Der erst vor vier Wochen in Ried verstorbene Schlagerkomponist Johann Mathis komponierte vor fast 60 Jahren ein Lied, das den “Abschied von der Mutter” thematisiert und das auch so heißt. Es wurde zu einer Art Volkslied, auch wenn man es heute öffentlich kaum noch zu hören bekommt.
Doch als es 1964 herauskam, schlug es ein wie eine Bombe. Gesungen wurde es von Jan Berthold, einem Heimatvertriebenen aus Siebenbürgen, der 1944 als Flüchtling nach Schärding gekommen war. Einige Leute werden sich gewiss noch an ihn und seinen Hit erinnern, vermutet der volkstümliche Musikexperte Leo Walch. “Das Lied war ein Renner und brach sofort alle Rekorde, noch dazu in einer Zeit, in der normalerweise die Beatles oder die Rolling Stones die vorderen zwei Plätze in den Hitparaden belegten. Am dritten Platz war meist Freddy Quinn zu finden, doch am vierten Platz glänzte Berthold. Mathis Hommage an die Mutter verkaufte sich wie die sprichwörtlich warmen Semmeln und gleich nach dem Erscheinen gingen 50.000 Schallplatten über die Ladentische. Dieser Erfolg war überwältigend und damit hatten weder Mathis noch Berthold gerechnet.
Jan hatte Maschinenschlosser gelernt und immer schon gern gesungen, erzählte er mir irgendwann einmal in den 90er-Jahren bei einem Fest der Siebenbürger in Marchtrenk.
Wettbewerbssieger
Mit richtigem Namen hieß er Johann Bocskay und als solcher hatte er seine Stimme zunächst bei vielen Schlagerwettbewerben zu Markte getragen. Bei einem dieser Wettbewerbe, der von dem bekannten Komponisten Gilbert Obermair geleitet wurde, coverte Berthold das 1961 in unseren Breiten populär gewordenen Lied “Mexiko” und holte sich damit den ersten Preis. “Das gab mir den Mut, weiterzumachen”, erzählte er. Er besuchte daraufhin Gesangskurse, um seine Stimme auszubilden und bald darauf kam es auch schon zu Probeaufnahmen in einem Studio. Wie seine Bekanntschaft mit Mathis und ihm zustande kam, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, aber da Mathis ein Banat-Deutscher war, der aus Biled (Südwestrumänien) kam, dürfte es eine Flüchtlingsbekanntschaft gewesen sein, die sich zu Beginn der 1960er-Jahre im Innviertel ergab. Mit seinem Lied “Abschied von der Mutter”, das zunächst unter dem heute nicht mehr existierenden Label “Capri” erschien, später dann unter “Ariola”, sind beide Männer schlagartig bekannt geworden.
Volkslied
Die Rückseite der Single-Schallplatte hatte Berthold mit einer Komposition aus der Feder des Tonsetzers Johann Hainzingers besungen: mit dem “Herzensbrecher-Twist”.Doch bei den Wunschkonzerten im Radio rauf- und runtergespielt wurde nur der “Mutterabschied”, den Mathis als 26-Jähriger zu Papier brachte und den Berthold als 35-Jähriger eingesungen hat. Es wurde auch zu einem beliebten Muttertagslied. Im östlichen Österreich jedoch gehörte es zum festen musikalischen Repertoire bei Hochzeiten, wie der Volksmusikwissenschaftler Walter Deutsch festgestellt hat. Von daher hatte er auch gedacht, dass es sich dabei um ein Volkslied handelte, was es dort dann auch irgendwie war.
Gemeinschaftsgefühl
Denn in dem Mathis-Ohrwurm werden die im Leben mehrmals stattfindenden Trennungen der Kinder von ihren Müttern besungen wie beispielsweise an Schulanfängen oder auch bei Hochzeiten – alles kleine Abschiede. Auch der letzte und endgültige Abschied von der Mutter, der Tod, wird in dem Mathis-Berthold-Lied nicht ausgespart. Es wurde an Muttertagen im Radio vielfach auf Wunsch gespielt und es hatte den Effekt, dass die Familien enger zusammenrückten und sich des Lebens erfreuten, wie sich eine Wochenblick-Leserin erinnert.