Lesen Sie hier einen Auszug aus meiner Autobiografie “Ich bin Deutscher. Wie ein Linker zum Patrioten wurde”. Erscheint Anfang Mai. Bis morgen, 31. März, gibt es das 580-seitige Buch zum Vorzugspreis von 24,95 Euro statt 29,95 Euro. Hier vorbestellen.
Auszug aus meiner Autobiografie “Ich bin Deutscher”. Hier schildere ich meine frühen Erfahrungen im Geschlechterkampf.
Feminismus am Pinkelbecken
Wissen Sie, was die erste überregionale Demonstration war, zu der mich, den Pennäler, die Genossen 1974 mitschleppten? Es ging nicht um Vietnam oder Chile, nicht um Antifa oder Berufsverbote – es ging um den Paragrafen 218! Ein paar hundert Leute waren nach Karlsruhe zum Sitz des Bundesverfassungsgerichtes gezogen, nachdem die Union ein Verbot der sogenannten Fristenlösung erwirkt hatte. Die versammelten Feministinnen, aber auch wir Sympathisanten des Kommunistischen Bundes (KB) als ihr Wurmfortsatz wollten die komplette Streichung des Paragrafen – also das Recht auf Tötung ungeborenen Lebens im Mutterleib. Ist das nicht ungeheuerlich, dass man uns als Teenager, selbst noch halbe Kinder, für die Straffreiheit von Babymord auf die Straße schickte?
Elsässer Biografie – erscheint Anfang Mai. Bis 31.3. zum Vorzugspreis vorbestellen.
Und das, was wir plakatierten, ging als krimineller Unsinn noch weit über das hinaus, was andere Linke propagierten. So stand etwa die DKP nur hinter der Fristenlösung der sozialliberalen Koalition, also der Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten drei Monaten, und der KBW forderte eine Neuregelung der Frage über direkte Demokratie: „Kinder ja oder nein, das muss Sache des Volkes sein!“ Wir setzten dem entgegen: „Kinder ja oder nein, das muss Sache der Frauen sein!“ – also ein „anarcha-feministisches“ Laissez-faire im Widerspruch zum Tötungsverbot des Christentums, ja sogar ohne jede Absprache mit dem Vater, der das Baby gezeugt hatte. Der Krieg der Geschlechter hatte begonnen, und wir führten ihn an vorderster Stelle mit…
Kampf den Stehpinklern
Die feministischen Anwandlungen des KB führten uns einige neue Mitglieder zu, das heißt, der eingeschlagene Kurs der Hinwendung zu den Neuen Sozialen Bewegungen zahlte sich auch hier auf den ersten Blick aus. Doch verheerender war, dass im Gegenzug der Feminismus unser eigenes Weltbild zum Schlechten veränderte. Bei allen sonstigen Dummheiten und Verbrechen waren die Kommunisten nämlich auch im Westen bis 1968 sehr familienfreundlich, und im Ostblock blieben sie es bis zum Schluss.
Der Feminismus war nicht nur eine abstrakte ideologische Kontamination, sondern setzte sich aggressiv bis in die Verästelungen der persönlichen Verhältnisse durch. Dazu passt eine Posse, ebenfalls aus dem Jahr 1974: Wie bereits beschrieben, war ich im KB-Vorläufer Bund demokratischer Jugend (BDJ) in Pforzheim Büchereiverantwortlicher geworden. Im verratzten BDJ-Zentrum befand sich ein ebenso verratztes WC. Darin plakatierte ich Buchwerbung, um die Leute zum Lesen und Ausleihen von Neuerscheinungen zu animieren. Besagte Toilette war unisex, denn eine zweite konnten wir uns nicht leisten. Da der Raum trotzdem ein Pissoir enthielt, habe ich auch dort eine Wandzeitung angebracht, man wollte schließlich keinen Platz verschenken. Meine Überschrift dort lautete: „Für alle, die auch im Stehen pinkeln.“ Wenige Tage später hatte ich einen Frauenaufstand am Hals. Die wütenden Damen beschwerten sich über diese „Diskriminierung“– als ob ihnen was weggenommen worden wäre, weil über dem Pinkelbecken noch eine zusätzliche Info angebracht war. Ich musste das Ding abnehmen, der Feminismus hatte gesiegt.
Seit den 1970er Jahren demonstrierten Feministinnen und Linke immer wieder gegen den Paragrafen 218 und forderten eine Freigabe der Abtreibung. Hier eine Kundgebung in Aachen im Jahr 1986, am Megafon «Emma»-Herausgeberin Alice Schwarzer. Foto: FrauenMediaTurm
Alice Schwarzers “Kleiner Unterschied”
Schließlich wurde der feministische Diskurs auch als Sprengzündung im BDJ missbraucht. Wie im vorigen Kapitel ausgeführt, hatte nach den internationalen Siegen der Kommunisten in Vietnam und anderswo im Verband eine Debatte begonnen, ob es überhaupt noch eine separat antifaschistische Organisation wie den BDJ bräuchte oder wir nicht besser alle in den KB übertreten sollten. Der Streit schwelte, aber explodierte nicht – bis er an einer gänzlich unerwarteten Front neu eröffnet wurde. Einige weibliche Mitglieder, die ohnehin zum KB tendierten, forderten plötzlich auf einem unserer Treffen: „Wir müssen jetzt das Buch “Der kleine Unterschied” von Alice Schwarzer diskutieren!“ Dabei handelte es sich um ein Traktat schmalen Umfangs, das sich zum feministischen Bestseller entwickelte, weil es die Unmöglichkeit eines vaginalen Orgasmus postulierte und die Penetration als rein männliches Vergnügen unter Vergewaltigungsverdacht stellte. Wir Typen dachten alle: „Was hat das mit uns zu tun?“ Wir wollten politische Strategien diskutieren und diese Frauen brachten ein verqueres Sex-Thema? Wollten die uns ärgern? Natürlich haben wir das so nicht gesagt.
Die Schwarzer-Fans setzten uns bald massiv unter Druck, verlangten von uns eine Ablehnung des vaginalen und Unterstützung des klitoralen Orgasmus. Ich weiß nicht mehr, ob sie uns gezwungen haben, das Buch zu lesen oder nur daraus vortrugen. Jedenfalls mussten wir Halbstarken, die in dieser Hinsicht keinerlei Ahnung hatten, über unsere „Erfahrungen“ mit Petting und Penetration berichten – und eine Erklärung abgeben, wie wir künftig damit umgehen wollten. Unter dem Druck habe ich natürlich gesagt: „Ja, äh, das ist gut mit dem klitoralen Orgasmus.“ Die älteren Genossen, die mehr vom Sex verstanden als wir Grünschnäbel, versuchten die aufgeregten Schwarzer-Epigoninnen zu bremsen – und setzten sich genau dadurch als Machos ins Unrecht. Dummerweise – oder war das beabsichtigt? – waren das auch die Vertreter einer nicht-kommunistischen Orientierung des BDJ. Jetzt hatten sie sich auch noch als Frauenfeinde entlarvt! Mit ihrer Delegitimation war der BDJ zumindest in Pforzheim nicht mehr zu halten, die Mehrheit lief zum KB über. Feminismus war als hinterfotziges Mittel im Linienkampf missbraucht worden…
Elsässer, der Frauenfeind
Die weiteren Auswüchse sollte ich am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Ende 1982 trennte ich mich von meiner damaligen Freundin Tilda, einer Amerikanerin. Wir waren drei Jahre zusammen, sie war eine wunderbare Frau – aber ich, der 25-Jährige, war einfach noch zu umtriebig, um mich dauerhaft an eine 17 Jahre Ältere binden zu wollen: Ich verliebte mich in Ute, die später meine Frau werden sollte, und machte Schluss mit Tilda.
Die KB-Regionalorganisation in Baden-Württemberg fand das gar nicht gut und lud mich zum Verhör vor. Die Initiative ging nicht von meiner Ex aus, sondern im wesentlichen von Männern, die unbeweibt waren und von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten, sowie einer feministischen Genossin, die später für “Emma$”schreiben sollte. Das Verhör glich einem Tribunal. (Weiterlesen im Buch)
Jürgen Elsässer: Ich bin Deutscher. Lieferbar ab Mai
Wie ein Linker zum Patrioten wurde. Jetzt vorbestellen zum Vorzugspreis (statt 29,95 Euro nur 24,95 Euro, nur bis 31. März)!
Die große Autobiographie von COMPACT-Chef Jürgen Elsässer – eine faszinierende Reise durch die letzten 50 Jahre, vom Kalten Krieg über die Wiedervereinigung bis zum Great Reset. Viele Personen der Zeitgeschichte hat Elsässer persönlich kennengelernt, mit ihnen zusammengearbeitet, gestritten, sie interviewt: Jürgen Trittin, Slobodan Milosevic, Hermann Gremliza, Oskar Lafontaine, Mahmud Ahmadinedschad, Ken Jebsen, Frauke Petry, Günter Gaus, Sahra Wagenknecht, Björn Höcke, Daniel Goldhagen, Peter Scholl-Latour, Alice Weidel, Götz Kubitschek, Martin Sellner, Michel Friedman, Oliver Janich, Xavier Naidoo, Egon Bahr.
Nur Elsässer erlebte aus nächster Nähe, wie die Linken ihre Ideale verrieten und sich mit den Eliten verbündeten – und wie die AfD im Morast des Parlamentarismus an Boden verlor. In der Freiheitsbewegung gegen die Corona-Diktatur sieht er die Chance für einen neuen revolutionären Aufbruch.