Hier wird auf zwei Artikel von Hans-Christian Hoffmann hingewiesen, in denen die Botschaft vermittelt werde, „Europa werde ´absehbar allein niemals in der Lage sein, ein Gegengewicht zu der neuen Allianz aus Russland und China zu bilden. Daraus folge: ´Partnerschaft zu den USA aufbauen statt von einer europäischen Großmacht zu träumen´“. Im Gegensatz dazu würden etwa Macron und Oskar Lafontaine denken, „Europa müsse sein eigenes militärisches Potential bündeln und – soweit noch nicht geschehen – aufbauen“. Albrecht Müller hinterfragt u.a., ob militärische Stärke das einzige und sinnvolle Mittel ist, um Sicherheit zu erreichen. Deutschland könne „(zusammen mit Frankreich und anderen) auf Distanz zur Aufrüstungspolitik der NATO gehen“. Es sollte wieder auf Zusammenarbeit und Zusammenleben statt auf Konfrontation setzen. Wir danken für die interessanten Leserbriefe. Hier eine Auswahl, die Christian Reimann für Sie zusammengestellt hat. Und eine kurze ergänzende Vorbemerkung von Albrecht Müller.
Die Lektüre der Leserbriefe lohnt sich. Beeindruckend.
1. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Müller,
Ihre Überlegungen zu einer grundsätzlichen Ausrichtung deutscher Politik sind aus meiner Sicht im doppelten Sinne phantastisch. Phantastisch im Sinne von großartig und phantastisch im Sinne von utopisch. Aber ich hatte schon immer eine Schwäche für das Zitat von Che Guevara: „Seien wir realistisch. Versuchen wir das Unmögliche. “ Und wer sagt eigentlich, dass es nicht noch einmal eine Konstellation wie zu Zeiten von Willy Brandt gibt, mit schwächelnden USA, kritischer Öffentlichkeit und mutigem politischem Personal. Dann könnte mit Ihren Gedanken das geschehen, was Victor Hugo mit den wunderbaren Worten ausgedrückt hat: „Nichts ist stärker, als eine Idee deren Zeit gekommen ist.“ Bis dahin gilt es unbedingt Ihre Strategie zu konservieren und so weit wie möglich Unterstützer zu finden. Vielen, vielen Dank!
Mit freundlichem Gruß
Eberhard Schwarz
2. Leserbrief
Lieber Herr Albrecht Müller,
Sie sprechen mir und meiner Familie aus der Seele. Genau diese Frage, die Sie in Ihrem Artikel ansprechen habe ich mir als Kriegsdienstverweigerer oder auch Zivi genannt sehr oft gestellt. Warum gehen wir den rückständigen Weg der Militarisierung? Warum nicht den der Entmilitarisierung? Vor wem bitte wollen wir uns verteidigen, wenn wir uns doch mit den Menschen verstehen und in einer gewissen Harmonie mit unseren Nachbarn leben? Gerade die 70er Jahre mit der Entspannungspolitik haben doch gezeigt, dass es möglich war, u.a. trotz des sog. Kalten Krieges, friedlich miteinander auszukommen und ein gutes Verhältnis zu unseren Nachbarn ganz gleich, ob Ost/West/Nord und Süd aufzubauen, das bis in die 80/90er Jahre positiv gepflegt wurde. Diese Entwicklung gilt es wieder herzustellen und weiter mit Leben zu füllen. Ich würde sogar einen Schritt weitergehen und bin der Meinung, dass Deutschland auf Grund seiner Geschichte und Erfahrung weltweit als Vorbild für eine Entmilitarisierung voran schreiten muss. Das “kleine” Deutschland will das Klima retten und setzt sich dafür das Ziel der Klimaneutralität, aber gleichzeitig werden Kriege befeuert und die Aufrüstung vorangetrieben. Man redet völlig sorglos von der atomaren Teilhabe und einer Zeitenwende. Welch perfides Spiel! Wir brauchen eine militärische Neutralität durch Abrüstung und die Rolle Deutschlands als weltweiter Unterhändler für den Frieden. Das wäre die logische Fortsetzung bzw. Weiterentwicklung der Entspannungspolitik der 70er Jahre!
Mit friedlichen Grüßen
Christian Sauer
3. Leserbrief
Hallo Nachdenkseiten-Leserbrief-Redaktion,
zur Veröffentlichung sende ich Ihnen diesen Leserbrief zu “Ami go home. Wir sorgen selbst für unsere Sicherheit durch Europas militärische Stärke” v. 28.04.23:
Deutschland mit einer wünschenswerten Zukunft ist ausschließlich in kontinentaler guter Nachbarschaft europäisch vom Westen über Russland bis China begründbar
Die Zweifel Albrecht Müllers an dem Aufbau einer militärischen Macht Europas als militärisch-politischem Gewicht im Kräftespiel der Großen USA, NATO, China sind unbedingt begründet und politisch richtig. Eine militärische Macht Europa mit den bekannten Rüstungsprojekten wie FCAS usw. begründet aus sich heraus überhaupt keinerlei Eigenständigkeit bevor nicht grundsätzliche politische Weichenstellungen national erfolgt sind, denn das vorhandene politisch-bürokratische Europa-Gefüge ist transatlantisch definiert oder von Auflösung bedroht, denn als Ganzes sich eigenständig zu positionieren ist diesem Gebilde schlicht nicht gegeben, erst recht nicht unter den Bedingungen seit Anfang 2022 in Bezug auf Russland und China. Allein die Betrachtung von Großbritannien (trotz Brexit), Frankreich und Deutschland zeigt, dass alle drei Nationen im Windschatten von USA und NATO versuchen, sich zum jeweiligen Vorteil zu positionieren und Deutschland wie seit jeher als die „Großmacht“ in der Mitte Europas, die in alle Himmelsrichtungen wirkt. In allen drei Staaten ist die politische Notwendigkeit gegeben, sich des eigenen Scheinriesen-Daseins erst einmal bewusst zu werden – sich politisch auf die Größe zu besinnen, die ökonomisch-politisch noch existiert. 2021/22 vor dem Krieg hätte sich Deutschland “politisch groß“ gemacht, wenn es sich dem absehbaren Krieg verweigert hätte, also der Ukraine die NATO auf immer verweigert und auf Nordstream 2 bestanden hätte. Nunmehr wird ein BK Scholz, seine Partei und seine Regierung alsbald gerade damit argumentieren, dass man sich sozusagen an die Spitze der europäischen Staaten gegen Russland exponieren musste, um Polen und die Balten „im Zaum zu halten“.
Ein progressiver deutscher Ausweg wird niemals wieder in militärischer Größe bestehen können, die letztlich den Zugang zu Atomwaffen bedeuten würde, seien sie von USA und NATO oder aus Frankreich oder gar eigene. Das Deutschland mit einer wünschenswerten Zukunft ist ausschließlich in kontinentaler guter Nachbarschaft europäisch vom Westen über Russland bis China begründbar, alle anderen Wege führen in die Zerstörung – erst recht unter den Bedingungen ökologisch wünschenswerter Infrastruktur. Das bedeutet, auch zu den USA und damit auch der NATO friedlich und freundlich die Beziehung mit der nötigen Distanz zu versehen, die vom Wesen her faktisch vorliegt, wenn man den Weltatlas betrachtet und die US-amerikanischen Pazifik-Absichten. Deutschland muss im eigenen Auftrag auf die Reise gehen und nicht im „Auftrag des Herrn“. Eine Landesverteidigung im Sinne einer politisch und militärisch begründeten Resilienz, die es abenteuerlich gesinnten Staaten schwer macht, Deutschland zu „besetzen“ ist notwendig, aber umgekehrt wäre sie schon notwendig, um die jetzt gegeben „Besetzung“ aufzuheben – die Partei, die politische Führung und Avantgarde dafür, würde ich gerne noch erleben!
Bernd Jacoby
4. Leserbrief
Sehr geehrtes Nachdenseiten – Team, sehr geehrter Herr Müller,
zu “Ami go home. Wir sorgen selbst für unsere Sicherheit durch Europas militärische Stärke”
Ich greife nur den Satz auf:
“Europa werde „absehbar allein niemals in der Lage sein, ein Gegengewicht zu der neuen Allianz aus Russland und China zu bilden“.
Die alles beinhaltende Frage ist doch:
W a r u m , warum !! in aller Welt müssen wir ein “Gegengewicht” bilden ??
Wir sind weder vom einen noch vom anderen bedroht!
Der imperialistische Schwachsinn ist zum K…, pardon …
mfG
M Häusler
5. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Müller,
Ihre Reflexionen zum Macron-Interview nach dessen China-Besuch vor allem aber zum Text von Hans-Christian Hoffmann “Europa – Anhängsel oder Partner der USA?” sind wirklich sehr interessant.
Sie stellen die richtigen Fragen und geben meiner Meinung nach auch die richtigen Antworten, zumindest aber Antworten, die es verdienen, dass man darüber nachdenkt und öffentlich diskutiert.
Da die Vorstellung, die Sie in Ihrem ersten Fragenkomplex aufgreifen (Europa als unabhängiger Machtkomplex neben USA und Russland/ China) sehr schnell als unrealistisch ad acta gelegt werden kann, möchte ich mich ausschließlich dem zweiten von Ihnen zur Debatte gestellten Fragenkomplex zuwenden, für den exemplarisch die Frage steht (Zitat):
“Was spricht denn notfalls dagegen, Polen und seine potenziellen Partner ihren militärischen Konfrontationskurs fahren zu lassen, diesen aber nicht mitzumachen und stattdessen auf Sichvertragen zu setzen?”
Nein Herr Müller, da spricht grundsätzlich überhaupt nichts dagegen. Ich sehe diesen Schritt, den Deutschland idealerweise zusammen mit Frank-reich gehen sollte, sogar als Gebot der Stunde im Sinne der Interessen unserer Länder, aber auch aus Gründen der völkerrechtlichen Redlichkeit. Denn es ist doch für jeden redlichen Menschen einsehbar, dass es moralisch verwerflich ist, im Windschatten eines Welthegemons auf Kosten anderer, meist bettelarmer Länder über ungerechten Handel, Ausbeutung von Ressourcen, Farbrevolutionen und andere Schweinereien Vorteile zu erlangen und Wohlstand aufzubauen, wobei dieser Wohlstand dann im wesentlichen bei den wirtschaftlichen Eliten verbleibt und die arbeitende Bevölkerung, jedenfalls in großen Teilen, trotzdem noch zusehen muss, wie sie finanziell über die Runden kommt. Außerdem würde ich eine weitere sehr attraktive Folge solchen Handelns sehen, nämlich das schnelle Ende des Krieges in der Ukraine, denn ohne die Unterstützung durch Deutschland und Frankreich würde die Motivation der “Willigen” in der Ukraine noch lange einen Krieg gegen Russland zu führen, signifikant schwinden und man müßte einem Frieden, der die Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen Russlands ausreichend berücksichtigt, zustimmen. Natürlich muss aus deutscher Sicht zumindest mittelfristig auch angestrebt werden, dass die amerikanischen Truppen aus unserem Land abziehen (Stichwort Ramstein) aber selbstredend auch die Atomwaffen der USA verschwinden.
Ich muss nicht besonders betonen, dass dieser Weg aus deutscher Sicht nicht heißt, dass die USA für uns dann als Gegner gelten. Es muss immer angestrebt werden, dass wir ein freundschaftliches, friedliches, gerechtes Verhältnis (auf Augenhöhe) zu den USA pflegen. Eine andere Frage ist natürlich, wie die maßgeblichen Kreise in Politik und Wirtschaft der USA auf ein solch souveränes Verhalten Deutschlands reagieren werden. Wird man uns dann auch sanktionieren? Wird man einen Handelskrieg vom Zaun brechen oder uns gar als systemischen Rivalen einstufen, den es auch militärisch einzudämmen gilt? Wird Deutschland bei einem solchen aggressiven Szenario wirtschaftlich bestehen können?
Man sieht schon, dass dieser Weg lang und mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist. Es braucht kluge, vorausschauende Politiker und auch Politikwissenschaftler, die verantwortlich zu handeln wissen. Leute mit einer politischen Schmalspurausbildung an Neoconsschulen wie Frau Baerbock aus Deutschland oder Frau Marin aus Finnland, beide “Young Global Leaders” aus Klaus Schwabs Klub der Superreichen “WEF”, sind dafür vollkommen ungeeignet. Es fängt also schon bei der Ausbildung fähiger Führungskräfte an, setzt sich fort über die Entwicklung entsprechender Bewegungen aus den Völkern und die Bildung von Parteien mit entsprechenden Programmen. Vor allen Dingen aber darf man die Flinte nicht ins Korn schmeissen, niemals! Festzustellen, dass der Gegner zu mächtig ist und in vielen Ländern auch noch die Medien beherrscht und es ja doch keinen Zweck hat, wäre das größte Versagen, auch moralisch. Hoffnung geben die BRICS-Staaten und der Wunsch nicht weniger Länder ebenfalls Mitglied dieses Bündnisses zu werden. Hoffnung gibt ein immer deutlicher erkennbares Umdenken im globalen Süden. Wenn wichtige europäische Länder wie Deutschland und Frankreich den Konfrontationskurs verlassen und zu wirklich gerechter Kooperation mit vermeintlichen Rivalen bereit sind, würde das erdrutschartige Verschiebungen im geopolitischen Agieren des politischen Westens nach sich ziehen. Es würde dann für die USA schwieriger, weiterhin Krieg und Sanktionen als Mittel der Politik einzusetzen. Im Geiste Willy Brandts würde ich das mit dem Motto zusammenfassen: Mehr Frieden wagen, sich den Kriegern verweigern!
Es grüßt freundlich
Peter Werner
6. Leserbrief
Welch ein Brustlöser, Ihr Artikel zum Thema „multipolare Welt“ und die Rolle Europas darin.
In welcher Welt leben wir? Nach wie vor ist das „Imperium USA, die skrupellose Weltmacht“ (Daniele Ganser, Titel seines Buches).
Nach dem Fall der Sowjetunion scheint es keinerlei Alternativen zur aggressiven Politik des Neoliberalismus zu geben, insbesondere keine zur Unterwerfung Europas unter die USA und deren Narrative.
Und gerade deshalb ist Ihr Beitrag so gut. Er denkt anders.
Wir brauchen keine „dritte Supermacht zwischen China und den USA“. Wir brauchen endlich eine selbständige Politik gegenüber den USA, gegen die „US-Bestimmtheit“!
„Unsere Rolle als Teil Europas könnte aber genau darin bestehen, nicht in Konfrontation mit Russland und auch nicht in Konfrontation mit China oder mit anderen Völkern und Ländern der Welt zu existieren und zu florieren, sondern ganz bewusst statt auf Militär auf gute Nachbarschaft zu setzen.“
„Auf Sichvertragen setzen.“
Leider gehen Sie nur auf das Berliner Grundsatzprogramm von 1989 der SPD ein, in welchem die Auflösung der NATO gefordert wird.
Mit dieser Forderung (an die USA) wird auf das Naheliegende verzichtet, nämlich auf den jederzeit möglichen Austritt aus der NATO, welcher in Verbindung mit der Kündigung des Truppenstatuts die ideale Lösung darstellt. Wohlgemerkt: Das ist jederzeit möglich, während das Warten auf die Auflösung der NATO, einem Instrument der Beherrschung Europas durch die USA, in der Tat ohne Perspektive ist.
Ami go home! Raus aus der NATO!
Das nenne ich „ sehr gravierende und einfache Schritte. Aber sie brächten uns nicht weniger, sondern mehr Sicherheit. Weil wir nicht mehr das herausragende Ziel von Militärschlägen (Ramstein, Büchel) wären, das aus militärischer Stärke und Aufrüstung folgt“.
Mit Ramstein verschwände außerdem ein Ort, von dem aus die völkerrechtswidrigen Drohnenangriffe und überhaupt alle Angriffe auf andere Länder, Irak, Libyen, Syrien und auch die Militäroperationen an Russlands Grenze gesteuert werden.
Das wäre eine Befreiung!
Endlich wäre die Souveränität Deutschlands erkämpft!
Und welche Außenpolitik würden wir machen? Eine im Geiste der Neutralität, wie etwa die Schweiz es macht, aber eben von deutschem Boden aus. Das ist die logische Folgerung aus dem Austritt aus der NATO.
Mir kommt das berührende Deutschland-Lied von Bert Brecht in den Sinn:
Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land.Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir’s
Und das liebste mag’s uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.
Vielen Dank Peter Klemm
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