“Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll”, sagt ein verunsicherter Linzer im Hinblick auf die von der Regierung zugesicherte Stromsicherheit in diesem Winter. Doch 100-prozentig fix ist diese noch nicht, gemessen an den vielen widersprüchlichen und relativierenden Meldungen.
“Wir werden über den Winter kommen” hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen noch im September aus New York getönt und damit im Nachhinein viele Österreicher verunsichert, die vorige Woche sogar aus den Systemmedien vernehmen mussten, dass sich Energieministerin Leonore Gewessler auf eine mögliche Stromverknappung vorbereitet. “Ist das Ganze nur ein Lotteriespiel?” fragen sich jetzt auch viele Oberösterreicher, denn “wenn es blöd läuft”, so las man kürzlich in einer Tageszeitung, “geht uns der Strom aus.”
Wenn es kalt wird, wird es kritisch
Da helfe dann auch Sparen nichts mehr. Immerhin bleibt die Hoffnung, dass es doch nicht zum Schlimmsten kommt. Im Moment sind die Gasspeicher zu fast 94 Prozent gut gefüllt, heißt es, was man den milden Temperaturen der letzten Wochen verdanke. Doch wenn das Wetter umschlägt, könnte es mit der Gas- aber auch mit der Stromversorgung kritisch werden. Zwar werden in diesem Winterhalbjahr 22 Prozent der Elektrizität durch Gaskraftwerke gesichert, doch 16 Prozent des Stroms werden aus dem Ausland importiert, informiert man von Seiten der Austria Power Grid (APG).
Versagen der Regierung
Allerdings: Bei den Importen ist Österreich von Gaskraft- und Atomkraftwerken abhängig. Zudem verbrauchen die Haushalte fast schon wieder so viel Strom wie in der Vor-Corona-Zeit. Man sei trotzdem zuversichtlich, sagte Gewessler, worüber viele Oberösterreicher süffisant lächeln dürften.
“Zuversicht scheint überhaupt die Handlungsgrundlage dieser Regierung zu sein”, ärgert sich eine Frau aus Wels und betont: “Nicht nur die Unternehmen brauchen Planungssicherheit, sondern auch wir Bürger.”
Doch diese ist in vielen Bereichen nicht gegeben, wofür der Russland-Ukraine-Krieg verantwortlich gemacht wird. Der Krieg, so die Erzählung, sei nicht nur der Verursacher der Stromknappheit, er sei auch schuld an der Verteuerung der Energie und ein Ende dieser Verteuerung nicht abzusehen.
Tatsächlich dürften vielmehr die Selbstmord-Sanktionen daran schuld sein – und eine Besserung ist nicht in Sicht:
Verbaucher wieder zur Kasse gebeten
Laut E-Control wird sich der Betrag für die Kilowattstunde im nächsten Jahr auf 3,49 Cent erhöhen. Damit wird der Konsument dann nicht mehr nur für den tatsächlich verbrauchten Strom zur Kasse gebeten, sondern auch für den, der beim Netztransport verloren geht. Der Verlust ist keine Schlamperei, sondern eine Gesetzmäßigkeit und hat etwas mit Übertragungswiderstand zu tun, sagen Fachleute: Der Netzverlust sei die Differenz zwischen erzeugter elektrischer Leistung im Kraftwerk und der genutzten elektrischen Leistung am Netzanschlusspunkt der Verbraucher.
Diese sollen nun auch für „die Differenz“ bezahlen, obwohl das Leben aller Bürger schon jetzt mehr als überbelastet ist – ohne Aussicht auf Besserung. Trotzdem scheint dieser neue beabsichtigte Griff zum Eingemachten niemanden groß aufzuregen. In einem Schreiben an die E-Control fordert die Arbeiterkammer zwar eine gesetzliche Änderung, damit „eine Beschaffung der Netzenergie zu angemessenen Preisen” herbeigeführt werden kann, doch Papier ist bekanntlich geduldig.
Um den Menschen diese nächste Teuerung zu verkaufen, greift das System teils zu absurden Kniffen:
Teuerungen ohne Ende
Um wieviel sich der Strom für die Österreicher verteuern wird, hängt davon ab, in welchem Bundesland er wohnt. Für die Wiener werden sich die Stromkosten um 55 Prozent erhöhen, die Oberösterreicher kommen mit einer Erhöhung um “nur” 36 Prozent etwas günstiger davon, was für die meisten freilich nur ein schwacher Trost sein dürfte. “Für mich”, so der Mann aus Linz, “werden das dann wohl immer noch um die 100 Euro sein, falls überhaupt Strom fließen wird.”