Die Ampel-Koalition bemüht sich nach Kräften, ein neues Arbeitsprekariat an geringfügigen Beschäftigten in Deutschland zu schaffen, das keine vollwertige soziale Absicherung hat, keinen adäquaten Kündigungsschutz – und ebenso schnell wieder „entsorgt“ wie angeheuert werden kann: Genau dies nämlich ist die Folge der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Anhebung der Minijob-Grenze auf 520 Euro monatlich. Die neue Obergrenze ragt in den bisherigen Bereich der sogenannten Midi-Jobs hinein (monatliche Einkommen zwischen 501 und 550 Euro), in den bislang (Stichtag 31.12.2020) 162.000 deutsche Beschäftigte fallen, und schließt fortan auch die im Bereich zwischen bisheriger Minijob-Grenze (450 Euro) und Midi-Job-Schwelle liegenden Beschäftigten ein, deren Zahl zum Jahresende 2020 rund 134.000 betrug.
Die Anhebung der Grenze auf 520 Euro ist eine Folge des stehenden Mindestlohns, weil im bisherigen Rahmen die Zahl der Arbeitsstunden geringfügig Beschäftigter immer weiter abnahm: Seit 1. Januar 2021 betrug der gesetzliche Mindestlohn 9,50 Euro, seit 1. Juli 2021 sogar 9,60 pro Stunde. Was für Firmen Flexibilität verheißt und für Nebenjobber praktisch ist, ist allerdings für den Arbeitsmarkt insgesamt eher nachteilig – denn ausgehend von den oben genannten Beschäftigtenzahlen, die bislang zwischen 450 und 520 Euro als Teilzeit- bzw. Midi-Jobber regulär sozialversichert waren, fallen fortan bis zu 200.000 sozialversicherungspflichtige Jobs in den kündigen Minijob-Geltungsrahmen und werden in geringfügige Stellen umgewandelt.
Kaum noch planbare Erwerbsgrundlagen
Dies ist zumindest die Befürchtung der Bundestagsfraktion der Linkspartei auf der Grundlage von Daten der Bundesagentur für Arbeit, wie die „Rheinische Post“ berichtet – doch anders als bei vielen Fehlprognosen dürfte sie diesmal tatsächlich recht haben. Denn mit jeder Anhebung der Verdienstgrenze werden Minijobs attraktiver – doch zugleich auch sichere Beschäftigungsverhältnisse als planbare Erwerbsgrundlage immer seltener. Die Folge sind tendenziell das aus dem angelsächsischen Raum bekannte Phänomen der „Working Poor” sowie eine Zunahme des Trends hin zur Annahme mehrerer Mini- und Aushilfsjobs von ein und demselben Arbeitnehmer, um über die Runden zu kommen (oder natürlich gleich der Weg in Hartz 4, vulgo fortan „Bürgergeld“).
Und da der ständig steigende Mindestlohn sowie die infolge der Corona-Krise künftig absehbar explodierenden Lohnnebenkosten für Unternehmen Festanstellungen immer teurer machen, wird die Verlagerung der Arbeitsleistung auf Aushilfskräfte stetig lohnenswerter. Dieser Effekt lässt sich an der wachsenden Zahl an geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ablesen: Ende September 2021 waren deutschlandweit bereits 6,2 Millionen gewerbliche Minijobs angemeldet; vor allem seit Beginn der sogenannten Pandemie Anfang 2020 war ihre Zahl merklich gestiegen.