In Spanien hat die Inflation einen neuen Höchststand erreicht. Im Oktober stiegen die Preise im Vergleich zum Vorjahr um 5,5% und erreichten damit ein Niveau, das es seit September 1992, also seit 29 Jahren, nicht mehr gegeben hat. Dies geht aus den vorläufigen Daten hervor, die am vergangenen Donnerstag vom Nationalen Statistikinstitut (INE) veröffentlicht wurden.
Diese Inflation, die von kritischen Wirtschafts- und Finanzexperten schon zu Beginn der «Pandemie» als Reaktion auf die Corona-Massnahmen vorhergesagt wurde, befindet sich in Spanien schon seit März im Aufwärtstrend.
Man müsse viele Seiten im Kalender umblättern, um Präzedenzfälle für den weltweiten Anstieg der Inflation zu finden, erklärt die Tageszeitung El País. In Deutschland, das seine Daten ebenfalls an diesem Donnerstag veröffentlicht habe, liege sie bei 4,6% und damit in der Nähe des Niveaus zu Zeiten der Wiedervereinigung. Im Falle Spaniens, das in jüngster Zeit eine viel dichtere Geschichte des Preisanstiegs aufweise, müsse man bis 1992 zurückgehen, dem Jahr der Expo in Sevilla und der Olympischen Spiele in Barcelona.
In Erwartung der Daten aus den Nachbarländern bewege sich die Inflation in Spanien seit April auf einem höheren Niveau als im Euroraum. Im Juli erreichte sie 2,9%, in den neunzehn Ländern der Eurozone betrug sie im Durchschnitt 2,2%. Im August verringerte sich der Abstand (3,3% in Spanien gegenüber 3% in der übrigen Eurozone), und im September beschleunigte er sich wieder (4% in Spanien, 3,4% in der Eurozone). Spanien übertreffe bereits die Septemberzahlen für die USA (5,4%), wo die Anreize stärker gewesen seien, einschliesslich der direkten Aushändigung von Schecks an Dutzende Millionen Verbraucher, konstatiert El País.
Danach liess die Tageszeitung einige Experten zu Wort kommen, die sich dazu äusserten, wie lange die Inflation anhalten wird. Sowohl die Europäische Zentralbank als auch die US-Notenbank gehen demnach davon aus, dass es sich um ein «vorübergehendes Phänomen» handelt, das im Wesentlichen auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass die Preisniveaus «in den Spiegel des Pandemiejahres blicken», in dem der Verbrauch aufgrund der Lockdowns stark zurückgegangen ist.
«Jeder Vergleich mit 2020 ist verzerrt», sagte der Vizepräsident der EZB, Luis de Guindos, im Sommer.
Auch US-Finanzministerin Janet Yellen rechnet «mit einer Preismoderation in der zweiten Hälfte des Jahres 2022». Die EZB-Volkswirte orakeln ebenfalls, dass sich «die Inflation bald abschwächen wird», obwohl sie ihre ursprünglichen Schätzungen übertroffen hat und auf 2,2% im Jahr 2021, 1,7% im Jahr 2022 und 1,5% im Jahr 2023 nach oben korrigiert werden musste.
Auf der anderen Seite würden «die so genannten Falken» vor der Gefahr einer Inflationsspirale warnen, wenn die Preiserhöhungen auf die Löhne und andere Produkte abgewälzt werden und so ein «Teufelskreis» entstehe, der sich selbst wieder aufschaukele, gibt El País preis.
Zu diesen «Orthodoxen» würden auch Institutionen wie die Bank of Canada gehören, die ihre Konjunkturmassnahmen beschleunigt zurücknehme, nachdem sie am vergangenen Mittwoch davor gewarnt habe, «dass die Inflation nicht so schnell abklingen könnte».
«Die wichtigsten preistreibenden Faktoren (höhere Energiepreise und pandemiebedingte Versorgungsengpässe) scheinen nun stärker und anhaltender zu sein als erwartet», heisse es in der Erklärung.
Abschliessend lässt El País Natalia Aguirre, Direktorin für Analyse und Strategie beim Finanzinstitut Renta 4 zu Wort kommen. Diese vermutet, dass der Anstieg der Inflation die Europäische Zentralbank zu Zinserhöhungen veranlassen könnte.
«Wir glauben zwar weiterhin, dass Zinserhöhungen noch in weiter Ferne liegen, aber wenn die Inflation länger als erwartet unter Druck bleibt, könnte dies zu einer schnelleren Rücknahme der Anleihekäufe durch die EZB führen. In jedem Fall glauben wir, dass es schwierig ist, die ultralockere Geldpolitik rückgängig zu machen, da die Verschuldung hoch ist, die Risiken für das Wachstum fortbestehen und die Inflation sich letztendlich als zyklisch erweist.»