
Dieser Tage stößt die zweifellos mutige Aktion der russischen Kriegsgegnerin Marina Ovsyannikova („Marina Mutig“ titulierte „Bild“ sie sogleich anerkennend) fast überall auf einhellige Zustimmung und Bewunderung. Ovsyannikova soll selbst Mitarbeiterin des Staatsfernsehens gewesen sein; ihr Vater ist Ukrainer, ihre Mutter Russin. Dass sie unmittelbar nach ihrem „Auftritt” verhaftet wurde, nach eigenen Angaben 14 Stunden ohne Anwalt verhört und anschließend wegen „Aufrufs zu einer verbotenen Demonstration” zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubel (etwa 256 Euro) verurteilt wurde, war noch nicht alles: Ihr droht nun auch noch eine langjährige Haftstrafe.
So couragiert ihr Coup auch war, mitten zur besten Sendezeit die Hauptnachrichtensendung „Wremja” für einen – natürlich verbotenen – Protest gegen die russische Invasion in der Ukraine zu nutzen und während der Live-Sendung im Hintergrund ein entsprechendes Plakat hochzuhalten, auf dem zu lesen stand „Nein zum Krieg! Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen“, so aufgesetzt und doppelmoralisch muten allerdings die journalistischen Solidaritätsbekundungen und Lobhudeleien an. Insbesondere bei Anhängern der Grünen, die sich über ihre Verhaftung besonders lautstark empören.
Der Balken im eigenen Auge
Denn es sind wieder genau die, die bei anderen die Splitter im Auge sezieren und den Balken im eigenen Auge nicht wahrhaben wollen: So wie ja Telegram als famoses Medium der oppositionellen Vernetzung gefeiert wurde, wenn es sich um den Regimewiderstand in Hongkong oder Weißrussland handelt, jedoch plötzlich zum Werkzeug rechtsextremer Schwurbler mutiert (und darum verboten gehört), sobald sich deutsche Demonstranten darüber verabreden, oder so wie verbotene Demos unter dem Vorwand von Corona-Maßnahmen in Russland pfui, in Deutschland jedoch hui sind: So wird auch Subversion gegen den Staatsfunk anderswo zur Tugend.
Dabei braucht es wenig Phantasie, um sich vorzustellen, was wohl hierzulande los wäre, wenn etwa ein „Querdenker”, „Impfgegner” oder AfD-Anhänger im „Tagesschau”-Studio während der laufenden Sendung protestieren würde – gegen die Corona-Beschränkungen, gegen Impfzwang oder gegen Massenmigration. Und ob er anschließend viel anders behandelt würde, ist gar nicht einmal sicher im besten Deutschland aller Zeiten, wo der „Kampf gegen Rechts“ und alles, was dafür gehalten wird, zum obersten Staatsziel erhoben wurde: Zwar würde gewiss keine lange Haftstrafe drohen – die berufliche und gesellschaftliche Existenz der betreffenden Person wäre jedoch restlos vernichtet. Und keine Sekunde würde hinterfragt, ob ihr Protest vielleicht gerechtfertigt sei.
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