Kein Thema heizt zurzeit die Gemüter der Republik derart auf wie die von Wirtschaftsminister Habeck geplante Gesetzesnovelle zum schrittweisen Verbot von öl- und gasbetriebenen Heizungen. Dabei ist dieses Gesetz eigentlich ohnehin unnötig. Während man sich in Politik und Medien die Köpfe über die Sinnhaftigkeit eines Verbots heißredet, wurde auf EU-Ebene – ohne dass dies in Deutschland sonderlich wahrgenommen wurde – eine Richtlinie verabschiedet, in deren Folge ab 2027 die Preise für Heizöl und Erdgas ohnehin so stark verteuert werden, dass der Fortbetrieb von Öl- und Gasheizungen zu einem Luxus wird. Egal ob mit oder ohne Heizungsgesetz – wir werden gezwungen, auf Techniken wie die Wärmepumpe umzusteigen, und das wird richtig teuer für die Haushalte. Die sozialen und ökonomischen Folgen dieser erzwungenen „Wärmewende“ sind gesellschaftlicher und somit auch politischer Sprengstoff. Von Jens Berger.
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Die Fronten innerhalb der Ampelparteien haben sich verhärtet und die Opposition wittert Morgenluft. Wenn die Bundesregierung es vor der Sommerpause nicht schafft, sich auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf für das Heizungsgesetz zu einigen, könnte sich die Gesetzgebung so lange verzögern, dass das Thema den kommenden Wahlkampf dominiert. Das wollen die Grünen verständlicherweise – 68 Prozent der Bevölkerung lehnen lt. einer aktuellen SPIEGEL-Umfrage das Gesetz ab – mit aller Macht verhindern. Daher ist es keinesfalls unwahrscheinlich, dass das Gesetz nur in einer abgeschwächten Form mit deutlich erhöhten Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen kommen wird. Die FDP wird sich dies als großen Erfolg anschreiben lassen. Für die Bevölkerung wird dieser „Erfolg“ aber wenig bis nichts ändern, denn mit oder ohne Gesetz werden auf die Haushalte, die heute mit Öl oder Gas heizen, schon bald Kosten in signifikanter Höhe zukommen. Zynisch könnte man sagen: Auch ohne Heizungsgesetz wird die Preisentwicklung für Gas und Heizöl die Haushalte, die es sich leisten können oder einen Kredit bekommen, zwingen, auf eine Wärmepumpe umzusteigen; und die Haushalte, die es sich nicht leisten können und nicht kreditwürdig sind, werden unter die Räder kommen.
Hintergrund ist die Ausweitung des EU-Emissionshandels auf die Bereiche „Gebäude und Verkehr“ und die ist geradezu ein Lehrstück darüber, wie wirklich bedeutende Gesetze und Verordnung ohne echte Berichterstattung seitens der Medien über den Umweg EU durchgeboxt werden. Sagt Ihnen „Fit for 55“ etwas? Was sich wie das harmlose Ertüchtigungsprogramm einer Krankenkasse anhört, ist der Name für ein Richtlinien- und Verordnungspaket, mit dem die EU bis 2030 mindestens 55 Prozent der Treibhausgasemissionen einsparen will. Die am 18. Dezember letzten Jahres vom EU-Parlament verabschiedete Einführung eines CO2-Preises für Gebäude und Treibstoffe im Straßenverkehr ist ein Bestandteil von „Fit for 55“.
Über dieses Gesetzesvorhaben gab es im Vorfeld deutlichen Widerstand. So warnte der Vorsitzende des Umweltausschusses des EU-Parlaments, der Franzose Pascal Canfin, davor, dass dieses Vorhaben „selbstmörderisch“ sei, da es europaweit das Potenzial habe, eine Protestbewegung ähnlich der französischen Gelbwesten zu provozieren. Man „besserte nach“ und am Ende schrumpfte der Widerstand auf den äußeren linken und rechten Flügel des Parlaments. Kernstück der „Nachbesserung“ war eine angebliche Obergrenze des CO2-Preises von 45 Euro pro Tonne. Zum Vergleich: Deutschland hat Teile dieser Verordnung als „Klassenprimus“ bereits 2021 vorweggenommen und hierzulande gilt zurzeit für Treibstoffe und Erdgas ein CO2-Preis von 30 Euro pro Tonne, der bereits fester Preisbestandteil an der Zapfsäule und auf der Heizöl- bzw. Gasrechnung ist. Ob 30 oder 45 Euro … das macht den Kohl ja nicht fett. Genau so wird es beispielsweise in der Tagesschau kommuniziert, wo es heißt, „für deutsche Verbraucher ändert sich erst einmal nichts“. Doch das ist falsch.
Richtig ist vielmehr, dass besagte 45 Euro keine harte Preisobergrenze sind. Der CO2-Preis für Benzin, Diesel und Erdgas wird nach der EU-Verordnung ab 2027 konkret über ein komplexes Zertifikatehandels-System bestimmt. Wenn der Preis für ein Zertifikat über eine Tonne CO2 die Schwelle von 45 Euro übersteigt, werden im Rahmen eines Preisstabilisierungsmechanismus neue Zertifikate ausgegeben. Das ist in der Theorie ja auch wirksam, nur dass die Menge der zusätzlichen Zertifikate ebenfalls streng begrenzt ist. Laut Christian Flachsland, dem Direktor des Zentrums für Nachhaltigkeit an der Berliner Hertie School, kommen 20 Millionen zusätzliche Zertifikate auf ein System, das 1.000 Millionen Tonnen CO2 abdeckt. Somit gibt es einen Puffer von gerade mal zwei Prozent. Wird diese Schwelle überschritten, gibt es kein Sicherungsseil und keinen doppelten Boden; dann geht der Preis für ein CO2-Zertifkat durch die Decke.
Und genau dies sagen so ziemlich alle Experten voraus, die sich mit dem Thema beschäftigt haben. Laut Flachsland kommt keine Modellierung auf die genannten 45 Euro pro Tonne. Man sei „eher bei 100 bis 300 Euro“. Ähnliche Zahlen kommen vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, das Preise zwischen 200 und 300 Euro für denkbar hält. Auch Experten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung halten bei den Preisen „im Grunde alles [für] möglich“. Ein CO2-Preis von 200 Euro pro Tonne entspricht übrigens einem Preisaufschlag von 53 Cent pro Liter Diesel bzw. Heizöl, 47 Cent pro Liter Benzin und 6,5 Cent pro Kilowattstunde Erdgas. Damit entspricht allein der CO2-Preis dem Vorkrisen-Endkundenpreis für Erdgas. Für ein Einfamilienhaus verteuern sich damit die Heizkosten um mehr als 100 Euro pro Monat – zusätzlich zu den heute schon horrenden Heizkosten. Wenn die Gaspreisbremse dereinst ausläuft, kommen auf die Haushalte dann Heizkosten von mehreren Tausend Euro pro Jahr zu.
Diese horrenden Preise machen den Umstieg auf eine Wärmepumpe attraktiv, denn anders als Öl und Gas wird Strom als Heizenergie nicht von der CO2-Bepreisung erfasst, da er ohnehin bereits über CO2-Zertifikate verteuert ist; jedoch als Heizenergie im Vergleich zu den fossilen Energieträgern deutlich niedriger. Und wenn man die ab 2027 zu erwartenden horrenden Heizkosten bei Öl und Gas einmal auf die Finanzierungszeit einer subventionierten Wärmepumpe hochrechnet, wird die Rechnung in vielen Fällen eindeutig pro Wärmepumpe ausfallen.
Damit ist zwar weder der Umwelt noch dem Klima geholfen – aber darum geht es beim „Wärmewenden-Wahn“ ja offenbar auch gar nicht. Hier scheint vielmehr die Ideologie die eigentliche Triebfeder zu sein. An die sozialen und ökonomischen Implikationen denkt dabei offenbar niemand.
Viele – vor allem jüngere – Hausbesitzer werden Zugang zu passenden Förderkrediten bekommen und sich einen Umstieg auf eine Wärmepumpe zumindest auf dem Papier schon leisten können. Aber was heißt „leisten können“ ökonomisch? Wenn eine Wärmepumpe samt Installation z.B. nach Abzug der Subventionen 20.000 Euro kostet und über zehn Jahre finanziert wird, sind dies ohne Zinsen 170 Euro Abtrag pro Monat. Dies ist zwar wahrscheinlich weniger als die (s.o.) zu erwartenden Mehrkosten für Heizöl und Gas, aber immer noch 170 Euro, die dann nicht mehr für andere Dinge ausgegeben werden können. Dieses Geld fehlt also an anderer Stelle. Und die Ausgaben der Haushalte sind bekanntlich die Einnahmen der Unternehmen. Volkswirtschaftlich ist dies fatal.
Nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch sozial fatal sieht indes die Lage für die Haushalte aus, für die ein Umstieg auf eine Wärmepumpe z.B. wegen der baulichen Eigenschaften des Hauses oder der finanziellen Verhältnisse gar nicht möglich ist oder die schlicht zu alt sind, um noch einen Kredit zu bekommen. Diese Haushalte werden über den Umweg CO2-Bepreisung dann finanziell bestraft – und dies in einem Maß, das extrem hart ist. Denn gerade ärmere und ältere Menschen leben oft in Häusern, die nicht gerade gut energetisch saniert sind und die ohnehin schon hohe Heizkosten haben.
Zahlen werden am Ende alle, die heute noch in einem eigenen Haus leben und traditionell heizen. Mieter, deren Wohnung traditionell geheizt wird, sind ebenfalls betroffen – sei es über steigende Heizkosten oder über eine höhere Miete wegen der energetischen Sanierung. Die Einzigen, die fein raus sind, sind diejenigen, die bereits heute in einem Haus leben, das über Wärmepumpe geheizt wird – also die finanziell tendenziell eher besser gestellten Bewohner von Neubauten oder bereits energetisch sanierter Altbauten. Man könnte dies auch „Klassen-Heizsystem“ nennen und die ärmere Klasse fällt am Ende hinten runter.
Vielleicht hat der Franzose Canfin ja recht und dies könnte in der Tat der Auslöser einer europaweiten Protestbewegung sein. Auf unsere Nachbarn werden wir da wohl auch zählen müssen, da wir Deutschen uns ja in Duldungsstarre befinden und Protest hierzulande nur was für „Querdenker“ und „Rechtsaußen“ ist … oder täusche ich mich da?
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