Ein Wochenblick-Leser verfasste einen Kommentar über das neue Album “Zeit” der Musikband Rammstein und stellte sie zur Veröffentlichung zur Verfügung. Vor allem Rammsteins dritte Single mit dem klingenden Namen “Dicke Titten” sei eher ein Fall für den Ballermann – lasse aber die gewohnte Rammstein-Ironie vermissen.
Ein Gastkommentar von einem Wochenblick-Leser
Abgeschmackt ist eng verwandt mit dem Adjetktiv „geschmacklos“ und meint so viel wie „abgegriffen“, „fade“ oder „einfallslos“. Nun wäre es angesichts eines doch recht konstanten Ouevres sicher vermessen, Rammstein per se Geschmacklosigkeit vorzuwerfen. Aber mit dem inzwischen achten Studioalbum kommt man kaum umher, der Band eine spürbare Abgeschmacktheit im künstlerischen Schaffen zu attestieren.
Was auf „Zeit“ geboten wird, geht maximal als Rammstein-Standardkost durch und ist in der an Klassikern nicht armen Diskographie alles schon mal besser präsentiert worden. Die neue Scheibe erinnert dabei stark an „Rosenrot“ aus dem Jahr 2005, nur, dass die damals präsentierten Songs alle etwas stärker, alle etwas stimmiger wirken, selbst wenn man die Nostalgiebrille mal zur Seite legt.
Symptomatisch dafür sind die beiden Singles „Zeit“ und „Zick Zack“, wobei erstere als typische Vertreterin der melancholisch-schwermütigen Rammstein-Ballade mit ihren deutlichen Unheilig-Anleihen ohne Probleme auch von jedem Mitvierziger zum Autoradio mitgesummt werden kann und folglich wirklich niemandem wehtut. „Zick Zack“ ist dann das, was bei Rammstein als „harter Kracher“ fungiert, textlich und musikalisch irgendwo angesiedelt zwischen Simpel-Rockern wie „Benzin“ und „Mein Teil“.
Dicke Titten allein helfen nicht
Die nun dritte Single-Auskopplung, “Dicke Titten”, macht bereits mit ihrem Namen deutlich, dass es auch hier vor allem plakativ zugeht. Wie schon „Zick Zack“, krankt der Song an inzwischen altbekannten Rammstein-Wehwechen. Kann man das einfache Stakkato-Riffing noch als typisches Element der gar nicht mehr so neuen „Neuen Deutschen Härte“ entschuldigen, wird spätestens beim pennälerhaften Text und den ewig gleichen Kinderreimen deutlich, dass die Band inzwischen aus einer Komfortzone heraus arbeitet und sich beim Komponieren einem leicht zu identifizierenden Baukastensystem bedient.
Der Chorus würde ohne Probleme am Ballermann funktionieren und lässt die alte Rammstein-Ironie vermissen. Mit etwas Wohlwollen und einem Schuss ungewohnter Prüderie könnte der Text vielleicht so etwas wie Kritik an oberflächlicher Geilheit transportieren, aber musikalisch mag hier nichts mehr so richtig zusammenpassen.
Auch das dazugehörige Video ist, obwohl natürlich Rammstein-typisch hochwertig produziert, eher klamaukig, als ernst zu nehmen: Till Lindemann mimt als blinder Almöhi den notgeilen Bock, während die mit Krachledernen angetane Band hart an der Grenze zur „kulturellen Aneignung“ dazu ins Alphorn bläst oder “schuplattlt”. Wirklich zu erzählen hat das Machwerk nichts, weshalb der Verdacht nahe liegt, dass dieses Setting vor allem deshalb gewählt wurde, um möglichst viele und prall gefüllte Dirndl zu zeigen. Etwas Sex, etwas klischeebehaftete Deutschtümelei für den internationalen Markt: Das ist dann doch etwas plump. Oder eben abgeschmackt:
Rammstein im modernen Zeitgeist
Die Frage ist berechtigt, ob so etwas heute noch provoziert und ob eine Band, deren Stücke in einer aktuellen Albenbesprechung der als bürgerlich geltenden WELT auf ihr Empörungspotenzial hin seziert und bewertet werden, nicht schon längst domestiziert ist. Auch haltungstechnisch sind Rammstein, im Gegensatz zum medial kolportierten Ruf der kontroversen Tabubrecher, ganz im Zeitgeist zu Hause. Egal, ob die Gruppe in Moskau gleichgeschlechtliche Küsse auf der Bühne mimt oder vor polnischen Publikum mit Regenbogenfahne posiert: Rammstein haben die moderne „Haltung“ gut verinnerlicht. Was als „Provokation“ neben diesem Zeitgeist-Appeasement noch übrig bleibt, erschöpft sich in klamaukigem Bühnenzauber, der nur noch funktioniert, weil ihm medial eine enorme Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dass Rammstein als gut geölte Maschine dieses Spiel beherrschen und verstehen, daran lässt auch „Zeit“ keine Zweifel.