Veranstaltungen in Hotels werden abgesagt, spontan einkehrende Wanderer in Wirtshäusern nicht mehr verpflegt und Lunch-Pakete für Reisegruppen können kaum noch geschnürt werden – dies alles sind Auswirkungen des Personalmangels, der auch die Gastronomen in Oberösterreich zu ungastlichen Verhaltensweisen zwingt.
Überall sei die Lage angespannt, bestätigt auf Nachfrage Helmut Platzer, Aufsichtsratsvorsitzender der Tourismusverbandsregion Wels. Unlängst sei eine Ausflüglergruppe im Mühlviertel wandern gewesen, erzählt er. Diese habe bei seinem Schwager, der den Guglwaldhof betreibt, einkehren wollen, um zu jausnen. Wegen fehlenden Personals habe der Wirt die hungrige Wandergruppe aber leider nicht bedienen können. Wegen Personalmangels hat unlängst auch Iris Porsche ihr kleines und feines Hotel in Mondsee für immer geschlossen. Nach qualifiziertem Personal fahnden derzeit 88 Prozent der heimischen Betriebe, besagt eine Studie der Österreichischen Hotelier-Vereinigung (ÖHV).
Mitarbeiter auch mit höheren Löhnen kaum zu Ködern
„Ich bin überzeugt“, sagt Platzer, „dass auch in Wels jeder Betrieb zwei, drei Leute brauchen würde.“ Was ist da bloß los? Warum bekommt die Branche nicht mehr genügend Mitarbeiter? Weil sich die Arbeitswelten in der Gastronomie und Hotellerie gerade verändern, sagen Fachleute. Dieser Prozess habe auch schon lange vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie begonnen, doch diese hätte das Problem beschleunigt und verschärft. Nunmehr sind Hoteliers, Wirte und ihre Mitarbeiter, nicht zuletzt auch deren Gäste gezwungen, sich auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen, um auch in Zukunft voneinander profitieren zu können. Die Branche befindet sich gerade im totalen Umbruch. Mit Geld allein sind Mitarbeiter heute nicht mehr zu ködern, sind sich die Hotel- und Gaststättenbetreiber einig, die schon längst mehr als den Tariflohn zahlen. Gerade setzten die Gehälter zu einem neuen Höhenflug an, ergänzt ÖHV-Präsident Walter Veit.
Neue Arbeitsbedingungen und Konzepte
Wenn also nicht Geld das Problem für den Arbeitskräftemangel ist, was ist es dann? Sind es die Arbeitsbedingungen? Vor allem von jungen Bewerbern wird die in der Gastronomie übliche Vollzeitarbeit schon seit Langem skeptisch betrachtet, weiß Wolfgang Mazal, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien. Durch die vielen Lockdowns in der jüngsten Vergangenheit sei zudem das Vertrauen in die Nachhaltigkeit von gastronomischen Tätigkeiten und Beschäftigungen gesunken, erläutert er, weshalb jetzt bis zu 35.000 Mitarbeiter im heimischen Tourismus fehlen sollen. Was können Unternehmer dagegen tun? Flexibel sein, sich nötigenfalls umorientieren und Mut zur Produktdifferenzierung zeigen, rät Professor Mazal. Wie das gehen könnte, erläutern Branchenexperten, die von mehr Ruhetagen in der Hochsaison reden und auch von weniger À la carte-Küche. Für die bessere Planbarkeit in den Gaststätten wären künftig auch Reservierungen als Standard hilfreich und durch mehr Self-Sevice-Konzepte könnten die Teuerungen, unter der auch die Gastronomen stöhnen, abgefedert werden.
Gäste müssen umdenken
Aber auch von den Kunden der Hotelbetriebe und Gaststätten wird neuerdings Umorientierung gefordert: Die Gastronomen wollen die Kunden weniger als Könige erleben, denen gedient werden müsse, sondern vielmehr als Gäste, die das Angebot der Mitarbeiter auch zu würdigen wissen, erläutert Mazal, was auch Peter Jungreithmair, der Geschäftsführer der Tourismusverbandsregion Wels, unterstreicht. Unlängst, berichtet er, habe ein Wirt eine komplette Stammtischgesellschaft an die Luft gesetzt, weil diese seinen Kellner unentwegt sekkierte. Dieses rigorose Verhalten wurde vom Wirt mit den Worten entschuldigt, dass er zwar genug Gäste hätte, aber kein Personal. Daher sollten Gäste lernen, die in der Gastronomie erbrachten Leistungen wertzuschätzen, rät der Welser Tourismusverbandschef.
Geänderte Öffnungszeiten und felxiblere Arbeitszeiten
„Der Wertewandel in der Gesellschaft, die Digitalisierung, die demografische Entwicklung und viele weitere Faktoren verändern die Arbeitswelt und den Arbeitsmarkt“, gibt man vonseiten des AMS zu bedenken: Im Tourismus sei die Dynamik gerade besonders hoch und fordere Betriebe, Beschäftigte und Arbeitsuchende gleichermaßen. Viele Gastronomen in Österreich haben daher den Stier bereits mutig bei den Hörnern gepackt und stellen sich den Herausforderungen wie beispielsweise das Hotel-Restaurant Prielmayerhof in Linz, wo Patron Johann Aspalter nur noch mittags Gäste bewirtet. In Afiesl hat Bergergut-Chefin Eva-Maria Pürmayer in ihrem Haus schon im vorigen Herbst die Fünftagewoche eingeführt und in anderen Hotels schätzen Mitarbeiter nicht nur die hohe Flexibilität bei der Urlaubsplanung, sondern auch die gezielten Angebote und Teilzeitmodelle für Mitarbeiterinnen, die nach der Karenz wieder in den Beruf zurückkehren wollen.
Arbeitnehmer können auswählen
Um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, muss man in der Lage sein, an vielen Schrauben zu drehen, betonen die Fachleute unisono: „Heute müssen sich die Unternehmen bei den Talenten bewerben, nicht umgekehrt“, heißt es. Und die Talente wissen auch genau, was sie wollen: Jobsicherheit, flexiblere Arbeitszeiten und eine bessere Work-Life-Balance bei angemessener Bezahlung. Denn mehr noch als Geld zählt bei den Mitarbeitern heute eine nachhaltige Betriebsausrichtung und der dort gepflegte Ton und Umgang, bestätigt Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. Der Traunkirchner Hotelier Wolfgang Gröller, der mit seiner vornehmen Herberge „Das Traunsee“ recht erfolgreich ist, verhätschelt seine Angestellten sogar mit einer Unterkunft in einem eigenen Mitarbeiterhaus, um sie besser an den Betrieb binden zu können. „Attraktive Unterkünfte samt Verpflegung – beides kostenlos – sind die Regel, wenn neun von zehn Qualitätshotels um Beschäftigte werben“, bekräftigt Veit.