Wann immer die äußeren Umstände einen Politikwechsel verlangen, kann dieser über die verkrusteten Strukturen einer Parteiendemokratie wie der Bundesrepublik nicht oder nicht im notwendigen Tempo herbeigeführt werden, sondern diese Strukturen erweisen sich im Gegenteil noch als selbstverstärkender Mechanismus, um die reformbedürftigen Bereiche weiter zu verfestigen. Dies lässt sich in der Corona-Krise wunderbar studieren, aber auch am Beispiel der anhaltenden Massenmigration. Ein echter Kurswechsel ist aus einem solchen System selbst heraus weder möglich noch vorgesehen, es sei denn, dieser besteht in der weiteren Radikalisierung und Ausweitung des Vorhandenen; auch dies erleben wir mit der Ampel gerade mustergültig, die den Irrweg Merkels in praktisch allen Belangen nur massiv verschärft. Ganz anders hingegen in einem Präsidialsystem: Dieses zeigt seine Stärken vor allem in Krisenzeiten – weil hier eine mächtige, direkt vom Volk gewählte Instanz, zumindest relativ losgelöst von Regierung und Parlament vermöge ihrer plebiszitären Legitimation, die Richtig bestimmt.
So sorgt in Frankreich eine neue Kandidatur für die nächsten Präsidentschaftswahlen im April kommenden Jahres schon jetzt für Durchzug und frischen Wind – und blankes Entsetzen bei Sozialisten, linken Medien, Antifa-Straßenschlägern bis hin zu Emmanuel Macrons liberalem Wahlverein En Marche: Der Journalist und messerscharfe Kommentator Èric Zemmour hat nämlich seine Absicht bekundet, in den Élysée-Palast einzuziehen. Dass er selbst Sohn algerischer Juden ist, hält den linken Mainstream natürlich nicht davon ab, ihn als Rechtsaußen und Islamophobiker zu titulieren oder gar in die Nähe von Neonazi-Gruppierungen zu rücken – was selbstverständlich auch der „Spiegel“ in seinem heutigen Verriss über Zemmour dankbar nachahmte. Mag sein, dass Zemmour zuweilen über die Stränge schlug – seine Grundausrichtung als Sicherheitspolitiker und Vertreter der „wehrhaften Republik“ ist konstruktiv und zwingend zeitgemäß, da gefragt.
Reformieren und retten
Dabei sind die politischen Hauptanliegen Zemmours die wahren Schlüsselfragen unserer Zeit, die auch in Deutschland – soweit sie es nicht bereits tun – früher oder später existenzielle Bedeutung entfalten werden: Die Begrenzung von Massenzuwanderung und Ausbreitung des Islam sieht er als entscheidende Herausforderungen in seinem Ziel, „Frankreich zu reformieren und zu retten”, wie er es in seiner auf YouTube veröffentlichten Videoerklärung ausdrückt, die auch im französischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Zemmour kann sich auf großen Zuspruch in der Bevölkerung berufen: Dort rangiert der 63-jährige in manchen Umfragen – die ihn auf Anhieb bei 14 bis 15 Prozent sehen – bereits vor Marine Le Pen und ihrem Rassemblement National.
In Frankreich zieht die Masche (wie auch hierzulande) immer weniger, „reaktionäre“ oder der Linksagenda zuwiderlaufende Persönlichkeiten mit hohlen Kampfbegriffen, Begriffsschubladen und Klischees zu stigmatisieren. Das kapieren nach und nach mehr und mehr Bürger, die mit dem übernutzten Links-Rechts-Schema ohnehin nichts mehr anfangen können. Mag sein, dass Zemmour – so wie auch Boris Johnson, Jair Bolsonaro oder Donald Trump vor ihm – das Etikett des „Rechtspopulisten“ zu Recht trägt; doch entscheidend ist die Sachagenda. Wenn es „rechts“ sein soll, sich gegen eine wahllose Elendsmigration aus überwiegend arabischen und afrikanischen Ländern zu positionieren, oder der zunehmenden Durchdringung muslimischer Lebensgewohnheiten im öffentlichen Raum Einhalt zu gebieten – von Halal-Märkten über Shishabars und Barbershops bis zu Gebetsräumen oder Minaretten samt Muezzin-Rufen -, dann sei es so; „dann sind wir eben rechts“, sagen sich immer mehr um ihre Heimat und besorgte Menschen. In Frankreich ist dieser Trotz nur deutlich ausgeprägter als in Deutschland. Doch wir holen auf.