Horst D. Deckert

Hyperinflation kann viel schneller passieren, als man denkt

(Auszugsweise)

Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Hyperinflation. Ein weit verbreiteter Massstab besagt jedoch, dass eine Hyperinflation vorliegt, wenn die Preise in einem einzigen Monat um 50% oder mehr steigen. Wenn also Benzin im Januar $3,00 pro Gallone, im Februar $4,50 pro Gallone und im März $6,75 pro Gallone kostet und die Preise für Lebensmittel und andere lebenswichtige Güter im gleichen Tempo steigen, würde dies als Hyperinflation angesehen werden.

Hyperinflation neigt auch zur Beschleunigung, wenn sie erst einmal begonnen hat, d.h. der monatliche Anstieg von 50% wird bald zu 100%, dann zu 1.000% usw., bis der reale Wert der Währung völlig zerstört ist. Jenseits dieses Punktes hört die Währung auf, als Währung zu funktionieren und wird zu Abfall, der nur noch für Tapeten oder zum Anzünden von Feuern gut ist.

Viele Investoren gehen davon aus, dass die Hauptursache für Hyperinflation das Drucken von Geld durch Regierungen ist, um Defizite zu decken. Das Drucken von Geld trägt zwar zur Hyperinflation bei, ist aber keine vollständige Erklärung.

Der andere wesentliche Bestandteil die Umlaufgeschwindigkeit. Wenn die Zentralbanken Geld drucken und dieses Geld in den Banken verbleibt und nicht von den Verbrauchern genutzt wird, kann die tatsächliche Inflation niedrig sein.

Dies ist die heutige Situation in den USA. Die Federal Reserve hat die Basisgeldmenge seit 2008 um mehr als 6 Billionen Dollar ausgeweitet, davon allein 3 Billionen Dollar seit letztem Februar.

Aber es ist relativ wenig reale Inflation daraus entstanden, oder zumindest sehr wenig offizielle Inflation. Das liegt an der Abnahme der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Die Banken haben nicht viel Geld verliehen, und die Verbraucher haben nicht viel von dem neuen Geld ausgegeben. Es bleibt einfach in den Banken liegen.

Gelddrucken führt erst zu Inflation und dann zu Hyperinflation, wenn Verbraucher und Unternehmen das Vertrauen in die Preisstabilität verlieren und mehr Inflation erwarten. An diesem Punkt wird Geld für laufenden Konsum oder harte Vermögenswerte verwendet, wodurch sich die Umlaufgeschwindigkeit erhöht.



Wenn die Inflationsgeschwindigkeit in die Höhe schnellt, wachsen die Erwartungen auf mehr Inflation, und der Prozess beschleunigt und verstärkt sich selbst.
Im Extremfall geben die Verbraucher ihren gesamten Zahltag für Lebensmittel, Benzin und Gold aus, sobald sie ihn erhalten.

Sie wissen, dass ihr hart verdientes Geld vernichtet wird, wenn sie es auf der Bank liegen lassen,. Entscheidend ist: Hyperinflation ist nicht nur ein monetäres Phänomen, sondern in erster Linie ein psychologisches.

Hyperinflation betrifft nicht alle gleichermassen. Es gibt verschiedene Gruppen von Gewinnern und Verlierern.

Die Gewinner sind die Besitzer von Gold, Devisen, Land und anderen Sachwerte. Die Verlierer sind diejenigen mit festen Einkommensansprüchen wie Ersparnissen, Renten oder Versicherungspolicen.

Schuldner gewinnen bei einer Hyperinflation, weil sie ihre Schulden mit entwerteter Währung abbezahlen. Gläubiger verlieren, weil ihre Forderungen entwertet werden.

Hyperinflation tritt nicht sofort auf. Sie beginnt langsam mit einer normalen Inflation und beschleunigt sich dann gewaltsam, bis sie zur Hyperinflation wird. Dies ist für Anleger wichtig zu verstehen, da ein Grossteil des Schadens an ihrem Vermögen tatsächlich in der Inflations- und nicht in der Hyperinflationsphase entsteht. Die Hyperinflation der Weimarer Republik ist ein gutes Beispiel dafür.

Im Januar 1919 lag der Wechselkurs der deutschen Reichsmark zum US-Dollar bei 8,2 zu 1. Im Januar 1922, drei Jahre später, lag der Wechselkurs bei 207,82 zu 1. Die Reichsmark hatte in drei Jahren 96 % ihres Wertes verloren. Nach der Standarddefinition ist dies keine Hyperinflation, da sie sich über 36 Monate erstreckte und nie 50% in einem einzigen Monat betrug.

Ende 1922 setzte die Hyperinflation ein, als die Reichsmark von 3.180 zu einem Dollar im Oktober auf 7.183 zu einem Dollar im November stieg. In diesem Fall verlor die Reichsmark in einem einzigen Monat die Hälfte ihres Wertes und erfüllte damit die Definition der Hyperinflation.

Ein Jahr später, im November 1923, lag der Wechselkurs bei 4,2 Billionen Reichsmark für einen Dollar. Die Geschichte neigt dazu, sich auf das Jahr 1923 zu konzentrieren, als die Währung um 58 Milliarden Prozent entwertet wurde. Aber bei dieser extremen Hyperinflation von 1923 ging es nur darum, die verbleibenden 4 Prozent des Volksvermögens in immer schnellerem Tempo zu vernichten.

Der wirkliche Schaden wurde von 1919-1922 angerichtet, vor der Hyperinflation, als die ersten 96% verloren gingen.

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James G. Rickards ist der Herausgeber von Strategic Intelligence. Er ist ein amerikanischer Anwalt, Wirtschaftswissenschaftler und Investmentbanker mit 35 Jahren Erfahrung an der Wall Street. Er war der Hauptvermittler bei der Rettung von Long-Term Capital Management L.P. (LTCM) durch die US-Notenbank im Jahr 1998.

Auf deutsch sind von ihm erschienen:

Währungskrieg (2012), Die Geldapokalypse (2014), Gold (2016), Der Weg ins Verderben (2017), Nach dem Kollaps (2017), Die neue grosse Depression (2021)

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Rickards veröffentlicht den täglichen Newsletter «Daily Reckoning», dem dieser Text auszugsweise entnommen ist.

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