Die Freund-Feind-Konstruktionen in der aktuellen Ukrainekrise nehmen mittlerweile groteske Züge an. Im Ernstfall ist dabei auch lupenreine Kindesweglegung billig. So etwa bei der aktuellen deutschen Kanzlerpartei SPD. Diese sagt sich nämlich immer mehr von ihrem Altkanzler Gerhard Schröder los. Grund dafür ist, dass er sich nicht genug von Putin distanziere. Dazu kommen Anträge auf Aberkennung von Ehrenbürgerschaften sowie eine Kirche, die plötzlich ein von ihm bezahltes Fenster nicht mehr will.
Schröder baute einst Brücken nach Russland
Teile der deutschen Sozialdemokratie pflegten in den letzten Jahren ein für deutsche Verhältnisse durchaus versöhnliches Verhältnis zu Russland. Die Wurzeln dessen fußen nicht zuletzt auf der Kanzlerschaft Schröders. Damals galt Putin auch im Westen teilweise noch als Symbol eines “neuen Russland” – immerhin hatte er es noch nicht gewagt, die globale Hegemonie der USA zu hinterfragen. Als er als erstes russisches Staatsoberhaupt eine Rede im Bundestag hielt – und das auch noch auf Deutsch – war die Begeisterung riesig, es gab tosenden, anhaltenden Beifall.
Für Schröder endete die freundschaftliche Basis zu Putin nicht mit seiner Abwahl. Nur Monate danach bekam er das Angebot einer führenden Position bei der Nord Stream AG. Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (ebenfalls SPD) sah damals darin kein Problem, weil es eine für Deutschland nützliche Position sei. Die Reise führte weiter in die Aufsichtsräte von Gasprom und Rosneft: Er galt als wichtiger Mittelsmann für lange Zeit intakten und fruchtbaren deutsch-russischen Beziehungen zur Partnerschaft bei Öl und Gas.
Fortan kein “großer Sozialdemokrat” mehr
Für seine Partei war dies lange ein zweischneidiges Schwert: Es gab parteiinterne Kritik an den guten Beziehungen zu Russland – aber man sonnte sich auch in der Vermittler-Rolle. Seit den Sanktionen gegen Russland ist alles anders: Die SPD versucht hastig, alle Brücken nach Russland zu verbrennen. Eindringlich versuchten SPD-Kanzler Olaf Scholz und die restliche Parteispitze, Schröder dazu zu drängen, seine Posten aufzugeben. Zudem solle er den Angriff auf die Ukraine öffentlich verurteilen. Das begründete man mit der Verantwortung des Kanzleramtes, das über die politischen Karriere nachwirke.
Nachdem Schröder den Forderungen offenbar nicht eilig genug nachkam, streicht man nun sein Andenken in der Partei. Man strich ihn aus einer “Liste großer Sozialdemokraten” auf der SPD-Homepage, die nunmehr nur mehr 33 Personen umfasst. Der offizielle SPD-Shop nahm auch die Schröder-Tassen aus dem Regal. Die einstige Lichtgestalt, der den Kanzlerposten nach 16 Jahre Kohl zurück zu den Genossen holte, ist seiner Partei nun peinlich, weil er mit den “Falschen” am Tisch sitzt.
Kirche will kein Fenster aus Schröder-Geldern mehr
Nicht nur die Partei versucht derzeit auf Distanz zu Schröder zu gehen, auch die Politik in seiner langjährigen Wahlheimat Hannover schämt sich seiner offenbar. Ende des Monats soll über einen Antrag, ihm die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen, beraten werden. Doch die Verwerfungen reichen nicht nur bis in die Politik. Denn die dortige Marktkirche will nun auf den Einbau eines mittelbar von Schröder finanzierten, 150.000 Euro teuren Fensters verzichten. Dieses wurde vom renommierten Künstler Markus Lüpertz gestaltet.
Die Gelder kamen zusammen, weil Schröder bei Vorträgen bei einigen deutschen Firmen bat, anstatt eines Honorars für das Fenster der Kirche zu spenden, das eine stilisierte Martin-Luther-Figur zeigt. Nun will die Kirche die Spendengelder sogar zurücküberweisen. Alles, Hauptsache kein Luther-Fenster eines heimatvertriebenen sudetendeutschen Malers aus dem Geld von Menschen, bei denen Schröder sprach.
Schüssel nach Druck nicht mehr bei Lukoil
Schröder ist nicht der einzige Altkanzler im deutschsprachigen Raum, der bei russischen Unternehmen Unterschlupf fand. Während Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern seinen Aufsichtsrat-Posten bei der russischen Staatsbahn bereits zwei Tage vor dem Angriff auf die Ukraine zurückgab, klammerte sich sein Vorvorgänger Wolfgang Schüssel (ÖVP) etwas länger an eine ähnliche Position beim Ölkonzern Lukoil. Nach neun Tagen gab aber auch er nach. Er erklärte nun, dass “mit dem kriegerischen Überfall auf die Ukraine, den brutalen Kampfhandlungen und Bombardierungen der Zivilbevölkerung die rote Linie überschritten” sei.
Schüssel will nun seine zweijährige Tätigkeit noch abschließen und Russland dann hinter sich lassen. Das plötzliche Statement nach Tagen des Beschusses hört sich aber nicht ganz freiwillig an. Zuletzt trat auch sein Vorgänger als ÖVP-Chef, Erhard Busek auf die Bühne. Dieser ätzte Richtung Schüssel: “Ich kann ihn nur bitten, konsequenter zu werden, wenn er sein Bild nicht völlig beschädigen will. Das was er jetzt aufführt, ist seiner nicht würdig.” Mitte Februar traf Busek – Ehrenpräsident des Globalisten-Treffs in Alpbach – in Wien auf Alexander Soros, der ihn dabei als “legendären Staatsmann” bezeichnete.