
Vielleicht ist Nancy Faeser heute Nacht schweißgebadet aufgewacht. Ein furchtbarer Albtraum quälte sie kurz nach Mitternacht: Ein Milliardär kaufte ein soziales Netzwerk – praktisch aus seiner Portokasse – und daraufhin durfte dort jeder schreiben, was er wollte: „Lauterbach ist doof”, „Auch Rechte haben Gefühle” oder gar „Ich esse gern Fleisch und trinke Wodka dazu”. Selbstverständlich musste unsere umtriebige Innenministerin diesem wüsten Treiben alsbald ein Ende bereiten. Da es ihr schon gelungen war, den Besitzer des satanischen Netzwerks Telegram im sonnigen Arabien ausfindig zu machen, um ihm die Leviten zu lesen, fühlte sie sich zuversichtlich. Doch – ach! – der neue Medienschurke hatte zwischenzeitlich seine Pläne zur Besiedlung des Weltalls in die Tat umgesetzt. Die Firmenzentrale befindet sich nun auf dem Mars, und ein lachender Elon Musk ruft herunter: „Komm doch her, wenn du dich traust!“
Gerade als Frau Faeser überlegte, ob im Kampf gegen Rechts im Allgemeinen und Hassrede im Besonderen die Neuauflage eines deutschen Raumfahrtprogramms gerechtfertigt sei, riss sie eine in der Nähe vorbeijaulende Polizeisirene aus dem Schlaf der Gerechten – und siehe da: Twitter befand sich tatsächlich nun in Privatbesitz. Doch Nancy Faeser ist mit ihren Ängsten (und ihrem Zorn) nicht allein.
(Screenshot:Twitter)
die Empörung ist groß. Jemanden in sein Netzwerk einzuladen, der einem spinnefeind gegenübersteht, so wie Musk es getan hat, liegt weit außerhalb dessen, was die Böhmermanns, Sixtus oder Faesers selbst praktizieren. Da ist man schon geblockt, bevor man „Hallo“ gesagt hat. Andere Meinungen gelten als toxisch.
Zugegeben, es ist ein wenig unheimlich, dass eine Privatperson sich ein soziales Netzwerk kaufen kann. Das hat etwas vom Medienmogul Elliot Carver aus dem Bond-Streifen „Der Morgen stirbt nie”. Schließlich könnte Musk es sich jederzeit anders überlegen und doch die Zensur verschärfen, wenn ihm eine Laus über die Leber läuft. Was aber eindeutig für ihn spricht, ist der offene Umgang mit seinem Kauf. Und, seien wir ehrlich: So einmalig ist der Vorgang auch nicht; vor fünfzig Jahren hätte er sich eben ein eigenes Verlagshaus angeschafft (so wie es Jeff Bezos 2013 mit der „Washington Post” tat). Mit dem Unterschied, dass wir jetzt alle als Hobbyjournalisten beteiligt sind. Wenn ich eine persönliche Bitte an Herrn Musk richten dürfte, wäre das jedoch die Erhöhung der möglichen Zeichenzahl pro Tweet: Große Analysen der politischen Weltlage gibt diese nämlich nicht her, höchstens ein Häppchen davon.
Wie am gescholtenen Stammtisch
Aber Musk hat richtig erkannt, wie wichtig es den Menschen ist, sich frei äußern zu können. Linke Journalisten und unsere Innenministerin sehen darin eine Gefahr für die Demokratie (wie widersinnig!), weil sie Andersdenkenden nicht die Möglichkeit lassen wollen, auch einmal Dampf abzulassen. Manches davon mag tatsächlich strafrechtlich relevant sein; es ist aber nicht die Aufgabe der selbsternannten Gedankenpolizei, dies einzustufen, dafür gibt es Fachleute – man nennt sie „Juristen”. Andere Beiträge wiederum lassen einen den Kopf schütteln; aber auch das hat seinen Reiz. Im Grunde wollen die Nutzer schlichtweg ihren Senf zum Weltgeschehen dazugeben. Es verhält sich im Grunde wie am viel gescholtenen Stammtisch: Große Pläne werden gemacht, man ermutigt sich gegenseitig, doch mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen – dann jedoch kehren die meisten in ihren Alltagstrott zurück. Das ist streng genommen sogar umsturzfeindlich, denn das Gespräch mit Gleichgesinnten nimmt viel Druck aus dem Kessel, der sich sonst an anderer Stelle entladen würde.
Schaut man sich hingegen an, wie linke Gewalttäter und Propagandisten agieren, so ist der Ablauf ein vollkommen anderer. Oft finden sich im Vorlauf einer Straftat noch nicht einmal konkrete Drohungen, sondern das Zielobjekt wird zunächst mit einer scheinbar harmlosen Beschreibung markiert: „Der AfD-Politiker Enrico Palusi, der sich trotz seines Migrationshintergrunds bei den Faschisten engagiert, wohnt am Blümchenweg 26b in Oer-Erkenschwick und fährt einen blauen Skoda mit dem Kennzeichen…“ – ein paar Tage später finden wir dann bei „Indymedia” die Erledigungsmeldung: Meist hat etwas gebrannt oder wurde mit Farbbeuteln beworfen. Ähnlich verhielt es sich auch, als in Dresden die Skulptur des „Mädchens im Tränenmeer“ verwüstet worden war. Man befand das als legitimen Protest gegen „Revisionismus“ – auch wenn das wohl das Letzte war, was die polnische Schöpferin des Werks damit aussagen wollte. Hörte man darüber einen Aufschrei von Frau Faeser? Nein. Man hat generell nicht den Eindruck, dass sich die ermittelnden Behörden große Mühe geben.
Gifttopf der Woko Haram
Geschimpfe bei Twitter und Telegram gegen Protzereien mit Straftaten bei „Indymedia”: Da steht heute fest, wer den Kürzeren zieht. Das geschriebene Wort gilt derzeit als weitaus gefährlicher als ein Brandsatz – der dann auch noch den Besitz eines Menschen trifft, den man längst zum Paria erklärt hat. Manches, was in den sozialen Medien während der Corona-Pandemie veröffentlicht wurde, erwies sich als Sprengstoff – allerdings als politischer. Denn nicht immer, aber in vielen Fällen trafen die angeblichen Verschwörungstheorien genau ins Schwarze. „Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand‚”, sagt man gemeinhin, das trifft auch auf die Lauterbachs und Faesers zu, die für ihre Auftritte bei Twitter meist nicht den gewünschten Applaus ernten. Das ist hart – wie gerade Nicht-Linke wissen, die regelmäßig übelste Beleidigungen aus dem Gifttopf der „Woko Haram” zu hören bekommen. Schön ist das nicht – aber es gehört zur Freiheit dazu.
Jetzt tobt wieder die gerechte Empörung – man wisse ja, wohin das alles führe, von geplanten Lauterbach-Entführungen bis zur Götterdämmerung des vierten Reiches! Wenn man nicht gut aufpasst, was die Bürger schreiben, ist Meinungswildwuchs die Folge! Und bevor der alles zuwuchert, muss die Zensurschere für Ordnung sorgen. Natürlich nennt man sie nicht so, sondern „Kampf gegen Hass und Hetze”. Man weiß schließlich, wie sehr man selbst mit Selbstjustiz sympathisiert, wenn sie nur aus der richtigen Ecke stammt.
Und da kommt dann einfach so ein Milliardär um die Ecke und will aus Twitter eine „unwoke“ Zone machen. Darf der das? Nun, er hat nicht lange gefragt, sondern einfach gemacht. Wir werden sehen, ob er seinem Ziel treu bleibt (Donald Trump scheint dem Braten noch nicht zu trauen). Jetzt wird Musk gehasst; da nutzt es ihm auch nichts, in Afrika geboren zu sein. Aber für freie Meinungsäußerung ist er der linken Blase nicht schwarz genug – und da nenne uns jemand „privilegiert”…
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