Horst D. Deckert

Nach peinlicher Chaos-Wahl: Teilwiederholung in Berlin möglich

Obwohl längst eindeutig erwiesen ist, dass die Bundestagswahl 2021 in Berlin unter Bedingungen abgelaufen ist, für die man sich in einer Bananenrepublik schämen würde, beharrt die amtierende Wahlleiterin Ulrike Rockmann darauf, dass eine auch nur teilweise Wiederholung der Wahl „unnötig” sei. Die zentrale Frage bleibe – so Rockmann ganz im Sinne ihrer Dienstherrin, Plagiats-Bürgermeisterin Franziska Giffey -, ob die Wahlpannen Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestags gehabt hätten. „Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass ich nicht die empirische Grundlage für eine Wahlwiederholung sehe”, erklärte sie. Demokratische Fairness und Korrektheit sind also fortan Ansichts- und Auslegungssache von einzelnen Amtsträgern. Von Rockmann wäre dabei eigentlich mehr zu erwarten gewesen – war sie doch der wegen der Wahlpannen zurückgetretenen Landeswahlleiterin Petra Michaelis nachgefolgt.

Ein Beitrag von Alexander Schwarz für Ansage!

Skandalwahlen wie in “Dritter Welt”

Die Obleute der Ampel-Koalition im Wahlprüfungsausschuss des Bundestags plädierten nun jedoch dafür, die Wahl in etwa 400 der rund 2.300 Wahllokale zu wiederholen. Davon wären alle zwölf Berliner Wahlkreise betroffen. Eine entsprechende Beschlussempfehlung soll die Bundestagsverwaltung erarbeiten. Der Obmann des Wahlprüfungsausschusses, Johannes Fechner (SPD), erklärte, das Wahlrecht sei die zentrale Beteiligungsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger. Daher müssten „Wahlfehler dieses Ausmaßes durch Neuwahlen korrigiert werden, damit alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen die Chance haben, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und damit ihre Stimmen das ihnen zustehende Gewicht bekommen.“

Und CDU-Generalsekretär Stefan Evers befand: „Die Folgen des Wahl-Chaos werden immer dramatischer. Berlin muss sich in großem Umfang auf Wiederholungswahlen einstellen.“ Obwohl vor allem die SPD für die Pannen verantwortlich sei, sei der verantwortliche SPD-Senator Geisel bis heute im Amt (wenn auch nicht mehr als Innen-, sondern nunmehr als Bausenator). Er hat dabei Skandal-Wahlen zu verantworten, die in der Dritten Welt OSZE-Beobachter auf die Barrikaden getrieben hätten.

Dramatische Folgen der Skandalwahlen

Für diese dürfte Geisel tatsächlich der Hauptschuldige sein. Eine Expertenkommission stellte zwischenzeitlich fest:

„Die Wahl in Berlin am 26. September 2021 hat durch ungewöhnlich viele Pannen und Fehler nicht nur den konkreten Wahlvorgang unzuträglich behindert, sondern das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den wichtigsten demokratischen Mitwirkungsakt in unserem Gemeinwesen nachhaltig gestört. Eine Aufarbeitung des Geschehenen, um für die Zukunft besser gewappnet zu sein, ist daher unerlässlich.“

Geisels Behörde wird ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt: „Die Durchführung der Wahlen und Abstimmungen unterliegen der Aufsicht der Senatsverwaltung für Inneres. Aufsicht bedeutet nicht nur nachträgliche Kontrolle, sondern unterstützende Begleitung, sofern es um die Vermeidung von Rechtsverstößen geht.“ Weiter heißt es in dem Bericht, niemand habe nach der Wahl Verantwortung übernehmen wollen. Die Senatsinnenverwaltung habe jedoch eine Mitverantwortung.“

Die eigentliche Ursache der Wahlprobleme habe in „strukturellen Mängeln und organisatorischen Defiziten“ gelegen und damit Faktoren, für deren Beseitigung die Politik zuständig gewesen wäre. Bei klareren Kompetenzen und Verantwortlichkeiten und einer besseren Zusammenarbeit wären nach Ansicht der Kommission sowohl die bereits vor dem Wahltag bekannten Stimmzettelprobleme als auch die Mängel in der logistischen Planung der Wahllokale und -kabinen „behebbar bzw. vermeidbar gewesen.“ Und obwohl unabhängige Medien, unter anderem „Tichys Einblick” (TE), eindeutige Hinweise auf gezielte Manipulationen gefunden hatten, will die Kommission keine solchen Indizien gefunden haben.

Auffällig ist auch, dass sich unter den 400 Wahlbezirken, in denen der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages Wiederholungen durchführen will, der Bezirk Lichtenberg ausgespart ist: Dort hatte die Linkspartei ein Direktmandat gewonnen, dessen Verlust zum Ausscheiden der Partei aus dem Bundestag und massiven Veränderungen von dessen Zusammensetzung führen würde. Auch hier konnte TE eklatante Unregelmäßigkeiten nachweisen.

„Gedanken machen“ – viel zu spät

Wahlleiterin Rockmann gibt sich zuversichtlich, die von der Ampelkoalition beschlossenen selektiven Nachwahlen ließen sich „innerhalb weniger Monate organisieren.“ Die Landeswahlleitung habe sich darüber bereits „Gedanken gemacht”. Wer Berlin allerdings kennt, wird daran seine Zweifel haben. Denn hätte man sich früher „Gedanken gemacht”, dann hätte dieses peinliche Debakel vielleicht vermieden werden können. Eine Abstimmung im Bundestag darüber wird allerdings erst im Oktober erwartet. Zuvor will man die Einschätzung des Berliner Verfassungsgerichtshofes Ende September abwarten. Dieser befasst sich zwar ausschließlich mit einer eventuellen Wiederholung der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus; da jedoch sämtliche Wahlen am 26. September 2021 durch die Pannen betroffen waren, hätte ein Urteil zur Wahlwiederholung auch Auswirkungen auf die Entscheidung zur Bundestagswahl

Sollte der amtierende Bundestag der Empfehlung der Obleute folgen und sich für eine Wiederholung aussprechen, könnte dagegen noch Widerspruch vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt werden. Für eine Neuwahlentscheidung gibt es hohe Hürden. Ein Urteil könnte zu dem Schluss kommen, dass Wahlen komplett oder teilweise wiederholt werden müssen – aber auch, dass den Beschwerden zwar stattgegeben wird, aber keine Neuwahlen anberaumt werden.

Es drängt sich hier der Eindruck auf, dass der eigentliche Skandal der zuerst mit grotesker Schlampigkeit durchgeführten Wahlen, deren falsche Ergebnisse dann beibehalten und manipuliert wurden, zugunsten einer alibimäßigen Teilneuwahl vertuscht werden soll. Der frühere Berliner FDP-Politiker und heutige Gewerkschaftsvorsitzende Marcel Luthe erklärte dazu: „Die Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags ist eine Farce, die das lädierte Bild demokratischer Grundregeln in Berlin nur noch weiter beschädigt.

Diese rein politisch-taktische Entscheidung, die der Wahlprüfungsausschuss ohne Kenntnis des Gesamtsachverhalts hingeschludert hat, wird – sollte der Bundestag dem folgen – das Bundesverfassungsgericht zu prüfen haben. Ganz ungeachtet dessen, dass der Bundestag nicht wird erklären können, wie er auf 400 Wahllokale kommt – und dabei die berlinweiten Unregelmäßigkeiten und wechselseitigen Abhängigkeiten ausklammert – ist es anhand der Akten auch nicht zu erklären, weshalb Lichtenberg nicht betroffen sein sollte.“

Dieser Beitrag von Alexander Schwarz erschien zuvor auf Ansage!

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