
Zugegeben: Auch ich leide oft unter dem „Habt mich lieb“-Syndrom. Das ist diese Verfasstheit, in der man eben nicht dem eigenen Gewissen oder Verstand folgt, sondern sich ständig verrückt macht, ob jemand einen gerade für ein verrohtes Monster, dumm oder gar beides hält. Im Grunde ist das verschwendete Lebenszeit, in der man sinnvoller Ideen entwickeln, ein Buch lesen oder ein Schläfchen halten könnte. Allerdings heißt es zwar „Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt sich’s völlig ungeniert“ – aber wer will das schon wirklich? Es sind schließlich gerade jene Menschen, die vollkommen ungeniert an uns herumkritisieren, welche uns so auf die Palme bringen.
Ob mich jemand als „rechts“ bezeichnet, ist mir mittlerweile ziemlich egal – was nicht immer so war. Da brachte ich diese Zuordnung noch selbst mit Gewaltbereitschaft und Intoleranz in Verbindung, ein Framing, das auch jetzt noch bei vielen verfängt. Reflexhaft werden deshalb auch als Antwort auf unbequeme Themen rechtsgerichtete Attentate in Stellung gebracht, so etwa die Ermordung Walther Lübckes oder der Angriff auf die Synagoge von Halle. Auch anlässlich der Verwüstung einer Kirche in Thüringen durch einen afghanischen Migranten konnte man dies heute wieder beobachten, allein die Erwähnung reichte aus. So als müsse man fortan zu jeder Untat schweigen, die nicht von Rechtsextremisten begangen wurde. Es ist die gleiche Taktik, die auch bei linken Krawallen angewandt wird, als habe man durch NSU-Morde und den Anschlag von Halle „jetzt was gut“.
Was wir wollen – und was wir nicht wollen
Eigentlich sollte diese Masche an uns abprallen, denn wir wissen selbst, dass wir mit Gewalttätern nichts gemein haben. Politische Gewalt, seien ihre Motive noch so „edel“, endet in der Regel in einem nicht enden wollendem Blutbad, das war bei der französischen Revolution so und nimmt im Zuge islamistischer Attentate die gleiche Dynamik an. Aber das ist es gerade, was wir nicht wollen; stattdessen fordern wir Schutz vor Gewalt ein, egal, ob sie mit Messer oder Brandsatz daher kommt.
Dennoch fällt es noch immer vielen „Rebellen“ schwer, darauf zu pfeifen, ob sie als rechts bezeichnet werden. Anders als bei den Zuschreibungen „faschistisch“ oder „rassistisch“, die ebenso inflationär verteilt werden, sollte allerdings mittlerweile eine gewisse Gelassenheit eintreten. Für Menschen, die einen Migrationshintergrund haben, ist die Zuschreibung „rechts“ allerdings noch ein Stückchen schwerer zu ertragen. Islamkritiker wie Hamed Abdel Samad, Necla Kelek oder auch Ahmad Mansour, aber auch die liberale Muslima Seyran Ates, die den nachstehenden Tweet verfasste, werden immer massiver damit angegangen. Man kann sagen, der Druck wächst mit dem Offenbarwerden der verfehlten Migrationspolitik, vor der sie stets gewarnt haben.
(Screenshot:Twitter)
Das ist nicht nur in Deutschland so. Gestern sandte mir eine Facebook-Freundin ein Interview mit Alain Finkielkraut zu, der mittlerweile an zwei Fronten kämpft: Für arabische Einwanderer in Frankreich ist er als Jude der Feind, für identitäre Linke ein „Rassist“, weil er ersteres offen benennt und dafür eintritt, dass nicht nur Europa seine Kultur bewahrt, sondern auch die einzelnen Nationalstaaten ihren eigenen Charakter. „Frankreich soll französisch bleiben und Deutschland deutsch„, sagt er. Ein Satz, für den ihm auch hier das Nazi-Etikett sicher wäre. Immerhin, in Frankreich sitzt man noch nicht allzusehr in der Schraubzwinge von staatlichen Medien und linken „Intellektuellen“ – man hat es hauptsächlich mit letzteren zu tun.
Immerhin: In Deutschland wird langsam die zweite Zuordnungsfalle löchrig, deshalb ist es wohl kein Zufall, dass ausgerechnet jetzt der Fall Attila Hildmann in den Medien wieder hochgekocht wird, als letzte Geheimwaffe, um Gegner der staatlichen Corona-Politik zu diskreditieren. Man muss jedoch schon sehr medienhörig sein, um etwa Sahra Wagenknecht mit ihm in einem Atemzug zu nennen, die es tatsächlich wagte, die Überlastung der Intensivstationen auf den Pflegenotstand und nicht die Pandemie zurückzuführen. Der neueste Abweichler ist Richard David Precht, der sich gegen die Impfung von Kindern aussprach. Man darf leise Hoffnungen haben, dass wenigstens in diesem Bereich die Drohmechanismen etwas abstumpfen – und auch viele Prominente einfach keine Lust mehr haben, sich unter Druck setzen zu lassen.
Leider besteht unter den Diffamierten aber noch immer zu wenig Solidarität. Nicht in dem Sinne alles gutzuheißen, was von anderen „Parias“ verkündet wird (einiges, was von den sogenannten „Neurechten“ kommt, ist auch mir zu stramm) – aber dahingehend, einander Fairness zu zeigen. Aus der eigenen erzwungenen Einordnung die Erkenntnis zu schöpfen, wie schnell so etwas geht und dem anderen eine Chance zu geben. Keine Wagenburg zu bilden, aber auch nicht reflexhaft alles von sich zu weisen, um gutes Wetter zu machen. Die Unterdrückung von Ideen muss endlich beendet werden, und das geht nur, indem der Gegner merkt, dass wir keine leichte Beute mehr sind.