Horst D. Deckert

Kindgerechte Entwicklung, nicht Staatsbevormundung: Die Mutterschaft steht über allem

Oft aus finanziellen Gründen müssen Mütter rasch wieder in ihren Arbeitsalltag einsteigen. Der Staat setzt lieber auf Betreuungsplätze, anstatt Mütter zu unterstützen. Dennoch entscheiden sich immer mehr Mütter dazu, ihre Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, auch wenn damit finanzielle Einbußen einhergehen. Mit „Mütter der Neuen Zeit“ trifft Sabine Mänken voll ins Schwarze: kindgerechte und individuelle Entwicklung ohne Fremdbetreuung.

Das Buch ist Balsam auf die Seele und genauso liest es sich. Es ist voller Gefühl und Offenheit. Man spürt die Wärme der Mütter und diese tiefe Liebe, die sie für ihre Kinder empfinden. Als Mama von vier Kindern weiß ich um die Herausforderung, Kinder und Beruf zu meistern. Auch meine drei kleineren Kinder wurden und werden in ihren ersten Lebensjahren von mir zu Hause betreut. Bei meiner mittlerweile erwachsenen Tochter war das anders. Sie kam früher in Fremdbetreuung. Die Zeit fehlte uns beiden. Heute würde ich es anders machen. Die Lektüre „Mütter der Neuen Zeit“ ist mehr als empfehlenswert – nicht nur für Mütter oder Großmütter. Eigentlich müsste es als Pflichtlektüre gelten – um die Bedürfnisse der Kinder und Mütter zu verstehen.

21 Mütter berichten von ihren Erfahrungen

In ihrem Werk lässt Sabine Mänken 21 junge Mütter zu Wort kommen. Von der Kunsthistorikerin, der Krankenschwester über die Erzieherin bis hin zur alleinerziehenden Studentin ist alles vertreten. Auch Eltern, die mit ihren Kindern im Wohnmobil unterwegs sind. Diese Frauen berichten über ihre Erfahrungen mit Beruf, Alltag und Kindern. Sie beschreiben, wie sie die Entscheidung zur Selbstbetreuung ihrer Kinder trafen. So unterschiedlich ihre Berufe und Geschichten auch sind, eines eint all diese Mütter: Es sind Frauen, die Selbstbestimmtheit nicht nur mit Sichtbarkeit am Arbeitsmarkt gleichsetzen, sondern ihre Rolle als Mütter selbstbestimmt leben wollen. Es sind Mütter, für die Mutterschaft über allem steht.

Keine Fremdbetreuung

Sie sind davon überzeugt, dass Kinder es selbst zeigen, wann sie bereit sind, die sichere Bindung zu verlassen – und das ist nun mal nicht bei jedem Kind automatisch mit zwei oder drei Jahren, wie es der Staat vorsieht. Entgegen vieler Widrigkeiten, finanzieller Einbußen und Schwierigkeiten haben sich diese Mütter dafür entschieden, die ersten Lebensjahre ihrer Kinder keinen Betreuungsplatz in Anspruch zu nehmen. Einige von ihnen hatten ihre ersten Kinder in Fremdbetreuung, manche sogar einige Jahre. Die innerliche Zerrissenheit, die Sehnsucht, die Leere und die Schwierigkeit, alles unter einen Hut bringen zu müssen, stellte sie vor eine Hürde. Offen sprechen die Mütter ihre Ängste an. Albträume, die sie plagten, weil sie eigentlich nicht bereit waren, ihre Kinder so früh in die Fremdbetreuung zu geben. Und Kinder, die weinten, weil sie nicht in den Kindergarten wollten.

Kindgerechte Entwicklung

Mutterschaft zu leben, wird in der Gesellschaft gar oft als etwas Rückschrittliches gesehen. So kann eine Frau nur punkten, wenn sie bald nach der Geburt des Kindes wieder an den Arbeitsplatz zurückkehrt. Muttersein ist da nicht inbegriffen. Dass aber der Boden der Gesellschaft davon abhängt, ob es gelingt, Kinder gut ins Leben zu begleiten, ist für Sabine Mänken und die „Mütter der Neuen Zeit“ offensichtlich. Doch anstatt Mütter zu unterstützen und ihnen die Betreuung ihrer Kinder in den ersten Lebensjahren zu ermöglichen, setzt der Staat so früh wie nur möglich auf staatlich geförderte Betreuung. Der Staat investiert in jede Menge Betreuungsplätze, in denen Kleinkinder in großen Gruppen oft bis zu sieben oder acht Stunden am Tag betreut werden. Hier müssen Kinder ihre eigenen Bedürfnisse zurückstecken und sich der Gemeinschaft unterordnen. Kleine Kinder müssen zur gleichen Zeit essen, zur gleichen Zeit ihren Mittagsschlaf halten. Mit kindgerecht hat diese Art von Betreuung nicht viel zu tun. Es ist mehr eine Schablone, in die die Kinder gesteckt werden. Auch wenn die Erzieherinnen gute Arbeit leisten und ihr Bestes geben, sei das System krank, wie es Mütter in diesem Buch beschreiben. Es wird erwartet, dass sich Kinder an das System anpassen. Immer wieder hören Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, dass ihren Kindern die sozialen Kontakte fehlen würden. Aber nicht nur das: Thematisiert wird im Buch auch immer wieder die extreme Lautstärke in Kindergärten, die gerade die Kleinsten ungefiltert aufnehmen. Wenn man als Erwachsener froh ist, wenn man diesem Tumult wieder entfliehen kann, wie muss es da erst kleinen Kindern im Alter von drei Jahren ergehen?

Dr. Hüther und weitere Experten

Neben den Müttern kommen auch 21 Experten zu Wort. Sie untermauern mit ihrem Fachwissen die Entscheidungen der Mütter zur Selbstbetreuung der Kinder. Dr. Gerald Hüther, deutscher Hirnforscher, schrieb eines der Vorwörter für diesen Band. Er stellte fest, dass einige Mütter ihre Kinder während der coronabedingten Kindergarten- und Schulschließungen ganz neu kennengelernt haben. Plötzlich konnten sie die gemeinsame Zeit wieder genießen. Dr. Hüther: „Das perfekte Funktionieren im Hamsterrad ist nicht das, worauf es im Leben ankommt. Geschweige denn, dass es glücklich macht!“

Initiatorin Sabine Mänken

Die Herausgeberin Sabine Mänken ist selbst Mutter von drei Kindern, Diplomvolkswirtin, Autorin und Seelenbegleiterin. Außerdem ist sie Initiatorin der „Mütter der Neuen Zeit“. Um Kindern eine authentische, liebende Beziehung zu ihren Kindern zu ermöglichen, bräuchten Eltern die Wahlfreiheit über das Wie und Wieviel der Betreuung ihrer Kinder. Vor allem aber Mütter würden durch den Karriere- und Leistungsdruck der heutigen Zeit von den gesunden mütterlichen Empfindungen abgeschnitten werden. Mit dem Buch „Mütter der Neuen Zeit“ habe sie dieser fragwürdigen Entwicklung Rechnung tragen wollen.

Sabine Mänken (Hrsg.): Mütter der neuen Zeit – Wir plädieren für eine kindgerechte Entwicklung, ISBN 978-3-89060-778-8, Klappenbroschur, 14,6 x 20,8 cm, 272 Seiten, 22,00 € (D)/ 22,70 € (A)

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