Horst D. Deckert

Furchtbare Juristen – damals, heute, morgen

Deutsche Richter im Eifer des Gefechts (Symbolfoto:Shutterstock)

Furchtbare Juristen”: So lautet der Titel eines Standardwerks von Ingo Müller über die deutsche Justiz unter den Nazis und darüber, wie willfährig sie sich verhielt und wie wenig Widerstand sie leistete. Das Werk erschien 1987. Müller übernahm diesen Begriff von dem Dramatiker Rolf Hochhuth, der den damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Hans Filbinger, als „furchtbaren Juristen” bezeichnet hatte (wer mehr darüber wissen will, googelt einfach „Filbinger-Affäre”). Der Slogan wurde 1978 zu einem geflügelten Wort, das in Büchern und Medien auch auf die Verstrickungen anderer Berufsgruppen in die NS-Verbrechen übertragen wurde – etwa „furchtbare Beamte” für Bürokraten, „furchtbare Lehrer” für gewalttätige Pädagogen, „furchtbare Ärzte” für teilweise verurteilte Mediziner, die im Dritten Reich bei Menschen-Versuchen KZ-Häftlinge ermordeten.

Mit Ruhm haben sich unsere Juristen im Dritten Reich nicht bekleckert. Für viele war der Übergang von der Diktatur ins Nachkriegsdeutschland sehr geschmeidig. Exemplarisch sei Hans Globke genannt, der an den Nürnberger Rassegesetzen beteiligt war und 1953 zum Beamteten Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramtes berufen wurde. Adenauer hatte damit kein Problem. Mit rheinischer Nonchalance (neudeutsch für „Ihr könnt mich alle”) kommentierte er die Debatte so: „Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, solange man kein sauberes hat.” Globke blieb bis 1963 im Amt.

Am 16. März 1945, sieben Wochen vor dem Kriegsende, wird Walter Gröger wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt. „Der leitende Offizier bei der Vollstreckung war derselbe Mann, der als Staatsanwalt im Feldkriegsgericht die Todesstrafe gegen den Marinesoldaten Gröger beantragt und so die Mitverantwortung zur Verschärfung eines voraufgegangenen milderen Urteils, acht Jahre Zuchthaus, übernommen hatte. Sein Name steht unter dem Protokoll: Dr. Hans Filbinger, damals Marinestabsrichter, heute Ministerpräsident von Baden-Württemberg”, schrieb der „Spiegel” 1978. Kommentar von Filbinger: „Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein!”.

Furchtbare Juristen 2021

Wo sind sie heute, die Juristen mit Cojones (neudeutsch für „Eier”), die dem Moloch Staat kräftig auf die Finger hauen, wenn er nach den Grundrechten schnappt? Kann es sein, dass mit Verordnungen die Menschenrechtsartikel einfach im Vorübergehen außer Kraft gesetzt werden können? Was sind das für Juristen, die den Familienrichter Christian Dettmar in Weimar mit Hausdurchsuchungen (zweimal!) drangsalierten? Was sind das für Juristen, die den Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg strafversetzen, nur weil er die Sinnhaftigkeit von Coronamaßnahmen hinterfragt hat? Was sind das für Juristen, die Polizisten von ihrem Amt suspendieren, nur weil die sich erlauben, eine eigene Meinung zu haben?

Wo sind die Juristen, die einer Frau Alena Buyx erklären, dass Grundrechte keines Schonbezugs bedürfen? Und wo sind die Juristen, die dem Weltärztechef Frank Ulrich Montgomery klarmachen, dass seine ÄußerungTyrannei der Ungeimpften” bei Anne Will den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB erfüllt? Darin heißt es: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.” Was hört man von dem Juristen Frank-Walter Steinmeier, der billigend in Kauf nimmt, dass die Spaltung des Volkes paranoide Züge annimmt? Das Barmen an Gedenkstätten ist für ihn wichtiger als der Zustand „seiner” Republik. Er ist eben kein Heinemann.

Woke Juristen 2200

Man erlaube mir diesen Zeitsprung. Wenn alle heute handelnden Akteure im besten Mannes- oder Frauenalter gestorben sind und nur noch die heutigen Azubis beim RKI, bei den Gesundheitsämtern und weiteren Behörden ihrem einhundertsten Geburtstag entgegensehen, werden sie eine amtliche Vorladung erhalten, in der steht, dass sie wegen Beihilfe zur Errichtung einer Coronadiktatur angeklagt sind. Dann werden eloquente Richter und Staatsanwälte über sie herfallen und ihnen erklären, dass damals jeder mit gesundem Menschenverstand erkennen konnte, dass nicht nur gegen den Nürnberger Kodex verstoßen wurde, sondern gegen das damals (noch) gültige Grundgesetz und die Menschenrechte.

Der Ethikrat und die Ständige Impfkommision werden zu kriminellen Vereinigungen erklärt, weil sie nicht für die ethischen und gesundheitlichen Belange von Teilen der Bevölkerung eingetreten sind, sondern sich feige dem Diktat des damaligen Regimes gebeugt haben.

PS. Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zu erfahren ist, soll sich eine Cancel- Culture-Gruppe (neudeutsch für „Bilderstürmer”) formiert haben, die das Ziel hat, die nach Wieler und Drosten benannten Straßen in Wodarg-Allee und Bhakdi-Damm umzubenennen. Die Gruppe kann mit der Unterstützung des Zentralrates der Nachkommen von Corona-Impfopfern rechnen.

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