Das “runde” Stiftungsfest der Burschenschaft Gothia, das am vergangenen Wochenende in Wels über die Bühne ging, machte erneut deutlich, dass Studentenverbindungen alles andere als aus der Zeit gefallen sind. Mehr denn je müssen heute Freiheiten und Bürgerrechte wieder verteidigt werden.
Der Wettergott meinte es gut mit der schlagenden Welser Burschenschaft Gothia – er ließ es regnen! Diese Tatsache hat der Verbindung vermutlich eine ungestörte Feier zu ihrem 100. Stiftungsfest beschert. Bei dem vorherrschenden nasskalten Wetter schien auch den obligatorischen linken Krawallmachern die Lust auf Krawall vergangenen zu sein. Warum hätten diese auch lautstark demonstrieren sollen? Weil ein ordentlich eingetragener Verein in aller Ruhe und ohne Aufhebens seinen Gründungstag feierte?
“Wir sind alle Demokraten und bei allem Traditionsbewusstsein, das wir haben, leben wir im hier und heute”, betonte ein “Alter Herr” der “Ghibellinia” (Wien). Als “Alte Herren” werden alle Mitglieder einer Studentenverbindung bezeichnet, die ihre Studien abgeschlossen haben. Der Herr mit dem ich rede ist ein erfolgreicher Unternehmer, der mich ersucht, seinen Namen nicht zu schreiben – aus Sicherheitsgründen. “Unsere Bude (Vereinslokal – die Red.) wird nämlich mehrmals im Jahr angegriffen und beschmiert”, erläutert er: Sich in der Öffentlichkeit als Burschenschafter zu deklarieren und aufzutreten sei mittlerweile ziemlich riskant geworden.
Andere randalieren
“Dabei sind es doch nicht wir, die auf die Straße gehen und randalieren”, betont er: “Niemals käme unsereins auf so eine Idee, denn unsere Burschen sind zum Anstand und zur Einhaltung der guten Sitten verpflichtet. Wir sind keine Ewiggestrigen! Wir haben nichts gegen andere Lebensweisen und Überzeugungen. Aber das Recht, eine Überzeugung zu haben und unser Leben nach unseren Grundsätzen und unter Einhaltung der gesellschaftlichen Regeln zu leben, dürfen auch wir für uns in Anspruch nehmen.”
“Füxe” brauchen Stütze
Für einen traditionsbewussten jungen Menschen ist es heute gar nicht leicht, in der Gesellschaft gleichgesinnte junge Leute zu finden, räsoniert ein sogenannter Fux der Ghibellinia. Als “Fux” oder auch “Fuchs” werden die Probemitglieder einer Studentenverbindung bezeichnet. Der, mit dem ich plaudere, ist 18 Jahre jung und ein Beschäftigter im öffentlichen Dienst. Der Verbindung trat er bei, weil hier noch die Tradition und die Kameradschaft gepflegt werde, wie er feststellt. Das schweiße zusammen.
„Die Verbindung ist den meisten jungen Leuten eine Stütze bei dem Bemühen, ein Leben im aufrechten Gang zu bewältigen und dabei auf die tradierten Werte nicht zu vergessen”, bestätigt ein anderer “Alter Herr”.
Das sieht auch Georg Parzmayr so, der Altherrenobmann der Gothia Wels. Man wolle die Jugend für die Bewahrung der Freiheit sensibilisieren, sagt er, was heute nötiger sei denn je. Die Erklärung dazu gibt es beim Festkommers am Samstagabend in der Welser Stadthalle, wo Festredner Elmar Podgorschek von der “Germania” in Ried erklärt: “Die totalitären Tendenzen vor allem in Form von sozialistischen Modellen mit allen Ausprägungen und Facetten sind gegenwärtig im Vormarsch und haben in unterschiedlicher Form beinahe alle politischen Lager erfasst.”
Neuer Faschismus
In der Bevölkerung sei leider schon geraume Zeit das Einheitsdenken ausgerufen worden, bedauerte seufzend jener ältere Herr der “Ghibelina”, wogegen man sich wehren müsse, so die allgemeine Ansicht der Burschenschafter. Insofern seien die Verbindungen auch nicht aus der Zeit gefallen, hatte mir schon Georg Parzmayr beim “Begrüßungsabend” im Welser Lokal “sGerstl” meine Frage beantwortet.
Dass der Faschismus heute wieder im Vormarsch ist, ist unter Verbindungsleuten Common Sense, wenn auch nicht im Gewand der Vergangenheit. Wenn der Faschismus wiederkehre, zitierte Podgorschek den italienischen Sozialisten Ignazio Silone beim Festkommers, dann wird er nicht sagen, ich bin der Faschismus, sondern er wird als Antifaschismus in Erscheinung treten. Von daher müssten die heutigen Antifaschisten, von denen in Wels kaum was zu bemerken war, eigentlich gegen sich selbst demonstrieren, meinte einer der Stiftungsfestteilnehmer, der wie Festredner Podgorschek der Überzeugung ist, dass die Freiheit des Denkens und Handelns allerorten in Gefahr sei. “Die Bedrohungen kommen aus allen Richtungen.”