Screenshot:Twitter)
Vielleicht war mit „Anhänger” auch der Fahrer des Wagens gemeint, welcher der Polizei der „Leugnerei“ verdächtig erschien? Eventuell sah er ja ungeimpft aus oder hatte seinen Impfausweis nicht hinter die Windschutzscheibe geklebt. Man muss heute schon Haltung zeigen, um nicht den Eindruck zu erwecken, einen Spaziergang unternehmen zu wollen. Beim ersten Lesen stellte ich mir allerdings tatsächlich einen jener kleinen Anhänger mit einer impfskeptischen Botschaft vor, so wie sie – als Werbung für Firmen oder andere Etablissements – schließlich allerorten am Straßenrand herumstehen. Warum also nicht auch so etwas als Protestplakat nutzen? Bloß sollte man darin keine Thermoskanne mit Kaffee zum Aufwärmen transportieren – sonst wittert die Ordnungsmacht am Ende bald noch Bio-Terrorismus, wenn die Hysterie sich weiter so steigert.
Gut, das Knurren des Anhängers habe ich mir ausgedacht. Ein bisschen Stephen Kings „Christine” in Sachsen – auch wenn das Szenario eher zu einer Kurzgeschichte von Ray Bradbury oder Philip K. Dick passen würde. In „Fahrenheit 451” durften Spaziergänger schließlich legal überfahren werden. Aber ich will die Gesetzgeber nicht auf noch üblere Ideen bringen als jene, die ihnen ohnehin schon im Kopf herumspuken. Gerade folge ich mit einem Auge einer Diskussion bei „Servus TV” zur Impfpflicht, die wohltuend offen verläuft (der österreichische Mateschitz-Sender hatte vergangene Woche auch eine vielbeachtete Dokumentation über Impfschäden ausgestrahlt). Ein Hauptthema der TV-Debatte: Der massive Vertrauensverlust, den viele Bürger in Deutschland und Österreich ihren Regierungen gegenüber empfinden – und ein Hauptgrund dafür sind eben jene Absurditäten und Widersprüche, wie auch die immer wieder aufgeflogenen Manipulationen bei Zahlen und Statistiken.
Dreiste Lügen und Moralpümpel
Während sogar Länder, die bisher als Hardliner der Corona-Politik galten, umzuschwenken beginnen, marschiert die Bundesregierung weiter unbeirrt voran. Man hört zum Beispiel in Deutschland nicht viel davon, dass Israel lockert und nur noch Risikogruppen besonders schützen will; in Frankreich wurde darüber weitaus mehr und ausführlicher berichtet. Bei uns wird hingegen noch immer die Moralkeule geschwungen: In einer Werbekampagne, die im Privatfernsehen rauf und runter läuft, schießt man mit schweren Geschützen auf die Ungeimpften. Ein junger Mann berichtet von seiner chronischen Erkrankung, die eine Operation nötig mache – diese müsse aber immer wieder verschoben werden, „weil die Ungeimpften die Krankenhäuser verstopfen”. Dabei handelt es sich nicht nur um eine dreiste Lüge der Macher des Werbespots, welche sich leicht selbst mit den amtlichen Zahlen des RKI widerlegen lässt (das nun wirklich nicht im Verdacht steht, mit Impfgegnern zu kollaborieren). Sondern hier werden zudem Ungeimpfte auf den Menschenwert eines Haarbüschels im Abfluss reduziert, mit dem wohl die Wenigsten angenehme Empfindungen verbinden („verstopfen“).
Gegen diese Diktion verblassen sogar die mantraartig vorgetragenen allfälligen Nazi-Beschimpfungen. Der Ungeimpfte schrumpft zu etwas zusammen, dem man mit Pümpel und ätzendem Abflussreiniger begegnen muss. Damit übertreibe ich? Wahrscheinlich nicht – denn Ziel der Macher ist es schließlich, dass man sich beim Ansehen des Spots mies fühlt. Einem Wissenschaftler wagt man eventuell noch zu widersprechen; aber hat man gerade einem chronisch kranken Menschen die rettende Operation verdorben, da hat man sich den Moralpümpel doch redlich verdient, oder?
Ominöse Gefahren
Diese Methode kennen wir schon zur Genüge aus der Diskussion um die deutsche Migrationspolitik: Die Zeiten, in denen noch mit mehr oder minder schlüssigen Argumenten versucht wurde, die Bürger von Unpopulärem zu überzeugen (Fachkräftemangel, Absicherung der Rente, etc.), sind vorbei, weil man damit in Gefahr läuft, fachlich widerlegt zu werden. Der Kritiker muss also mit Schuldkomplexen überhäuft werden: Nur er und sonst niemand ist dafür verantwortlich, wenn Menschen ertrinken oder unter schlechten Bedingungen in einem Zeltlager hausen. Jede andere Erklärung ist zu komplex. Auch manche Corona-Maßnahme war so widersinnig, dass wohl jeder Versuch, sie zu erklären, schon im Ansatz scheitern musste. Also musste sie mit ominösen „Gefahren“ begründet werden.
Ist das einer der Gründe dafür, warum Olaf Scholz entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Erfahrungen anderer europäischer Länder so stur am deutschen Kurs festhalten will (abgesehen davon natürlich, dass es sich so bequemer regieren lässt)? Man würde sich keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn man der Bevölkerung erklärte, dass man die Lage anfangs als weitaus gefährlicher eingeschätzt und daher vorgezogen habe, vorsichtig zu sein. Auch das wäre zwar – zumindest teilweise – gelogen; doch wenigstens wäre es verzeihlicher und menschlich verständlicher, weil man eben ohne totalen Gesichtsverlust aus der verfahrenen Lage herauskommen wollte. Doch statt irgendeines selbstkritischen Fehlereingeständnisses erhöht man den Druck auf die Bevölkerung immer mehr – damit diese weiterhin bei den unsinnigsten Regeln kooperiert.
Bei der Einführung der Maskenpflicht wurde noch gespottet, man könnte den Leuten auch vorschreiben, sie sollten sich gegen das Virus eine rote Clownsnase aufsetzen. Mittlerweile könnte ich mir nicht nur vorstellen, dass viele Deutsche trotz leisen Zweifels dabei mitspielen würden, sondern auch, dass irgendjemand auf die Idee kommt, diese Regelung einzuführen. Hoffentlich müssen wir nicht noch zusätzlich auf Stelzen laufen.