
So, Herr Striegel, bitte zeigen Sie mich auch an, denn ich habe Nazi-Sachen gepostet! Ein Bild von Rohrnudeln mit Pflaumen. Gemeinhin glaubt man in der Öffentlichkeit, Hitlers Lieblingsessen sei grüner Salat mit Grießnockerln gewesen, jedoch: Meine Recherchen haben ergeben, dass er noch viel lieber das süße Hefegebäck aß. Hätte ich das nur ein paar Jahre früher gewusst! In unserer Kantine gab es für die Vegetarier nämlich mittags ebenfalls oft Süßspeisen anstatt eines Auflaufs mit leckerem Käse. Da machten viele Kollegen lange Zähne – und dabei hätten wir einfach nur gegen den nationalsozialistischen Essensterror rebellieren müssen:
„Pfannkuchen mit Apfelmus
sind so schlimm wie Hitlergruß!
Die echte Nazi-Hasser-Truppe
labt sich gern an Erbsensuppe!“
Dazu noch zwei erzwungene Veggie-Days pro Woche – wenn das nicht in den Fußstapfen Hitlers wandelt, weiß ich auch nicht weiter! Erfunden haben das die Grünen und dabei hat der allgegenwärtige, ihnen in die Genetik gepflanzte Nazi-Detektor offenbar kläglich versagt. Im Ernst, ich glaube, die Grünen führen gemeinsam mit den Linken tatsächlich Datenbanken, in denen alles erfasst ist, was Hitler, Goebbels, aber auch der Ortsgruppenleiter von Oer-Erkenschwick jemals gesagt oder getan haben soll.
Womit ich beim Thema bin: Sebastian Striegel, Grünen-Vorsitzender in Sachsen-Anhalt, der sich gern mal auf das Aussterben der Deutschen freut (und unseren Staat offenbar so verachtet, dass er ihn durch Annahme von dessen Geld noch weiter schwächt), hat Anzeige gegen Björn Höcke erstattet. Dieser hatte in einer Rede in einer Aneinanderreihung von „Alles für…”-Aufrufen auch Deutschland aufgeführt. Nun haben „Alles für Deutschland” schon eine Menge Leute skandiert. Es war etwa auch der Kampfruf des zum Schutz der Weimarer Republik gegründeten „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold”. Was sich für heutige Grüne wie eine Nazi-Wehrsportgruppe anhört, war tatsächlich eine Kampfeinheit der SPD. Allerdings entwendete später die SA ihren Slogan (die Nazis klauten gerne einmal den Arbeitern Vertrautes – so auch die Melodie des Horst-Wessel-Liedes). Aber auch im „Neuen Deutschland” war der Satz noch 1946 zu lesen. Wahrscheinlich gerade, weil er sich richtungsübergreifend in seiner allgemein gehaltenen Form als Aufruf eignet.
„Alles für Deutschland” als Chiffre des Bösen?
Herr Striegel aber ist überzeugt (oder will überzeugt sein), dass „Alles für Deutschland” aus dem Munde von Darth Thuringious Höcke nur in finsterer hitleresker Absicht geäußert worden sein kann. Denn: Als Geschichtslehrer muss auch Herr Höcke eine Nazi-Aussagen-Datenbank im Kopf haben. Ja, wir Historiker sind in unserer Gesamtheit Universalgelehrte wie einst Theodor Mommsen, und in Deutschland grundsätzlich auch auf das Dritte Reich spezialisiert – selbst wenn unser Fachschwerpunkt eigentlich auf dem Mittelalter oder der jungen deutschen Demokratiebewegung des 19. Jahrhunderts liegen sollte. Immerhin traut Herr Striegel uns eine umfassende Bildung zu.
Denn das, was heute als „naziartig“ gilt, ist nicht immer auf den ersten Blick als solches zu erkennen. Da kratzt sich selbst der strammste NPDler ratlos den blankpolierten Kopf. Deshalb wurde von Linken der Begriff des „Dog Whistleling” ins Spiel gebracht: Dies sollen Formulierungen sein, die nur von einem kleinen Kreis von Menschen in ihrem eigentlichen Sinn verstanden werden können, eine Art Codewort also. Dem Begriff „Globalisierung“ wurde eilig ein solches Etikett angeheftet, nachdem Luisa Neubauer mal eben Hans-Georg Maaßen zum Antisemiten gestempelt hatte. Weil sie den Beweis schuldig blieb, musste schnell einer gefunden werden – und so wurde ein Wort, das noch kurz vorher neutral einen Vorgang beschrieb, plötzlich zum Unwort, zur „antisemitischen Chiffre” deklariert. Und plötzlich meint die „antifaschistische“ Blase, das sei es stets gewesen. Ozeanien ist im Krieg mit Eurasien. Ozeanien war schon immer im Krieg mit Eurasien!
Die „Antifaschisten“ trauen ihren Gegnern sprachliche Feinheiten zu, die bei den wirklich harten Kalibern nicht im Ansatz zu finden sind. Hartgesottene Antisemiten etwa wollen schließlich eher mit dem Holzhammer darauf hinweisen, dass sie jetzt gerne etwas „Verbotenes“ sagen würden, und begleiten das gern mit einem verschwörerischem, dumpfen Hö-hö-hö-Lachen wie Franz Schönhuber weiland, wenn er von „den Leuten aus der Fasanenstraße” sprach. In Berlin wusste dann auch der allerletzte Gesinnungsgenosse, dass er von der größten jüdischen Gemeinde in der Stadt sprach, die ihn, den Aufrechten, gar furchtbar unterdrücken wolle. Wenn das seine Wirkung nicht verfehlen soll, muss es sofort ins Auge springen. Propaganda macht bekanntlich nur Sinn, wenn sie möglichst breit gestreut wird.
Trotz regt sich
Schon unter diesem Gesichtspunkt verfehlt das „Dog Whistleling“ seinen angeblichen Zweck. Da müsste schon ein Szenario gegeben sein wie im Spionageklassiker „Telefon” mit Charles Bronson: Als russische Schläferin mutiert die scheinbar brave Hausfrau auf die ihr per Anruf mitgeteilte Parole, buddelt die seit Jahren unter den Begonien im Garten versteckte Bombe aus und jagt damit eine Militärbasis in die Luft. Hierzu musste sie allerdings vorab per Hypnose vorprogrammiert werden. Hat Herr Maaßen das im Keller des Verfassungsschutzes auch getan – Hausfrauen zu Schläferinnen umprogrammiert, damit sie auf das Stichwort „Globalisierung“ hin zu antisemitischen Zombies mutieren und den Thermomix zur thermonuklearen Bombe umbauen? Das wäre dann doch eher ein Job für den Iran.
Allerdings: Es beginnt sich Trotz zu regen. Schon auf dem Gymnasium hatten wir Schülerinnen einen saumäßigen Spaß daran, uns im Kunstunterricht einen Pinsel unter die Nase zu halten und Hitler-Sprech zu imitieren, weil das bierernste Lehrer auf die Palme brachte. Den Hitler-Dybbuk, der den Deutschen noch immer anhaftet, kann man am besten durch schräge Parodie entlarven – und die Linken und Grünen, die ihm in Hassliebe verbunden sind, ebenfalls. Auch Provokation kann ein Mittel des Aufbegehrens sein. Eine jüdische Freundin sprach bei Sonnenschein gern augenzwinkernd von „Führerwetter“. Andere haben einfach keine Lust mehr, sich der Sprachpolizei zu beugen. Dazu bedarf es keiner Nazi-Formulierungen; es reicht schon, einfach die Deutschland-Allergie links-grüner Kreise zu triggern, die fleißig daran arbeiten, Hitlers Testament zu vollstrecken: Deutschland nicht mehr auf die Füße kommen zu lassen, auch wenn es vernünftige Wege einschlägt.
Im Ausland wird diese Selbstsabotage oft mit Befremden betrachtet. Auch in Deutschland lebende Migranten finden den Selbsthass ziemlich irre. Im Judaistik-Seminar fragte eine Studentin den amerikanisch-jüdischen Professor einmal ganz verängstigt, ob sie in Israel vegetarisch essen dürfe. Dem Mann stand einige Sekunden die Verwirrung ins Gesicht geschrieben, bis er begriff, dass dies wieder so ein „Hitler-Ding“ war. Soweit ich mich erinnere, war er damals kurz vor einem Lachkrampf – denn Israelis lassen sich ihr Essen gewiss nicht von toten Nazis verleiden. Vom jüdischen Trotz könnte Sebastian Striegel noch was lernen. Dann würde er entspannter durchs Leben gehen und hoffentlich den Rest der Welt in Ruhe lassen.