
Mit Schuldzuweisungen ist man heute schnell dabei. Bei meinem heutigen Einkauf im Supermarkt meines Vertrauens überlegte ich etwa, ob WOHL Wladimir Putin im Kreml auf einem riesigen Thron aus Toilettenpapier sitzt und dabei literweise Kaffee mit dem Kaffeeweißer trinkt, der seit Wochen nur noch im Internet zu bekommen ist. Da rührt er dann mit einem goldenen Löffelchen in einer edlen Tasse aus chinesischem Porzellan – aus dem Privatbesitz des Zaren! – und lacht mich aus. Vielleicht haben aber auch die Grünen die kompletten Kaffeeweißer-Bestände Deutschlands nach Saudi-Arabien verkauft, um sie dort gegen Flüssiggas einzutauschen. Irgendwer muss doch die Schuld an der Verknappung tragen!
Die „heute-Show“ jedenfalls weiß ganz genau, wer für das Abrutschen unseres Landes im Ranking der Pressefreiheit verantwortlich ist. Könnte es das Medienkontrollsystem „Correctiv” sein, das in Corona-Zeiten wie ein Geier über jeglicher Virus-Berichterstattung kreiste, um angebliche „Falschinformationen“ anzuprangern, die sich kurz darauf stets als richtig erwiesen? Oder etwa das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das in seine Talkshows nur Gleichgesinnte einlädt – mit Ausnahme des einen Alibi-Andersdenkenden, der dann im empörten Gebrüll eben doch kaum zu Wort kommt? Vielleicht meinten sie auch Jan Böhmermann, der eine „Qualitätskontrolle“ für TV-Experten einführen wollte, weil einmal jemand anderes als Christian Drosten in der Corona-Arena auftreten durfte. Mitnichten liegt es auch an Redaktionen, die sich unterwürfigst entschuldigen, wenn sie einem Journalisten einmal einen zaghaft kritischen Artikel durchgehen ließen, um den Ärmsten anschließend auf die Straße zu setzen. Denn das ist ihr Recht als Arbeitgeber, jawohl! So wie Facebook ja das „Hausrecht“ über seine Postings habe und privatrechtlich sperren könne, wen es will. Da werden selbst die linkesten Linken zu knallharten „hire and fire”-Kapitalisten.
Dunja Hayali in Panik
Nein: Schuld am miesen Ranking sind vielmehr die Querdenker. Warum auch nicht? Wie jeder weiß, stehen sie nicht nur mit dem Corona-Virus im Bunde, sondern auch mit Wladimir Putin (wahrscheinlich horten sie für ihn auch besagtes Toilettenpapier und Kaffeeweißer). Wir alle erinnern uns noch, wie sie 2020 auf einer Demo in Berlin Dunja Hayali derart in Panik versetzten, dass die samt Kamerateam die Flucht ergriff, um ihr blankes Leben zu retten. Die waren ja so etwas von unfreundlich und wagten es gar, sich über die TV-Berichte zu beschweren, die Dunja über sie gesendet hatte! Es ist nicht überliefert, ob sie sogar soweit gingen, die fröhlichen Becher des ZDF-Morgenmagazins abzulehnen. Aber zuzutrauen wäre es diesen Extremisten!
Die „heute-Show“ als Bastion feingeistiger und kritischer Satire weiß das treffsicher einzuordnen. Schließlich beschäftigt sie sich seit ein paar Jahren ausgiebig mit den Umtrieben der Opposition und trägt so zum Erhalt unserer Demokratie bei. Als kleingeistiges, Höcke-affines Individuum vermag ich dieser Form intellektueller Unterhaltung seit Jahren nur noch in kleinen Dosen bei Twitter zu folgen, sonst wäre ich geistig längst überfordert. Denn schon jetzt mag es mir nicht recht gelingen, derlei Dienst an unserer Freiheit richtig wertzuschätzen: Aber das liegt sicherlich an mir, da ich noch der irrigen Vorstellung anhänge, Aufgabe von Satirikern wäre es eigentlich, die Mächtigen zu kritisieren. Moderne Satire von heute scheint hingegen – so reime ich es mir in meinem kleinen Gehirn jedenfalls zusammen – die Aufgabe zu verfolgen, das Bestehende zu bewahren und es vor Kritik zu schützen.
(Screenshot:Twitter)
So muss dann auch die Beweisführung von der Schuld der Querdenker am Niedergang der Presse verlaufen sein – denn die Presse hat in Deutschland die Freiheit, die Regierung vor lästigen Nachfragen zu bewahren. Ist ihr damit nicht eine immens wichtige Vertrauensstellung eingeräumt worden?
Wenn die „heute-Show“ uns sagt, wir wären an etwas schuld, sollten wir es uns zu Herzen nehmen – egal wie merkwürdig uns diese Zuweisung vorkommt. Denn mit dieser Schuld werden uns geradezu magische Kräfte verliehen. Wir kennen das alle aus dem Privatleben: Wer sich einem Choleriker als Prellbock verweigert, darf sich nicht wundern, wenn der noch cholerischer wird – deshalb raten uns weise Menschen, alles still zu erdulden. Ohnehin müssen wir lernen, sehr viel mehr Kritik zu ertragen, denn jeder, der uns kritisiert, handelt aus ehrenvollen, vollkommen uneigennützigen Motiven und will uns keineswegs kleinhalten; wir sind einfach kleiner und unwissender als er. Haben wir das denn noch immer nicht begriffen, nachdem uns medizinische Kapazitäten wie Karl Lauterbach mit traumwandlerischer Sicherheit unbeschadet durch die Corona-Krise geführt haben? Und keineswegs sollten wir unserer Intuition trauen, wenn diese uns sagt, dass an einer Sache etwas faul ist! Migranten bereichern uns, Impfstoffe sind sicher und Präsident Selenskij verhält sich so ehrlich wie der Papst. Wenn es eine Autorität sagt, muss es stimmen.
Am besten das Denken einstellen!
Es ist wohl am besten, das eigenständige Denken ganz einzustellen. Dann kann es zwar immer noch vorkommen, dass einem für irgendetwas die Schuld in die Schuhe geschoben wird, das man gar nicht verbrochen hat – aber man spart sich eine Menge Grübelei. Lediglich ein wenig Sensibilität dafür, in welche Richtung der Wind gerade weht, sollte man sich erhalten, um sich eine Menge Ärger zu ersparen. Dann wird bei Facebook auch nicht mehr entfreundet – weil die eigene Meinung irgendetwas Böses unterstützt, was sich durch die bloße Meinungsäußerung als solche bereits manifestiert. Diskussionen sind schädlich, denn sie weisen alternative Sichtweisen auf, welche schlichte Gemüter wie mich in die Irre weisen könnten – das steht so ähnlich schon in der ersten Sure des Koran.
Also bloß nicht querdenken! Sonst wird die „heute-Show“ richtig sauer und sieht die Pressefreiheit in Gefahr. Und dann sitzt Putin auf seinem Thron aus Klopapier und freut sich ein Loch in den Bauch. Vielleicht übernimmt er dieses Fernsehformat dann auch gleich in Russland – Olli Welke mit Bärenfellmütze wäre sicherlich ein imposanter Anblick.
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