Horst D. Deckert

Kindern Masken anzuziehen ist unlogisch und irrational

Jede aufgeklärte Gesellschaft unterstützt in politischen Fragen eine Meinungsvielfalt. Grundsätzlich verständigen wir uns dabei auf eine Reihe von ethischen Grundsätzen und die ihnen zugrundeliegenden logischen Argumente. Wenn also eine Aussage logisch verworfen werden kann, dann müssen wir über ihre ethischen oder politischen Implikationen, bei denen wir vielleicht unterschiedlicher Meinung sind, nicht weiter diskutieren.

Die Debatte über die Maskierung von Kindern oder die Verpflichtung, sie gegen einen Erreger zu impfen, der sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit tötet als viele andere übliche Erreger, hätte auf der logischen Ebene stehen bleiben sollen, anstatt sich in ethische und politische Implikationen zu stürzen.

Weder Masken noch Impfstoffe können zuverlässig verhindern, dass Kinder SARS-CoV-2 an andere weitergeben. Ich mache mir deshalb Sorgen um die ungeimpften Grosseltern in einem Mehrgenerationenhaushalt, die sich in Sicherheit wägen, weil ihr Enkelkind mit einem unangenehmen und umweltschädlichen Stück Stoff im Gesicht zur Schule geht. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass viele Menschen – einschliesslich meiner Cousins in Indien – ihr Leben verloren haben, weil sie diesem Irrtum aufgesessen sind.

Inzwischen deuten zahlreiche Beobachtungsdaten daraufhin, dass die Maskenpflicht unwirksam ist, und die wenigen durchgeführten formalen Studien zeigen keine glaubwürdige Wirkung. Das Scheitern der von SAGE (Anm. d. Red.: Scientific Advisory Group for Emergencies, ein Gremium, das die britische Regierung in Notfällen berät) und ihren von Satelliten durchgeführten Modellrechnungen bei der Vorhersage von Fällen und Todesfällen erlaubt es uns, die Rolle solcher nicht-pharmazeutischer Interventionen bei der Dynamik der Ausbreitung zu verwerfen.

Doch anstatt diese Modellierer zu verunglimpfen und lächerlich zu machen, sollten wir sie auffordern, das alternative Szenario zu akzeptieren – das auf soliden, gut etablierten Grundsätzen der Epidemiologie beruht–, bei dem das An- und Abschwellen der Herdenimmunität eine zentrale Rolle bei der Ausbreitung des Virus spielt.

Dies würde nicht nur einen langjährigen doch höflichen Streit zwischen mir und Neil Ferguson (Anm. d. Red.: ehemaliger SAGE-Epidemiologe) beenden, sondern auch deutlich machen, dass wir Kinder keinesfalls diesen grotesken Massnahmen aussetzen sollten. Unser einziger Ausweg aus der Epidemie besteht darin, die Herdenimmunität ständig durch die Ansteckung derjenigen «aufzustocken», die nicht anfällig für schwere Krankheiten und Tod sind.

Was wäre jedoch, wenn das Impfen von Kindern unter der Androhung, sie von der Schule fernzuhalten, ihnen Masken aufzusetzen, sie zu zwingen, in «belüfteten» Klassenzimmern zu zittern und in der Kälte zu Mittag zu essen, ihnen ausserschulische Aktivitäten vorzuenthalten usw. tatsächlich zum Schutz der Gefährdeten beitragen würde, anstatt ihr Risiko zu erhöhen und sie länger der Gefahr auszusetzten?

Hier kommen wir vom logischen Kern auf eine ethische Ebene. Man muss Uneinigkeit erwarten zwischen denjenigen, die wie ich dem Wohlergehen von Kindern und jungen Erwachsenen Vorrang vor denjenigen von uns einräumen, die bereits einen grossen Teil des ihnen zugewiesenen Kuchens gegessen haben – wie der Wissenschaftler Paul Dolan es nennen würde.

Der Gedanke, dass ich nicht ein geringes Risiko in Kauf nehmen könnte, an einer Atemwegserkrankung zu sterben, um meine Schüler zu unterrichten – oder überhaupt eine Störung in dieser heiklen Zeit ihres Lebens zu verursachen – ist mir moralisch zuwider. Doch ich verstehe, warum andere nicht so denken.

Die Meinungen werden noch vielfältiger, wenn wir uns in diesem planetarischen Querschnitt menschlicher Einstellungen vom Mantel der Ethik in die äussere Kruste der Politik bewegen. Nicht jedem mag es egal sein, dass Einschränkungen, die den Schulbesuch unterbrechen, verheerende Folgen für Kinder aus ärmeren Verhältnissen haben und sowohl ihre derzeitige Sicherheit als auch ihre Zukunftsaussichten beeinträchtigen.

In vielen Regionen der Welt bedeuteten Schulschliessungen das Ende der Befreiung von einer brutalen Existenz. Ich war traurig, zu lesen, dass jetzt, da die Fälle unweigerlich wieder ansteigen, viele indische Bundesstaaten diesen Weg einschlagen.

Letztendlich sollte die Debatte über Beschränkungen für Kinder im logischen Kern erlöschen, den wir alle als internationale Teilnehmer der Aufklärungskultur teilen (damit niemand diese als ein europäisches Konstrukt ansieht): Es gibt keinen rationalen Grund dafür. Ein Verbot des Gesangsunterrichts auf Grundlage der simplen Auffassung, dass sich das Virus durch Singen weiter ausbreitet, ist ebenso ein Versagen des kritischen Denkens wie der moralischen und gesellschaftspolitischen Vorstellungskraft.

Zum Originalartikel (auf Englisch).

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Sunetra Gupta ist Professorin für theoretische Epidemiologie am Institut für Zoologie der Universität Oxford.

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