
Der medial allgegenwärtige Ukraine-Krieg, die Warnungen vor Wirtschaftskrisen, Inflation, und Wohlstandsverlust, ständig steigende Lebensmittelpreise und die Aufforderung der Politik, Notvorräte anzulegen, führen offenbar bei vielen Deutschen zu der verzweifelten Hoffnung, den immer prekärer werdenden Verhältnissen durch „agrarische“ Selbstversorgung – also den heimischen Anbau von Nutzpflanzen bzw. Obst und Gemüse – mit mehr Unabhängigkeit begegnen zu können. Wie der Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten (BHB) mitteilt, die Interessenvertretung der Handelsbetriebe für Heimwerken, Bauen und Gärtnern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, sei der Abverkauf von Saatgut und Anzuchtpflanzen an Privathaushalte zuletzt stark angestiegen.
Dieser Trend ziehe sich, so BHB-Hauptgeschäftsführer Peter Wüst, „durch alle Altersgruppen und geht oft einher mit der Rückbesinnung auf den eigenen Nutzgarten.” Dies gelte auch für Städte, wo sich der Verkauf von Hochbeeten für den Balkon deutlich erhöht habe. Es entsteht quasi eine Art „vertical farming“ in Selbstversorgung, als Ausdruck eines wachsenden Misstrauens in die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit der wirtschaftlichen und staatlichen Versorgungssysteme. Buchstäblich „back to the roots“ wollen die Menschen gehen, um sich ein Stück Kontrolle, Autarkie und Selbstbestimmung zurückgeben zu können. Diese Bestrebungen können als klarer Hinweis auf eine steigende Verunsicherung gelesen werden, die sich auch in Verhaltensmustern wie „Prepping“ und dem sprichwörtlichen Hamstern widerspiegelt.
„Vertical farming” zur Selbstversorgung
Bei den großen Handelsunternehmen ist die Nachfrage nach wohnungsnahen Pflanzmöglichkeiten (Blumenkübel, Beete und Vorrichtungen für Saatanzuchten) gegenüber dem gleichen Zeitraum 2021 um ein Drittel gestiegen. Bei Pflanzwaren, besonders bei Nutzpflanzen, würden die Händler einen ähnlichen Effekt feststellen, so BHB-Chef Wüst – wenn hier auch wetterbedingt zuletzt etwas verhaltener. Laut dem Verband hätten manche Unternehmen teilweise Kundeneinbußen, besonders in hochpreisigen Produktgruppen; dafür steigt tendenziell die Nachfrage nach allem, was für die Menschen Abschottung und Unabhängigkeit bedeute, doch auch hier sind infolge der gestörten globalen Lieferketten und steigender Energie- und Logistikpreise nicht alle Artikel vorrätig oder lieferbar. Dennoch sei man in der Branche zuversichtlich, im Jahresverlauf alle Waren wiedeer sicher verfügbar zu haben.
Viele viele Baumschulen, Botanikläden und Gartenfachhändler verzeichnen eine deutlich gestiegene Nachfrage – und planten einen deutlichen Ausbau ihres Sortiments an Anzuchtpflanzen und Saatgut. Vor allem der Bereich „biologische Produktion“ beschäftige die Unternehmen sehr stark – von der Beschaffung bis hin zur Schulung der Mitarbeiter in der Beratung. Dass auch die Städter zurück zur naturnahen Selbstversorgung und damit wohl unmittelbarsten Form „regionaler“ Lebensmittelproduktion zurückfinden, könnte man als positive Entwicklung begrüßen – wenn der Grund dafür nicht so ernst wäre…
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