Horst D. Deckert

«Die Pandemie-Politik des Bundes erweist sich als vollkommen unverhältnismässig»

Immer wieder machte sich die «Swiss National Covid-19 Science Task Force» in der Vergangenheit für drastische Massnahmen stark. Massnahmen, die meistens umgesetzt wurden. Dafür stützte sich das Gremium auch auf Ökonomen, die in Lockdowns einen gesellschaftlichen Nutzen sahen. Am 7. Januar 2021 schrieben Taskforce-Ökonomen: «Der in Geldwerte umgerechnete gesundheitliche Nutzen weitergehender Lockdown-Massnahmen übersteigt gemäss unserer Schätzung die wirtschaftlichen Kosten solcher Massnahmen, und dies je nach Wirksamkeit und Ausgestaltung der Massnahmen möglicherweise stark.»

Die Basis dieser und zahlreicher weiterer Aussagen ist dünn. Dies deckten unlängst die beiden Gesundheitsökonomen Konstantin Beck und Werner Widmer auf. In der Neuauflage ihres Buches «Corona in der Schweiz» befassten sich die beiden Autoren ausführlich mit den Kosten und Nutzen der Corona-Massnahmen. Unter die Lupe nahmen Beck und Widmer dabei auch die Analysen der Taskforce. Ihre Befunde sind vernichtend.

Die Gesundheitsökonomen stellten fest, dass die Taskforce für ihre Pro-Lockdown-Empfehlungen im Januar lediglich eine Kosten-Nutzen-Analyse ab Januar 2021 gemacht hatte – gänzlich ausgeblendet wurden dabei die Kosten, welche seit der Verhängung der Massnahmen im Frühling 2020 entstanden waren. Doch es kommt noch besser: Die Methodik der Modellrechnungen der Taskforce war so ausgelegt, dass selbst bei einem Lockdown von mehreren Monaten der Nutzen höher als die Kosten gewesen wäre.

Die Taskforce ging in ihren Berechnungen davon aus, dass die Kosten des Lockdowns gleichmässig pro Woche um 0,35 Milliarden Franken ansteigen würden – dem gegenüber stellte sie den Nutzen durch die geretteten Lebensjahre. Ein Lockdown von zwanzig Wochen Dauer hätte demnach Kosten in der Höhe von sieben Milliarden Franken zur Folge gehabt, gleichzeitig wären dadurch 5700 Menschenleben gerettet worden, was in Geld umgerechnet einen gesundheitlichen Nutzen von 9,7 Milliarden Franken ergeben hätte. «Der Nutzen bleibt positiv (2,7 Milliarden)», schreiben Beck und Widmer. Entsprechend könne man die Berechnungen der Taskforce «einfach ad absurdum führen».

Ganz anders die Analyse der Gesundheitsökonomen Beck und Widmer. Sie rechneten in ihrem Buch zehn Varianten in Bezug auf Kosten-Nutzen durch. Dies mit unterschiedlichen Annahmen zur Altersverteilung, Lebenserwartung, Mehrfacherkrankungen, Sterblichkeit und so weiter. Dabei gelangten sie zum Schluss, dass nur ein einziger Fall ein Überschuss von 2,4 Milliarden Franken, und somit ein grösserer Nutzen durch Lockdowns, ergeben hätte. Beck und Widmer schreiben:

«Das ist nur dann möglich, wenn wir von der absolut unrealistischen Annahme ausgehen, Covid-19 raffe die gesunde Bevölkerung dahin. Weil diese Annahme nicht einmal von den Task-Force-Ökonomen mitgetragen wird, kann diese Variante als unrealistisch verworfen werden.»

Entsprechend hart fällt das Urteil der beiden Autoren über die tatsächliche Corona-Politik der Regierung aus: «Die Pandemie-Politik des Bundes erweist sich als vollkommen unverhältnismässig und das in einem Ausmass, wie es die Schweiz wohl noch nie gesehen hat.» Und weiter:

«Wenn es das Ziel ist, einen Baum zu fällen, so kann man das auch mit dem Abwurf einer Bombe bewerkstelligen. Das Argument, der Baum sei danach gefällt, spricht trotzdem nicht wirklich für die Wahl dieses Mittels. Für Corona in der Schweiz gilt die Abwandlung des berühmten Churchill-Zitats: Noch nie in der Geschichte der Schweiz hatten so wenige so vielen so wenig zu verdanken gehabt.»

Pikant: Angesprochen auf die falschen Prognosen, entgegnete Taskforce-Mitglied Prof. Jan-Egbert Sturm gegenüber Beck und Widmer: «Wir haben unser Papier im Dezember und Januar verfasst, also in einer Situation, in der die Schweiz mit einer hohen Anzahl von Fällen konfrontiert war.» Sturm war bis Ende Januar Vorsitzender der Expertengruppe Economics innerhalb der Taskforce. Seit Februar gehört er dem vierköpfigen Leitungsteam der Taskforce an.

Weiter wird Sturm im Buch zitiert: «Wie wir alle wissen, unterscheiden sich die heutigen Massnahmen in vielerlei Hinsicht aber von denen vom März 2020.» Deshalb seien die Annahmen des Papers aus heutiger Sicht auch nicht mehr aktuell. Auch enthalte das Papier der Taskforce Szenarien, die «keineswegs als Prognosen zu interpretieren sind».

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Buch-Hinweis:

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Konstantin Beck & Werner Widmer: Corona in der Schweiz. Plädoyer für eine evidenzbasierte Pandemie-Politik. Gammaprint, Luzern, 2. aktualisierte Auflage Mai 2021. ISBN 978-3-033-08275-5, 241 Seiten. PDF-Download des Buches hier.

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