Kriege in Europa verhindern, indem man den tief verinnerlichten aggressiven Nationalismus der vormals verfeindeten Nationen in eine einvernehmliche Zusammenarbeit umwandelt; dieses kreative Lebenszeichen von empathischer Politik fand ausnahmsweise damals nach dem Zweiten Weltkrieg Zustimmung, wurde stetig bis heute weiterentwickelt, und bleibt eine wesentliche Berechtigung der Europäischen Union. Bei der Realisierung dieses vorausschauenden Vorhabens hat man offensichtlich nicht an die Möglichkeit gedacht, dass ein aufgebrachter Nationalismus in einer eurozentrischen Gestalt die EU infizieren könnte. Von Pentti Turpeinen
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Mit Weitsicht hatten politische Denker und praktische Politiker nach all der sinnlosen Zerstörung die Einsicht durchgesetzt, dass auch traditionell in tiefe Feindseligkeiten verstrickte Nationen als kapitalistische Demokratien eine gemeinsame Basis finden können, um eine friedliche, transnationale wirtschafts-politische Zusammenarbeit zum Wohle der beteiligten Völker zu entfalten. Vertraute Eroberungskriege machten ja keinen Sinn mehr; nicht mal für die abendländischen Kolonialherren.
Es waren die neuen sozio-ökonomischen Bedingungen, die in Europa eine friedliche Zusammenarbeit unter den verfeindeten Nationen möglich machten. Der Traum vom „ewigen“ Frieden unter den EU Mitgliedstaaten konnte realisiert werden. Ja, nicht jammern und sticheln, vorwärts und sich in Freundschaften verstricken! Den humanistischen Zukunftsvisionen von damaligen und auch heutigen Politikern sei Dank, dass meine Generation seit Jahrhunderten wohl als erste in Europa am eigenen Leibe keinen Krieg erleben musste; bis jetzt.
Die transnationale wirtschaftspolitische Partnerschaft hat sich in der EU als eine völkervereinende Idee voll bestätigt und das Bekämpfen der nationalistischen Bestrebungen in den Mitgliedstaaten war eine Selbstverständlichkeit. Dabei fiel gar nicht auf, wie tief das angriffige nationalistische Gedankengut und der Eurozentrismus auch im friedenswilligen demokratischen Staats-Denken verinnerlicht sind.
Dass die Friedensinitiative EU als ein internationales Machtgebilde sich auch nach innen und außen legitimieren muss, eine „staatstragende“ Identität braucht, wurde von Anbeginn in völkerverbindenden Zielen einfühlsam festgehalten. Vorbei schienen die Zeiten, als die europäischen Nationen und Kaiser-König-Reiche ihre gloriose Einzigartigkeit in ausgrenzenden Ideologien zur Legitimation ihrer Überheblichkeit und ihrer Eroberungskriege hervorheben konnten. Im erfrischenden Gegensatz dazu will die Friedensinitiative EU die Völker zu einer friedlichen und kooperativen Zusammenarbeit zum Wohle aller einladen, ohne sich zum Retter der Menschheit zu erheben, ohne die Absicht, ihre Werte allen Völkern als universelle aufzuzwingen, nur ein positives Beispiel sein; bis jetzt.
Und sogar Politiker, die das Überwinden von tief verinnerlichten Vorurteilen unter den ehemals verfeindeten Nationen auf Russland ausdehnen wollten, fanden nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht nur unter Geschäftsleuten Anerkennung. Ja, die Idee von Völkerverständigung und friedlichem Zusammenleben sollte ihre Gültigkeit nicht an den EU-Außengrenzen verlieren. „It takes two to tango“. Auch in der internationalen Politik: Gemeinsame Ziele finden! Geschäfte machen! Lasst uns Macht-Profit-Gier friedlich regeln! Das verbindet! Ja, „those were the days, my friend“. Und heute?
Es klingt tragisch paradox, nationalistisch, eurozentrisch, abendländisch überheblich, wenn die heutige EU ihre auf dem Papier emphatische Wertepolitik mit einem „wir sind die Guten“ Image nicht nur in einen offenen Völkerhass verwandelt, sondern im Verbund mit den USA und NATO-Staaten die Welt in ihre Gefolgschaft nötigen will. Nachdem Russland, das russische Volk und seine Kultur ruiniert sein werden, haben die weitsichtigen Politiker von heute schon als nächstes China, die Chinesen und die chinesische Kultur im Visier. Den Rest der Erdenvölker auf die Seite der abendländischen Zukunftsgestaltung zu ziehen, wird dann nur ein fröhliches Nachspiel sein; denkt man. Dass der globale Süden sich von der Sanktionspolitik des Westens fern hält, sollte uns nachdenklich machen.
Die bis jetzt im Inneren erfolgreiche Friedensmission EU fühlt sich nun berufen, die Völker der Erde hinter ihre Werte zu vereinen, im Namen des Guten das Böse aus der Welt zu vertreiben; und dies aus tiefster Überzeugung, dass die eigene Definition von Gut und Böse nicht hinterfragt werden muss. Universelle humanistische Werte wurden wie selbstverständlich in westliche Werte, also westliche Betrachtungsweisen, uminterpretiert.
Dass die edelsten programmatischen Vorhaben je nach Interessenlage anders ausgelegt und missbraucht werden können, bestätigt die Erfahrung. Heute etwa so: Wir als EU wollen die Weltgemeinschaft friedlich vereinen, sind tolerant, verteidigen die freie Meinungsäußerung aller, setzen uns ein für die Versöhnung; es sei denn, es sind Russen, oder andere unliebsame Außereuropäer. Oder so: Als EU haben wir uns verpflichtet für eine antirassistische Politik, für die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, für die Förderung des Friedens, für die Völkerverständigung auf der ganzen Welt einzutreten; vorausgesetzt, es sind keine Russen, auch nicht die anderen üblichen außereuropäischen Verdächtigen.
In alltäglichen Kleinigkeiten der gegenwärtigen EU-Mentalität befreit sich etwas schamvoll Verstecktes und spricht überraschend deutlich und unwidersprochen: Die da, diese Russen und all die anderen jenseits der gut bewachten Grenzen unserer europäischen Wertegemeinschaft, das sind nicht Menschen wie wir, mit denen wollen wir nichts zu tun haben. Und wenn, sollen sie wissen, dass wir die höheren Werte vertreten!
Der europäisch-abendländische Welteroberer kennt und schätzt seit Jahrhunderten seine charakteristischen Vorzüge, fühlt sich in seine Rolle als Gestalter der zivilisatorischen Menschheitsentwicklung hinein geboren, kultiviert seit Generationen die Überzeugung, dass der Russe böse ist, untauglich, hinterhältig, unzivilisiert. Derartige arrogante Vorurteile haben ja unsere hochgeschätzten europäischen Vorfahren in ihren auserwählten großen und auch kleinen, aber immer edlen, Nationen auch gegeneinander phantasievoll gepflegt und tief verinnerlicht.
Nun ist man wieder dabei, das Selbstwertgefühl und den eigenen Stolz mittels der Demütigung anderer Völker wiederzufinden. Sehe und staune: Die EU und das Resteuropa praktizieren urplötzlich einen offen aggressiven urnationalistischen Völkerhass, einen Rassismus, den man längst überwunden meinte! Und dazu gehört, dass dies in der Öffentlichkeit zu kritisieren im bewährten nationalistischen Stil nicht mal einigen wenigen gestattet wird. Déjà vu!
Andere Gemeinschaftstiere wie Ameisen, Bienen, Elefanten, Affen, tun sich leichter als wir mit ihrem Nationsbuilding, fügen sich kreativ in ihre jeweiligen unmittelbaren Lebensbedingungen ein, überleben in einer Einheit mit der Lebenskraft. Der Mensch hat mit der Sprachfähigkeit das faszinierende Vermögen entdeckt, kommunikativ das gemeinschaftliche Leben in unterschiedlichsten Arten zu planen, sich im Geiste von der greifbaren Unmittelbarkeit zu lösen, vorausschauende Ideen zu verwirklichen, mit einzigartigen Lebensbedingungen sinnvoll zu experimentieren, schöpferische Kulturen zu entwickeln; diese Chance aber nur bedingt verwirklicht. Die Macht-Profit-Gier hat die großartigen Möglichkeiten der menschlichen Schöpferkraft in eine Eintönigkeit verwandelt. Utopien bleiben utopisch. Man hat sich angewöhnt, unsere naturgegebene Neugierde, das unerschöpfliche Erfinden und Entdecken, dem Funktionieren der Macht-Profit-Lebensweise unterzuordnen.
Es gab und gibt auf unserer Erde wundervolle Kulturen, beeindruckende Kunst, Musik, Poesie und Literatur, außergewöhnliche Denker, Erfinder und Wissenschaftler. Die aufgeklärte europäische Elite in unterschiedlichsten Nationen identifiziert auch heute wie selbstverständlich die Menschheitsgeschichte mit der Geschichte ihrer eigenen Kulturen. Vor allem mit der Geschichte ihrer welterobernden Imperien, Kaiserreichen, Königreichen, Nationen, Staaten und Machtblöcken.
Der Siegeszug des aufgeklärten abendländischen Geistes über den Rest der Welt war nach dem Zweiten Weltkrieg fast zum Stillstand gekommen. Unter normalen eurozentrischen Bedingungen hätte eine transnationale Friedensinitiative EU auch keine Chance gehabt. Die alten europäischen Kolonialmächte waren geschwächt, erniedrigt sogar, und die USA, auf sich gestellt, haben nur Angriffskriege mit dem Resultat chaos accomplished durchführen können. Heute fühlt sich der Westen als eine Transnationale Abendländische Union (TAU) unter der Führung der USA in neuer Stärke bereit, die ganze Menschheit endlich hinter den universellen Werten unseres universellen Geistes zu vereinen; die Wiedergeburt des glorreichen Abendlandes bahnt sich an.
Die vormals lokale Friedensinitiative EU, die prädestiniert war, die Bildung von transnationalen Friedensunionen rund um die Welt, in Afrika, in allen Kontinenten, zu unterstützen, darf nun international in einer Art kolonialistischem Eroberungszug in der ersten Reihe dabei sein! Die NATO wird wohl demnächst als die offizielle Armee der EU mit allem feierlichen Bumm-Drum und Dran- Bang anerkannt. Die USA und NATO haben schon vorgemacht, wie man mit tiefster moralischer Überzeugung Kriege für Frieden und Freiheit führen kann; und die eigenen Werte und Grenzen in der weiten Ferne mit Elan verteidigt. Und nun bejubeln auch wir Europäer unsere politische Elite, unsere kultivierten Frauen und Männer, die sich überzeugend in ihren Reden und Aktionen für das kompromisslose „mal kurz die Welt retten“ engagieren.
Auf eigene Opfer ist der aufgeklärte Europäer gut vorbereitet, weiß aus jahrhundertelanger Erfahrung, dass eine blühende Zivilisation eine nationalistische Opferbereitschaft verlangt, um ihre edlen Ziele zu durchzusetzen. Da alle Machtgebilde von einem positiven Image getragen werden, hat man in der eurozentristisch-abendländischen Geschichtsschreibung die eigenen Eroberungskriege, den Kolonialismus, Gewalt, Brutalität, Unterdrückung, Ausbeutung, Sklaverei, Rassismus, Völkerhass, seit jeher unkritisch und wohlwollend beschrieben. Ja, wenn man diesen Jahrhunderte währenden erdenweiten Mord, Totschlag und Raub nicht als unvermeidliche Kollateralschäden in dem Kampf für die eigenen Macht-Profit-Werte vermitteln könnte, hätte auch unsere heutige Werte-für-die-Welt Mission ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Die Friedensinitiative EU ist als treuer Partner der USA und NATO eine internationale wirtschafts-politische Macht geworden. Um auch für ihre Außenpolitik Gehör und Respekt zu schaffen, sind standhaftes Auftreten im internationalen militärischen Stil, eine entsprechende Festigung der eigenen Identität unabdingbar, nach innen und nach außen; von den USA als erfahrener Lehrmeister der diplomatischen Manieren hat man dazu schon einiges gelernt. So hat sich die EU-Politik in der öffentlichen Medienmeinung wie auch in privaten Meinungen eine Sprache angeeignet, die wie eine Mischung aus amerikanischem Exzeptionalismus und altbewährtem eurozentrisch-abendländischen Nationalismus klingt; die Wiedergeburt des Abendlandes macht sich mit unüberhörbaren Wehen weltweit bemerkbar.
In etwas Großem aufzugehen befriedet, das liegt uns und wird nun auch von der EU zur Stabilisierung der eigenen Macht kultiviert. Mit welchen simplen Sprüchen, trivialen Slogans, hochgeschätzte mächtige Imperien, Nationen und Königreiche im Lauf der Geschichte vereint werden konnten und jetzt wieder von der heutigen europäischen politischen Elite können! Sehe und staune: Sich als Verteidiger, ja sogar als Retter der westlichen Werte zu identifizieren, ist in Europa eine Selbstverständigkeit geworden, kommt auch am Internetstammtisch gut an. Dass die EU-Elite die allgemeinen Werte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens zu ihrem Machtinstrument degradiert, fällt im Inneren des Strudels nicht auf.
Eine einleuchtend nachvollziehbare Einheitsmeinung hat ihre faszinierenden Vorteile: Man weiß, worüber geredet wird, bleibt im Bilde, fühlt sich gereift für qualifizierte eigene Kommentare, erlebt sich als ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft. Und es ergreift und begeistert sogar Intellektuelle, die gültige Einheitsmeinung kreativ unterhaltsam aus immer neuen Perspektiven zu beleuchten, weiter zu entwickeln. Und die Talkshows und Medien behalten ihre aufmerksamen Zuschauer, indem sie es phantasievoll schaffen, einen immergleichen Blickwinkel in unerschöpflichen Variationen als eine neues Thema interessant zu machen.
Die transnationale Friedensinitiative EU hat gezeigt, dass die Politik die Macht hat, Menschlichkeit durchzusetzen; bis vor kurzem. In der heutigen politischen Kultur Europas wird die Oberflächlichkeit bejubelt. Zweierlei Maß hat sich als Norm durchgesetzt. Die Weitsichtigen von heute singen stolz frei nach Bertolt Brecht: Wir machen einen Plan! Wir sind ein großes Licht! Denn für dieses Leben sind wir schlau genug und haben alles im Griff!
Das Macht-Profit-Zusammenleben funktioniert am effektivsten, wenn die Mitgestalter sich auf ihre begrenzten Aufgaben konzentrieren, ihr Erkennen auf ihre jeweilige Funktion reduzieren, sich das Denken über die Vielfalt von Zusammenhängen abgewöhnen. Dass möglichst alle der gleichen Meinung sind, wird als ein Segen in alltäglicher Kommunikation empfunden. Das Einengen des gemeinschaftlichen Erkennens vereint die Gemüter, erheitert die Stimmung, wird in Liedern bejubelt, in Festreden gefeiert, erhöht die Produktivität. Und höre und staune: Diese altbewährte nationalistisch eurozentristische Art der Selbstverdummung wird nun von der Friedensmission EU und von den anderen europäischen Nationen willig und überzeugend zur Stabilisierung der Wiedergeburt des Abendlandes kultiviert.
Wie leicht es ist, von einem Denken in Zusammenhängen Abstand zu nehmen, macht die gegenwärtige politische und journalistische Elite der EU und Resteuropa uns vor. In ein paar markanten Formulierungen will die europäische politische Öffentlichkeit eine fundierte Analyse von komplexen weltpolitischen Zusammenhängen vermitteln, mit ein paar Sprüchen Völker disqualifizieren, sogar mit mehr Waffen Frieden schaffen. Die dämonisierende Einseitigkeit im Nachrichtengeschäft und in politischen Statements bei den Kriegen gegen die arabischen Staaten galt wohl als eine Art Vorübung.
Die aktuelle zukunftsweisende Weitsicht der europäischen Politik hat eine Zukunftsperspektive aus den vergangenen Zeiten wiederbelebt: Mit USA und NATO sind wir Europäer in unserem Werte-Western-Showdown gegen das Böse unbesiegbar. Und man singt gemeinsam „we are the world“ im Sinne: Gemein sind wir stark!
Selbsterzeugte Katastrophen sind die Regel in der Menschheitsgeschichte. Verwirrt stehen wir immer wieder vor Folgeschäden unseres Handelns, seien es Kriege oder Naturzerstörung, geloben Verbesserungen, loben unsere Lernbereitschaft, verbreiten Zuversicht; bis zur nächsten selbsterzeugten Katastrophe; so wie jetzt.
Unsere sehr effektiv geschmierten Macht-Profit-Gesellschaftsmaschinen funktionieren bestens ohne Rücksicht auf die Folgen des eigenen Handelns. Das Nachdenken in Zusammenhängen wird der Freiheit, einen eigenen Vorteil zu verwirklichen, untergeordnet; auch in der Politik der EU.
Mit unseren Überlebensfähigkeiten haben wir Menschen uns seit Anbeginn zu potentiell kreativen Improvisationskünstlern kultiviert. In neuen Herausforderungen charakterisiert uns der Wille, der Mut und vor allem das Können, experimentierend und phantasievoll zu handeln. Das ging ja so lange gut, wie wir die Folgen unseres Tun in der Unmittelbarkeit des Lebens überschauen konnten. Mit dem Sprachvermögen entdeckten wir die geistreiche Fähigkeit, unser Handeln kommunikativ in ferne Zeiten und Räume zu versetzen. Dass wir dabei die gewohnte Übersicht über die Folgen unseres Handelns verloren haben, fiel gar nicht auf, haben wir bis heute nicht zu beachten gelernt.
Die unterschiedlichsten Macht-Profit-Strukturen haben uns während des allzumenschlich-unmenschlichen Geschichtsverlaufs in eine produktive geistige Enge getrieben, den Überlebenskünstler zu einem Vollzugsbeamten ausgebildet, unser vielseitiges Erkennen und Handeln in die kunstvolle Intelligenz eines Spezialisten umgespult, der wundervolle Einzelleistungen vollbringen kann,. Und statt von einer gemeinschaftlichen geistigen Wachheit, wird unsere Überlebensfähigkeit von unterschiedlichsten engstirnigen Ideologien geleitet, und dies, um die Arroganz der Herrschaftssysteme zu stabilisieren; so wie jetzt.
Ein Kaiser-König-Himmel-Reich, ein Imperium, Nationalstaat, USA, China, RU, usw. ist in all der jeweiligen Komplexität nicht wahrzunehmen, nicht mal logisch vorstellend zu durchschauen. Ja, was für eine Wirklichkeit erkenne ich, wenn ich mir die EU vorstelle? Intuitiv suche ich nach einzelnen Ausdrücken, Begriffen, die meine Gesamtvorstellung von der EU repräsentieren könnten. Intuitiv gehe ich davon aus, dass ich die EU als eine zusammenhängende Einheit erkennen kann; und dann fehlen mir doch die Worte. Also weiß ich, dass mein Wissen seine Grenzen weiß. Dass unser Wahrnehmen nicht nur ein jeweiliges Objekt erfasst, sondern zugleich unser Reagieren und Interpretieren mitreflektiert, beachten wir kaum. Die nächste Entwicklungsstufe des menschlichen Geistes bahnt sich an: Das Zusammenhängende erkennen lernen.
Die EU als eine Friedensinitiative prägt mein Bild von der Union. Und das Hauptanliegen der Europäischen Union: Frieden unter den eigenen Mitgliedern zu schaffen, wurde mit Bravour erfüllt. Im Friedensnobelpreis 2012 wurde der Jahrzehnte lange Einsatz für Frieden und Versöhnung in Europa mit Recht gewürdigt; welch ein Traum wäre das für Afrika und andere politisch zerrissene und wirtschaftlich zerstörte Kontinente! Lasst uns mehr transnationale Friedensinitiativen schaffen!
Statt die Idee von einer friedlichen Zusammenarbeit gemeinsam auf der Weltbühne im respektvollen Dialog mit anderen Kulturen kreativ weiter zu entwickeln, entdecken die europäischen Völker ihre vertrauten kolonialistischen und urnationalistischen Herrschaftsgelüste. Zeitgemäß will man nun in einer globalisierten Welt mit einer globalisierten Ideologie die Herrschaft der Werte des Westens durchsetzen: „We can change the world“ singen sie und bejubeln den traditionellen Kolonialismus im abendländischen Gewand eines friedenbringenden Geistes.
Die logische Aufgabe der transnationalen Friedensinitiative EU wäre gewesen, nach eigenen Erfolgen diese Idee weltweit in die Tat umzusetzen! Als Friedensstifter hat sich die EU mit freundlicher Unterstützung der Bevölkerung disqualifiziert. Und dies mit einem euphorisch unkritischen Enthusiasmus, als ob man darauf sehnsüchtig gewartet hätte; grade das entsetzt mich zutiefst.
Welch ein friedliches Zusammenleben sich aus den weltweiten transnationalen Friedensinitiativen entwickeln könnte, hat der berühmte englische Philosoph John Lennon in seinem Werk Imagine voraus-gesungen: „imagine there’s no countries, it isn`t hard to do…nothing to kill or die for, and no religion, too…imagine all the people, livin` life in peace…I hope someday you’ll join us, and the world will live as one“.
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