Horst D. Deckert

Hauptsache keine Hilfe von „rechts“: Bürgermeister schreiben Wutbrief an Merkel

Der verzweifelte Wutbrief von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus dem Ahrtal an die Kanzlerin bezeugt die entsetzliche Diskrepanz zwischen Ideologie und Realpolitik, zwischen leerem Geschwätz und konkreten Inhalten, zwischen wohlfeilen Ankündigungen und tatsächlicher Hilfe, die für die Politik in diesem Land so typisch geworden ist. Materiell, personell und strukturell hapert es bei den Hilfen an allen Ecken und Enden, eine ganze Region wird nach dem billigen Wahlkampfauftritten Merkels und anderer Katastrophentouristen im Stich gelassen, die Bundesregierung kümmert sich wieder um wichtigere Aufgaben wie der Weltenrettung vor Viren und CO2, statt sich um das Leid der eigenen Bevölkerung zu sorgen.

Die Flutkatastrophe im Ahrtal und den umliegenden Regionen hat quasi unter dem Brennglas die unheilige Melange aus galoppierendem Staatsversagen und moralischem Rigorismus offenbart, die für dieses Deutschland 2021 geradezu typisch ist: Zuerst bleiben alle Warnungen aus, heulen weder Sirenen noch erfolgt irgendeine Alarmierung der Bevölkerung durch Zivilschutz oder öffentlich-rechtliche Medien. Und wenn dann Milliardenschäden mit hunderten Toten und Vermissten zu beklagen sind: Dann gilt die größte Sorge der Politik der Bekämpfung des Klimawandels – und dass, vor allem, bloß nicht die falschen Helfer mit anpacken.

Dass „rechte Aktivisten“ im Krisengebiet vermutet wurden, dass THW-Helfer und andere Freiwillige als vermeintliche Querdenker, Reichsbürger oder sonstige verdächtige Elemente angefeindet wurden und im Zweifel lieber auf anpackende Hände verzichtet wurde, als dass solche mit „menschenverachtender Gesinnung“ zum Einsatz kamen, trug am Ende auch dazu bei, dass dringend benötigte Hilfe ausblieb und sich manch ein hilfsbereiter, aber politische unzuverlässiger Bürger mit seiner Solidarität lieber zurückhielt. Das ethische Handlungsprinzip „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ hat in diesen Zeiten ausgedient.

Fakt ist, und die Bürgermeister stellen dies in ihrem Brandbrief in schonungsloser und nie zuvor so gelesener Deutlichkeit heraus: Bei der konkreten Hilfe, sowohl finanziell, materiell als auch organisatorisch-personell, liegt aktuell so ziemlich alles im Argen. Die groß versprochene Unterstützunng von Bund und den Ländern ist bislang Mangelware. Außer „Anzeichen aus der Politik, von Bund und Land“ für Direkthilfen ist nichts zu sehen. Die Kommunalpolitiker bringen es auf den Punkt: „Wenn wir das Ausmaß der Zerstörung sehen, ist klar, dass all die bisherigen Hilfen und deren Organisation nicht ansatzweise ausreichen werden„, zitiert „Bild“ aus dem Brief.

Zorn über ausbleibende Hilfe und Fassungslosigkeit über vermeidbare Katastrophe

Die Verzweiflung der Anwohner ist grenzenlos und ihre Wut ist es ebenfalls – wie die gestrigen Empörungstiraden von Bürgern auch im nordrhein-westfälischen Swisttal anlässlich des dortigen Besuchs von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet offenlegten. Die rheinland-pfälzischen Bürgermeister berichten sogar von Selbstmorden nach der Katastrophe, weil sich die Menschen von der Politik im Stich gelassen fühlen und nicht mehr weiter wissen. Besonders schwer wiegt die mittlerweile feststehende Gewissheit, dass das Unheil, insbesondere die menschlichen Verluste absolut vermeidbar gewesen wären – wenn es in diesem Land, das sich selbst als Avantgarde der globalen Rettung bei Migration, Diversität und Energiewende sieht, das alles bürokratisch überreguliert und einen der größten Anteil Beschäftigter im öffentlichen Sektor aufweist, auch nur ansatzweise effiziente Verwaltungsstrukturen oder so etwas wie einen funktionierenden Katastrophenschutz gegeben gäbe.

Dass die Bürgermeister den zuständigen Verantwortungsträgern in Bund und Land erst ins Stammbuch schreiben müssen, was dringend zu tun ist, ist ein nicht minder schlimmes Armutszeugnis – denn in diese Richtung geschah bislang von staatlicher Seite überhaupt nichts. Immer wieder ist in den zerstörten Gebieten die Kardinalfrage zu hören, die sich viele Bürger stellen: „Wo bleibt die Fluthilfe? Bei uns ist nichts angekommen!„, zitiert „Bild“ aus O-Tönen vor Ort. Die Bürgermeister fassen in ihrem Brief weitere dringliche Punkte zusammen: Kredite „für Weggeschwemmtes“ müssten abbezahlt werden. Zur Versorgung der Bevölkerung über den Landweg müssten Behelfsstraßen angelegt werden, weil der Großteil des Straßennetzes zerstört ist. „Die Gefahr von Seuchen und Krankheiten steigt mit jedem Tag, da eine intakte Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung in großen Teilen nicht mehr existent ist„, heißt es da – und dementsprechend steige „auch die Angst in der ohnehin schon stark traumatisierten Bevölkerung.“ Krankenhäuser seien kaum einsatzbereit, es gäbe keine intakte Notversorgung mehr. Bildungsangebote für Schüler sind nicht mehr gegeben.

Wohlgemerkt: Dies sind keine Hilferufe aus dem Kongo, aus Äquatorialguinea oder Sumatra – sondern aus dem besten Deutschland aller Zeiten. (DM)

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