Horst D. Deckert

Lebensmittel aus dem Labor

Goldener Reis, ein Hamburger aus kultivierten Fleischzellen und synthetischer Mozzarella mit Gemüse aus gentechnisch manipuliertem Saatgut – appetitlich klingt das nicht gerade. Würden die Hersteller jedoch deutlich machen, dass ein solches Menü gesund ist und dem Schutz der Umwelt dient, würden vielleicht mehr Menschen zu diesen Lebensmitteln greifen. Das Medienportal The Defender stellt die Hypothese auf, dass dann vielleicht sogar mehr Regierungen bereit wären, die private Forschung auf dem Gebiet der künstlichen Ernährung zu finanzieren.

Ein im Labor entwickeltes und gleichzeitig ökologisches Menü könnte Teil einer Science-Fiction-Geschichte sein, entspricht aber laut The Defender der Realität. Der Artikel wirft allerdings die Frage auf, ob es sich um eine weitere Greenwashing-Operation handeln könnte, welche die wahren Interessen hinter einer grünen Fassade verbirgt. (Wir berichteten).

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«Eines lässt sich mit Gewissheit sagen: Es ist zu kurzsichtig, die künstliche Lebensmittelindustrie als beste Antwort auf die ökologischen Herausforderungen zu betrachten.»

The Defender betont, dass die globale Lebensmittelindustrie in der Tat versuche, ihre Produktpalette so umzugestalten, dass sie einen zunehmend grünen Verbraucherkreis anspricht. Sie sei sich der Tatsache bewusst, dass viele dieser Verbraucher nicht gut über die Ursachen der aktuellen Umweltkatastrophen informiert sind. Schuld daran seien grösstenteils dieselben Geschäftsleute, die heute die Entwicklung der Biotech-Industrie finanzieren.

«Weit davon entfernt, ihre Fehler einzugestehen und zu einem Regenerationsprozess beizutragen, scheint Big Food einen Weg gefunden zu haben, eine weitere Reihe von technologischen Lösungen für eine Reihe von Problemen aufzuzwingen. Diese wurden durch das auf ihm basierenden Modell der industriellen Agrarwirtschaft ausgelöst. Dabei handelt es sich um ein milliardenschweres Geschäft.»

The Defender zufolge bleibt ein weiterer Einwand bestehen, selbst wenn wir eines Tage keine andere Wahl mehr haben, als auf künstliche Lebensmittel zurückzugreifen. Viele der im Labor synthetisierten Lebensmittel basierten auf Rohstoffen, die aus einem industriellen landwirtschaftlichen Prozess stammen, der von intensiven Monokulturen abhängt. Diese werden oft aus GVO-Saatgut gewonnen und erfordern einen hohen Chemikalieneinsatz.

Mit anderen Worten: Der fragwürdige und löbliche Versuch, den Planeten vor den negativen Auswirkungen der Tierhaltung zu bewahren, beruht auf demselben Produktionssystem, das die Tierwelt zerstört, Wasser und Böden verschmutzt und den Planeten erwärmt.

The Defender bezeichnet diesen Zusammenhang als einen Teufelskreis, der wenig Sinn zu machen scheint, sofern man die Akteure hinter diesen vermeintlich so edlen Ideen ausblendet. Das Medienportal betont, dass trotz der vielen Widersprüche synthetische Lebensmittel eine überwindbare Herausforderung für die Industrie zu sein scheinen. Diese habe beschlossen, massiv in diesen Sektor zu investieren. Es sei daher kein Zufall, dass künstliche Lebensmittel auf dem jüngsten UN-Gipfel für Ernährungssysteme in New York ganz oben auf der Tagesordnung standen. Es stelle sich die Frage, ob es sich tatsächlich um eine ökologische Entscheidung handelt.

Der Artikel geht ausserdem der Frage nach, ob künstliche Nahrung eine probate Lösung für den Klimawandel und die Umweltzerstörung im Allgemeinen darstellt. Sicherlich sei die Herstellung von Lebensmitteln im Labor nicht mit der direkten Ausbeutung natürlicher Ressourcen wie Wasser und Boden in grossem Umfang verbunden, so The Defender. Zahlreiche Studien stellten jedoch die angebliche Nachhaltigkeit dieser Industrie in Frage. Diese bestehe inzwischen aus einer Reihe von Start-ups, die immer raffiniertere technologische Lösungen vorschlagen.

«Zahlreiche Unternehmen investieren in Zellfleisch, das auch als Kulturfleisch bezeichnet und aus echten Tierzellen hergestellt wird. Dieselbe Technologie zielt auch darauf ab, den Milchsektor mit der so genannten kultivierten Milch zu revolutionieren.»

Laut The Defender investiert das kanadische Unternehmen Better Milk zum Beispiel in die Produktion von Kuhmilch aus Rinder-Milchzellen. Inzwischen gebe es auch Start-ups, die bereits erwägen, dasselbe Prozedere auf den Menschen anzuwenden. TurtleTree Labs, ein in Singapur und den USA ansässiges Start-up-Unternehmen, steht The Defender zufolge kurz davor, menschliches Laktoferrin als erstes kommerzielles zelluläres Produkt für Neugeborene auf den Markt zu bringen.

Das US-amerikanische Unternehmen Biomilq habe ebenfalls angekündigt, dass es bereit sei, die erste synthetische Babymilch aus menschlichen Zellen auf den Markt zu bringen. Das Unternehmen behaupte nicht ausdrücklich, dass sein Produkt mit der Muttermilch identisch sei, aber «es ist frei von Umweltgiften, Nahrungsmittelallergenen und verschreibungspflichtigen Medikamenten, die häufig in der Muttermilch nachgewiesen werden», weil die Milch «ausserhalb des Körpers in einer kontrollierten, sterilen Umgebung hergestellt wird».

Zum vollständigen Artikel (auf Englisch).

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