Mit seinen Kochshows wurde er zum Internet-Hit, insbesondere junge Menschen können sich mit seiner direkten und bodenständigen Art anfreunden. Zwischendurch hält er den polit-medialen Eliten in seiner täglichen Arbeit den Spiegel vor. Die Rede ist von Gunnar Lindemann, dem sympathischen Schwergewicht der Berliner AfD, der mit einem Direktmandat im Abgeordnetenhaus der deutschen Bundeshauptstadt sitzt. Sein Wahlbezirk ist Marzahn-Hellersdorf. Dort befindet sich die größte deutsche Plattenbau-Siedlung und auch die größte russlanddeutsche Community unseres Nachbarlandes. In der Vorwoche weilte Lindemann in Österreich. Wochenblick nutzte die Gelegenheit und traf den vielbeschäftigten Politiker in Linz, um ihm ein paar Worte darüber zu entlocken, was ihn so antreibt. Dabei gab er sich wie gewohnt: Humorvoll und bürgernah, aber stets mit einem Auge auf die wichtigen Themen unserer Zeit. Auch zur Ukraine-Krise informierte er sich bereits vor langer Zeit direkt vor Ort, anstatt die verzerrte Realität der Mainstream-Medien nachzuplappern.
Leidenschaftlicher Koch von der Marzahner Platte
Wochenblick: “Maitre Gunnar” kocht wöchentlich original Marzahner Spezialitäten. Wie kamen Sie auf diese amüsante Idee?
Lindemann: Diese Idee schlummerte schon seit frühester Kindheit in mir, bereits als Knabe in Wuppertal experimentierte ich ausgiebig mit Kartoffelklößen und Fertigsuppen. Maitre Gunnar ist mein Alter Ego, er ist ein Teil von mir.
Kaum war die erste Folge von “Gunnars Kochshow” im Netz, tobte der polit-mediale Mainstream über das authentische Format. Was stört Lifestyle-Linke und Altparteien-Vertreter daran?
Maitre Gunnar ist nicht politisch oder weltanschaulich verankert. Er geht ganz auf in seinem Kreuzzug für erschwinglichen Geschmack und feine Lebensart. In seinem Kochstudio im 9. Stock ist ein Jeder herzlich willkommen, der seinen lukullischen Hedonismus zu schätzen weiß. Und ich habe die Menschen sehr lieb. Wen was an mir stört, interessiert mich nicht. Ich bin nicht auf der Welt um allen zu gefallen, in meiner kleinen Kochwelt justiere ich meine Chakras und finde meine Mitte.
Bürgerpolitik aus der Mitte des Volkes
Sie schafften es 2016, aus dem Stand eine Hochburg der “Linkspartei” umzudrehen – und bei der letzten Wahl entgegen dem Bundestrend Ihrer Partei zu halten. Was ist Ihr Geheimnis?
Wichtig ist der Kontakt mit den Bürgern. Und das nicht nur kurz vor der Wahl, wie die meisten Parteien das machen, sondern kontinuierlich, auch wenn keine Wahl ansteht. Es ist mir wichtig, die Menschen in meinem Wahlkreis immer über die wichtigsten anstehenden Dinge aus der Politik zu informieren. 2016 war natürlich auch noch ein Quäntchen Glück dabei.
Obwohl Sie als Abgeordneter gut verdienen, leben Sie weiter im Plattenbau und stehen offen zu Ihren Wurzeln im “einfachen Volk”. Wie wichtig ist Bürgernähe?
Mir ist es wichtig vor Ort in meinem Wahlkreis zu wohnen, und nicht irgendwo anders. Ich möchte die Probleme und Nöte der Menschen sehen und hören und auch für die Bürger jederzeit ansprechbar sein. Nur so kann ich mich im Parlament auch für meine Wähler einsetzen.
Vom Flyern bis zum Mittagsimbiss: Sie präsentieren einem wachsenden Twitter-Publikum viele Einblicke in ihre tägliche politische Arbeit. Wie wichtig sind soziale Medien für nonkonforme Stimmen?
Social Media ist sehr wichtig. Leider berichten die meisten Medien in Deutschland nicht oder nicht fair über die Arbeit der AfD. Dazu gehören natürlich neben Social Media auch meine regelmäßig erscheinenden Wahlkreis-Publikationen.
Sogar im Österreichischen Salzburg trägt man auf Demos Schilder mit Ihrem Konterfei. Wie haben Sie es geschafft, als Lokalpolitiker zu so viel Ruhm, sogar bis über Deutschlands Grenzen hinaus zu kommen?
Da war ich, ehrlich gesagt, auch überrascht über diese Demoschilder. Ich war zwar vor Corona öfters in Österreich, auch zu Vorträgen oder Veranstaltungen, aber eine so weite Reichweite hatte ich nicht erwartet.
Ukraine-Krise: Er machte sich eigenes Bild
Sie machen sich gerne ein eigenes Bild, bevor Sie ein Urteil treffen. Vor einigen Jahren reisten Sie in den Donbass. Was waren Ihre wichtigsten Eindrücke vor Ort?
Ich war sehr oft im Donbass, in Donezk und Luhansk. Ich unterstütze dort verschiedene Schulen, die die deutsche Sprache und Kultur unterrichten und ein Kinderheim. Die Goethe-Institute haben den Donbass 2014 verlassen, obwohl immer noch viele ethnische Deutsche dort leben. Es ist für mich wichtig, den Kontakt zu der russlanddeutschen Gemeinschaft zu halten, denn die deutsche Regierung kümmert sich nicht um die Menschen, die seit 2014 im Kriegsgebiet leben.
Der Krieg in der Ukraine hat nämlich nicht erst vor einem Monat begonnen, sondern hat schon vorher im Donbass über 10.000 Tote gefordert. Darum habe ich seit einigen Jahren immer wieder vor diesen Konflikt gewarnt und die Einhaltung der Minsk-Abkommen angemahnt, was zuletzt überwiegend von der ukrainischen Seite verletzt wurde. Die Details kann man auch in den Berichten der OSZE-Beobachter nachlesen. Leider hat sich im Westen bis vorigen Monat niemand wirklich ernsthaft für diesen Krieg interessiert.
In Ihrem Stadtteil Marzahn kam es unlängst zu einem Brandanschlag auf eine russisch-deutsche Schule. Wie gefährlich ist es für russischstämmige Menschen in Deutschland derzeit?
Leider häufen sich in Berlin Angriffe und Anschläge auf russlanddeutsche und russische Einrichtungen. Ich verurteile diese Angriffe und fordere eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle.