
Wenn ich bei Twitter im Beitrag eines Gleichgesinnten auf einen leckeren Trüffel stoße, der mich zum Schreiben anregt, schaue ich doch lieber immer noch einmal bei der zitierten Person selbst nach. Zum einen kommt es bisweilen vor, dass derjenige seine Wortbombe längst zurückgezogen hat oder diese schon uralt ist – und wir wollen schließlich nicht nachtragend sein. Darüber hinaus bin ich auch neugierig: Wie tickt der Schreiber? War der Tweet nur ein Ausrutscher oder hat das System? Einen schlechten Tag hat schließlich jeder einmal.
(Screenshot:Twitter)
Manchmal jedoch findet sich neben dem ersten Trüffel gleich noch ein zweiter, der den ersten Eindruck herrlich abrundet. Unter Linken würde man wahrscheinlich von einer „immanenten Struktur“ sprechen, die das Denken des Schreibers bestimmt – man könnte es aber auch volkstümlicher ausdrücken: Gerade wenn der Leser denkt, es ginge nicht noch verdrehter, setzt der Twitter-Philosoph noch einen drauf.
(Screenshot:Twitter)
Generell reagiere ich ein wenig genervt, wenn in der Beurteilung von Männern oder Frauen ein kollektiver Bann ausgesprochen wird. Die Geschlechter schenken sich hier nichts, gerade vor ein paar Tagen las ich einen wenig feinsinnigen Text von Akif Pirinci, der zum Rundumschlag gegen die moderne Frau ausholte. Irgendwann habe ich aufgehört, die F-Bomben zu zählen. Auch wenn in dem Artikel mehr als nur ein Körnchen Wahrheit steckte – Esther Vilar hat das schon vor ein paar Jahrzehnten deutlich eleganter formulieren können. Allzu deutlicher Frust wirkt sich – zumindest nach meinem Geschmack – auch immer auf die Glaubwürdigkeit der Aussage aus.
Das gilt selbstverständlich im gleichen Maße für die Texte von Frauen, welche in jedem männlichen Wesen den Feind vermuten. So etwas kann man einer von Liebeskummer Geplagten nachsehen, die im Kreise ihrer Freundinnen klagt, dass „alle Männer Schweine sind„. Im Normalfall klingt dieser Zustand nach gewisser Zeit wieder ab – allerdings scheinen manche „Feministinnen“ eine politische Botschaft daraus abzuleiten – weil sie entweder nicht erwachsen werden wollen oder einen Vorwand suchen, um ihre Teenager-Launen zu adeln.
Männer haben hier tatsächlich ein kleines Privileg gegenüber Frauen, denn ihre Bitterkeit löst beim weiblichen Geschlecht einen „Retterreflex“ aus. Eine gewisse Misogynie macht sie attraktiv – was Männer, die alles für die Angebetete tun würden, ins Grübeln treibt. Immune Frauen übrigens auch, spätestens, wenn Gewalt ins Spiel kommt. In Therapiegruppen für traumatisierte Frauen kann man hier Seltsames erleben: Es wird geschimpft und gehetzt gegen den üblen Ehegatten, dass man schon fast fürchtet, ein Giftmord könne sich in Vorbereitung befinden. Naht der Herr dann aber zum Besuch, sinkt man ihm hübsch zurechtgemacht in die Arme – der Weg in die Selbständigkeit ist schlussendlich dann doch zu anstrengend. „Mein neuer Freund ist sehr nett„, klagte eine Mitpatientin, „aber bei meinem Ex-Mann durfte ich mir eine teure Bluse kaufen, wenn er mich geschlagen hatte. Das war auch schön.“
Da kann man schon einmal vom Glauben abfallen – und zu der Erkenntnis gelangen, dass in diesem Spiel die Rollen nicht eindeutig verteilt sind. So wie bei unserer Feministin hier, die auch in Bemerkungen, die eine bodenständige Frau allenfalls als dämlich oder in schlimmeren Fällen als beleidigend ansehen würde, schon einen Akt des Mordes erblickt. Drama, Baby, Drama!
Drama, Baby, Drama!
Man nimmt es bei diesen Damen schon als selbstverständlich hin, dass sie ausschließlich westliche Männer meinen. Die in überwältigender Mehrheit Frauen eben nicht töten, selbst wenn sie überzeugt sind, eine „loose lady“ vor sich zu haben. Bekanntlich sieht das in anderen Kulturen – vor allem in einer – anders aus. Was aber tatsächlich bezeichnend ist, steht im zweiten Tweet und könnte tatsächlich – zumindest nach heuristischer Gesellschaftsanalyse – als typisch für die „Generation woke“ betrachtet werden: Wenn es um die eigene Bequemlichkeit geht, endet die Solidarität mit den Unterdrückten. Auch wenn ich mich von der linken Ideologie fluchtartig entfernt habe, stößt mir eine solche Haltung übel auf.
Man fühlt sich an das antike Griechenland erinnert, dessen Philosophen als Freiheit begriffen, nicht arbeiten zu müssen und den Kopf so für Höheres freizuhaben. Das ist sicherlich für den Denkenden komfortabel, setzt aber selbst beim heutigen Stand der Technik die Existenz dienstbarer Geister voraus, die einem den Rücken freihalten, am besten rund um die Uhr. Zimmermädchen zum Beispiel. Aber auf ein Zimmermädchen Rücksicht nehmen? Aus Sicht unserer Feministin scheint es sich nicht um Frauen, sondern eine fremde Spezies zu handeln. Stumm und dienstbar.
Vielleicht lege ich auch zu viel in den Text hinein, aber oft sind es gerade solche Kleinigkeiten, welche die Haltung eines Menschen verraten. Was aufgeklärt daherkommt, ist nichts anderes als elitäres Denken – denn die Umsetzung der schönen Ideen ist nur für die eigene Gruppe vorgesehen.
Ein Beispiel nur unter vielen, das ich herausgepickt habe, aber man kann diese Haltung in vielen Themenbereichen beobachten. Verzichtsaufrufe, getwittert vom iPhone, vielfliegende Grüne, die dem Volk erzählen, dass es dies auf keinen Fall nachmachen darf oder Annalena Baerbock im dicken, dieselbetriebenen Tourbus: Man selbst lässt es sich gutgehen. Das könnte mancher Sektenführer nicht besser praktizieren.