In einer Regierung, die, weniger als ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt, ein in der deutschen Nachkriegsgeschichte beispielloses Ausmaß an Inkompetenz beweist,, schafft es Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) immer noch mühelos, eigene Maßstäbe an Peinlichkeit und Ungeschicklichkeit zu setzen: Gestern wurde bekannt, dass ihr 21-jähriger Sohn in einem Regierungshubschrauber zu einem gemeinsamen Osterurlaub auf Sylt geflogen worden war. Es war nicht die erste dubiose „Reise” dieser Art, bei der A. Lambrecht seine Mutter, wie es heißt, „begleitet” hat.
Von Daniel Matissek
Die Kosten pro Flugstunde beim Regierungshubschrauber „Cougar“ (den Lambrechts Sohn A. unter anderem nutzte) sollen 5.300 Euro betragen. Der Sprössling hatte die Flüge, ebenso dreist wie prahlerisch, auf seinem Instagram-Kanal selbst ausführlich dokumentiert. Die Ministerin hatte sich im konkreten Fall am 13. April zu einem Truppenbesuch in Schleswig-Holstein begeben, und hatte von dort aus die Weiterreise nach Sylt angetreten, um dort über Ostern zu relaxen – pikanterweise, während in der Ukraine eine – von ihr mit gespieltem Entsetzen beklagte – russische Großoffensive begann. Begleitet wurde Lambrecht in Sylt offenbar von ihrem Sohn.
Selbst die ebenfalls skandalumwitterten Amtsvorgängerinnen Lambrechts, die CDU-Frauen Annegret Kramp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen, hatten solche Familienausflüge, soweit bekannt, stets vermieden. Lambrecht hingegen hatte ihren Sohn bereits während ihrer Zeit als Justizministerin auf „insgesamt sieben Auslandsreisen“ mitgenommen. Die Kosten seien stets privat bezahlt worden, teilte das Justizministerium mit; ob damit die vollen Flugkosten gemeint sind, erscheint angesichts des genannten Kostenrahmens kaum vorstellbar.
Ahnungslose Seiteneinsteigerin
In Lambrechts neuem Ministerium, wo sie als völlig ahnungsloses „Greenhorn“ und Seiteneinsteigerin mal eben zur Oberkommandierenden der maroden Truppe wurde, hat man wohl bereits eine eingespielte Routine in der Reaktion auf Lambrechts Fehltritte entwickelt: Erst vor wenigen Wochen sahen sich die Beamten gezwungen, öffentlich einen üblen Versprecher ihrer Dienstherrin zu korrigieren, mit dem diese bei einem EU-Gipfel eil- und leichtfertig versichert hatte, Deutschland werde die kompletten 5.000 Mann für die neue EU-Eingreiftruppe stellen.
Verzweifelte Versuche Skandal abzuwenden
Mit PR-Desastern, öffentlichem Krisenmanagement und Troubleshooting hat man bei dieser Zumutung von Ministerin sowohl im Berliner Bendlerblock wie auch auf der Bonner Haardthöhe anscheinend alle Hände voll zu tun – und auch jetzt bemühte man sich im Verteidigungsressort umgehend um die Versicherung, der Flug des Ministerinnensprösslings bewege sich angeblich völlig im Rahmen des Erlaubten:
„Die Bundesverteidigungsministerin ist anforderungsberechtigt, wenn die Reise in amtlicher Tätigkeit stattfindet. Und sie entscheidet auch, wer mitfliegt.“
Die Kosten seien „zu 100 Prozent von der Ministerin bzw. der Begleitperson zu tragen und wurden bereits im Vorfeld des Fluges beglichen. Sowohl der Mitflug als auch die Kostenerstattung fanden in Überstimmung mit den Richtlinien für den Einsatz von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft statt“, ließ man schnell verlauten, um den neuesten Skandal möglichst im Keim zu ersticken.
Die Opposition ist außer sich
Dafür durfte es angesichts von Lambrechts Vorgeschichte jedoch bereits zu spät sein – zumal sich die Opposition diesen neuesten Fauxpas nicht entgehen lässt:CSU-Verteidigungspolitiker Reinhard Brandl erklärte: „Der Zeitpunkt des Ministerinnen-Urlaubs auf Sylt war mitten in der Krise um den Krieg gegen die Ukraine schon grenzwertig. Dass ihr Sohn sich nun auch noch auf Instagram brüstet, dass er im Regierungshelikopter in Richtung Sylt mitfliegen durfte, schlägt dem Fass den Boden aus.“
Lambrecht solle Luftwaffe nicht mit Lufthansa verwechseln
Und Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, sagte gegenüber BILD: „Die Bundeswehr für private und parteipolitische Zwecke zu benutzen, ist stillos.“ Die Verteidigungsministerin sollte „als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt mehr Fingerspitzengefühl zeigen und nicht die Luftwaffe mit der Lufthansa verwechseln.“
Die dem Verteidigungsausschuss angehörende CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler kritisierte: „Entweder fehlt es der Frau an guter politischer Beratung oder an Instinkt. Im Moment sieht es leider so aus, als fehle es an beidem.“ Ein derartiges Verhalten sei als Justizministerin noch relativ unproblematisch gewesen, weil Lambrecht „da nicht so im Fokus gestanden“ habe. Als Verteidigungsministerin sei das „nochmal anders.“ Der Vorgang müsse vollständig geklärt werden.
Selbst vom Koalitionspartner FDP kam Kritik: Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann machte aus ihrer Missbilligung ebenfalls keinen Hehl: Das Ganze sei „nicht wirklich korrekt, das wissen wir alle.“ Sie gehe davon aus, dass die Ministerin den Fall erklären könne.
Stöckelschuhe im Wüstensand
Lambrecht scheint regelrecht darum zu betteln, von der Bürde des sie hoffnungslos überfordernden Amtes entbunden zu werden. Ohne jede Sachkenntnis und nur aus Partei-und Geschlechterproporz widerwillig ins Amt gelangt, demonstriert sie ihre Überforderung nahezu täglich. Letzten Monat machte sie sich und die Truppe, die sie repräsentiert, vor aller Welt lächerlich, als sie in Stöckelschuhen durch den Sahara-Wüstensand von Niger und Mali stakste.
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Bereits bei Amtsantritt hatte sie Befremden ausgelöst, weil sie erst einmal Urlaub machte, anstatt sich in die ihr völlig fremde Materie einzuarbeiten. Seither reiht sich eine Panne an die nächste, von der Lieferung defekter Waffen an die Ukraine bis zur Unfähigkeit, das neue „Sondervermögen“ für die Bundeswehr richtig zu verwenden.
Allerdings lässt auch die Kritik von Serap Güler tief blicken: Wenn man die private Nutzung von Regierungseigentum durch Familienmitglieder von Ministern für falsch hält, ist es unwesentlich, welches Ressort die Betreffenden bekleiden. Dass man als Verteidigungsministerin mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht, macht bei der Bewertung solch fragwürdiger Privilegien keinen Unterschied.