Seit die „Abrissbirne Germanys“ (Tim Kellner), Mutti Merkel, nicht mehr wie eine Krake im Kanzleramt sitzt und ihre Tentakel ins ganze Land ausstreckt, fällt auf, dass die Justiz wieder spürbar weniger Berührungsängste zu haben scheint, auch gegen Politiker der etablierten Parteien vorzugehen; namentlich der Union. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) diese Woche waren bereits der zwar überfällige, aber doch sensationelle Auftakt dieser anscheinend neuen Linie (auch wenn natürlich in den Sternen steht, was am Ende dabei herauskommt). Und gestern dann sorgte die Meldung für Aufsehen, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Durchsuchung im Innenministerium von Baden-Württemberg durchgeführt hat. Hintergrund sind hierbei laufende Ermittlungen gegen Innenminister Thomas Strobl (CDU), Schwiegersohn von Ex-Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (Strobl ist verheiratet mit dessen Tochter Christine, Programmdirektorin bei der ARD).
Strobl – dem vorgeworfen wird, das vertrauliche Schreiben des Anwalts eines hochrangigen Polizisten an die Presse weitergegeben haben, gegen den seit November wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung einer Kollegin ermittelt wird – galt bislang als quasi „unantastbar“ im Ländle. Nun bekam diese Selbstherrlichkeit Risse, als die Staatsanwaltschaft demonstrativ öffentlich mitteilte, sie habe „Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und Beweismittel sichergestellt”. Das Ministerium sei „kooperativ“ gewesen und habe die Dokumente freiwillig herausgegeben. Dieses betonte wiederum, auf „maximale Kooperation mit der Staatsanwaltschaft“ zu setzen. Strobl hatte am Mittwoch erklärt, das Schreiben selbst lanciert zu haben, angeblich um „maximale Transparenz“ zu zeigen. Die Anklagebörde hatte daraufhin erklärt, die Ermittlungen richteten sich gegen Strobl und einen Journalisten, der, auf Strobls Anstiftung, aus den amtlichen Dokumenten eines laufenden Verfahrens zitiert haben soll. Staatsanwaltliche Ermittlungen zu der Frage, wie das Schreiben an die Öffentlichkeit gelangt war, hatte Strobl zunächst per Weisung gestoppt.
Bruch der Unschuldsvermutung
Der Fall zeigt nicht nur die ungute Verfilzung der Kretschmann’schen Landesregierung mit Hof-Journalisten (wie sie allerdings in Deutschland überall gang und gäbe ist), sondern geradezu mustergültig die Kaltschnäuzigkeit, mit der sich die Saubermänner des Rechtsstaates über gesetzliche Regelungen hinwegsetzen und sich dabei anscheinend aufgrund ihres politischen Ranges für unangreifbar halten. Die Opposition in Baden-Württemberg fordert deshalb unisono Strobls Rücktritt oder Entlassung. Heftige Kritik an dem Minister kam auch von den Polizeigewerkschaften. Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, sagte: „Wäre Innenminister Strobl ein Polizist, hätte ihn das Innenministerium schon suspendiert und man hätte eine Pressemitteilung herausgegeben, die eine Rückkehr sehr schwer gemacht hätte.“ Für die Rücktrittsforderungen der Opposition habe er „Verständnis.“ Kusterer begrüßte die Ermittlungen gegen Strobl wegen der Weitergabe des Anwaltsschreibens an die Presse. Man könne den Eindruck gewinnen, „dass die Unschuldsvermutung im Innenministerium nichts gelte”, und führte weiter aus: „Der Vertrauensverlust in der Polizei, aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern wirkt schwer.“ Er plädierte dafür, dem Innenministerium das Disziplinarverfahren gegen den hohen Beamten zu entziehen und es dem Staatsministerium zu übertragen.
Außerdem geht der Gewerkschafter davon aus, dass die Anklagebehörde auch noch bislang ungenannte weitere Rechtsverstöße prüfe. Die Vorgänge im Innenministerium seien „seit geraumer Zeit mehr als nur dazu geeignet, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu erschüttern.“ An der gesamten Personalpolitik des Ministeriums bis hin zur Besetzung von Spitzenfunktionen gebe es große Zweifel. Strobl müsse sich fragen, ob er es als Jurist mit seinen Rechts- und Moralvorstellungen vereinbaren könne, als Dienstherr so mit den Persönlichkeitsrechten von Menschen umzugehen, die sich an ihn wenden. Dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz dies als vereinbar betrachteten und Strobl unterstützen, finde er „erstaunlich.“ Kretschmann hatte Strobl am Mittwoch das „volle Vertrauen“ ausgesprochen, allerdings ohne sich zu den Ermittlungen zu äußern. Die Polizei müsse sich, so Kusterer, „endlich wieder korrekt, unaufgeregt und professionell“ ihrer Aufgabe widmen können. „Wir brauchen keine Diskussion über unseren obersten Dienstherrn und wir brauchen uneingeschränktes Vertrauen auch in seine Handlungsweisen.“ FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke bezeichnete die Kritik der Gewerkschaft als „vernichtend”. Nur Ministerpräsident Kretschmann erkenne nicht, „dass dieser Minister endgültig verbrannt ist. Dieses Misstrauensvotum kann er nicht ignorieren. Wie lange will er noch zuschauen?„
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